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Lothar Rüdiger - 3 - Flarrow, der Cief
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: Ein Seemannsschicksal
Flarrow, der Chief (3)
3. Teil der Trilogie: Chief
Band 46 der maritimen Zeitzeugen-Buchreihe "Seemannsschicksale"
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Band 46
in der gelben maritimen Buchreihe von Jürgen Ruszkowski
Lothar Rüdiger:
Flarrow, der Chief
Teil 3
Ein Schiffsingenieur erzählt
Fortsetzung der Bände 44
und 45
Flarrow als Chief
13,90 € - Bestellungen
Leseprobe:
Auf einem modernen Schiff - POLARSTERN
„Also dann legt schon mal den roten Teppich aus, der neue Chief kommt nämlich gleich an Bord!“ Der Personalsachbearbeiter legte den Telefonhörer auf, wandte sich an Flarrow und sagte: „Sie wissen ja Bescheid, das Schiff liegt bei MAN am Hachmannkai im Rosshafen.“ Flarrow steckte den Heuerschein ein, bat die Sekretärin, ihm ein Taxi zu rufen und fuhr mit dem Fahrstuhl ins Foyer im Erdgeschoss, wo sein Gepäck im Empfang aufbewahrt wurde.
Nach einem einwöchigen Urlaub, war er am Vormittag im Hochhaus der Hamburg-Süd in der Ost-West-Straße eingetroffen, wo die für das Anmustern erforderlichen Formalitäten erledigt wurden. Ein Heuerschein wurde ausgestellt, den er unterschrieb. Von diesem Moment an war er Leitender Ingenieur auf dem Vollkühlschiff KMS POLARSTERN. Man schrieb den vierten September 1967.
Der Technische Direktor, der ja um ein Gespräch gebeten hatte, war stark beschäftigt und verschob das geplante Einweisungsgespräch kurzer Hand auf später. „Wir haben ja noch Zeit, denn das Schiff wird ja doch vor Ende September nicht fertig. Reden Sie an Bord mit Ihrem Kollegen Wurdak, der hat das Schiff nach Hause gebracht und bleibt bis zum Ende der Werftzeit an Bord.“
Flarrow fuhr mit dem Fahrstuhl vom dreizehnten Stock zum Empfang im Erdgeschoss, wo ihn der Pförtner auf das wartende Taxi hinwies.
Der Mann, der vor dem Werktor von MAN ausstieg und das am Hachmannkai liegende Schiff begutachtete, war nicht mehr der, der in der Ost-West- Straße eingestiegen war. Das vor ihm liegende moderne Vollkühlschiff, das gar nicht gut in Farbe war, verwandelte ihn in ein Mitglied der zugehörigen Besatzung und nahm ihn sofort gefangen. Mit seinem rostigen Rumpf erinnerte es eher an ein früh gealtertes, heruntergekommenes Fahrzeug. Besonders auffällig die geöffneten Seitenpforten, die gerade von den Werftarbeitern mit Schleifhexen bearbeitet wurden, um den Rost zu entfernen. Seine eleganten, im Schleppkanal erprobten Linien, konnte dieser Zustand aber nicht verbergen, und einem Shiplover, wie Flarrow einer war, konnten sie nicht verborgen bleiben.
Dieses Schiff war nun sein Schiff. Es würde nicht nur sein Arbeitsplatz, sondern auch sein Zuhause für mindestens ein Jahr sein. Und er war der Leitende Ingenieur dieses Schiffes, allein dafür verantwortlich, dass der technische Betrieb sicher und störungsfrei lief. Dass man ihm das anvertraute, machte ihn stolz.
Der Taxifahrer, der ihn in seiner Betrachtung störte, aber inzwischen das Gepäck ausgeladen hatte und nun an das Fahrgeld erinnerte, bekam einen so strafenden Blick, dass er fast erschrak. Flarrow zog die Schultern hoch, ließ ein abschreckendes Räuspern hören und zahlte großzügig. „Sie sind sicher der Kapitän; ich wünsche Ihnen eine gute Reise und vielen Dank auch“, ließ der hoch erfreute Taxifahrer hören, ehe er davon fuhr. Flarrow aber hatte inzwischen sein Gepäck aufgenommen und dem fragenden Pförtner mit einem barschen, stolzen „Zur POLARSTERN“ geantwortet.
Ohne sich noch einmal umzudrehen ging er auf sein Schiff zu, erreichte über die Gangway das Hauptdeck und betrat durch eine Doppeltür das Deckshaus; am Maschinenbüro vorbei, wo mehrere Leute in blauen und weißen Kesselpäckchen lauthals über die Hauptmaschine diskutierten. Eine breite, querschiffs angeordnete Treppe führte zum Bootsdeck hinauf, wo die Wohnräume der Offiziere lagen. Wie auf fast allen Schiffen der Hamburg-Süd, waren die Kajüten von Chief und Kapitän durch den zum Quergang hin voll verglasten Salon getrennt, wo offenbar eine Besprechung stattfand. Flarrow trat ein, stellte sich vor und unterbrach damit die Diskussion. Wurdak, den er nicht kannte, stand auf und begrüßte ihn. „Ich habe meinen Kram noch nicht ganz von Bord geholt. Schlafen Sie an Bord oder an Land?“ - „An Bord.“ - „Na, dann werde ich mein Gepäck heute Abend mitnehmen.“ In diesem Moment erschien ein Steward mit Bettwäsche und Handtüchern, um die Koje frisch zu beziehen und das Bad einzurichten. „Wollen Sie gleich mit in den Salon, wir haben nämlich zwei Leute von MAN Augsburg da, die sich mit denen von der Werft streiten. Es geht um die Hauptmaschine.“ Flarrow nickte nur und ging mit. Die Diskussion drehte sich um die Luftverhältnisse im Maschinenraum. Wurdak hatte nämlich in seinen Berichten an die Inspektion behauptet, dass die Leistung der Zulüfter unzureichend sei und das auch mit Messungen belegt. Damit konnte man die starke innere Verschmutzung und die schnelle Verkokung der Spülluftkanalschlitze erklären. Obwohl die MAN-Motoren mit Umkehrspülung für ihre Neigung zur Verschmutzung der Spülluftschlitze bekannt waren, versuchten die Leute aus Augsburg die Ursache dafür der Werft in die Schuhe zu schieben. Ungenügende Auslegung hieß es. Die Werft sah sich aber zunächst schuldlos und verwies auf die bekannten Schwächen der Umkehrspülung. Flarrow verstand zunächst gar nichts und beobachtete nur. Wurdak erklärte ihm das später. Während seiner Zeit auf POLARSTERN hatte sich die Verschmutzung des Motors zum Problem entwickelt, als die Reinigung mehr Zeit erforderte, als in den Lade- und Löschhäfen zur Verfügung stand. Die Folge war ein ständig zunehmender Leistungsabfall mit schweren Betriebsstörungen. Mehrere Kolbenfresser warfen das Schiff aus dem Fahrplan und dokumentierten die Störanfälligkeit der Anlage. Der Vercharterer wurde ungeduldig. Da er das Schiff für fünf Jahre gechartert hatte, verlangte er die umgehende Verbesserung der Betriebsverhältnisse und drohte mit dem Ausstieg aus dem Chartervertrag.
Auf dem Schwesterschiff „POLARLICHT“ sah es nicht besser aus. Deshalb sollten beide Schiffe zurückgeholt werden, um die Störanfälligkeit ihrer Maschinen zu beseitigen. Zunächst war POLARSTERN nach Hamburg gekommen und lag nun bei MAN, wo neben der Hauptmaschine auch die gesamte Hilfsanlage überholt wurde. „Es gibt jede Menge zu verbessern“, sagte Wurdak, „Einzelheiten sind aufgeschrieben, und die Inspektion hat auch fast alles abgesegnet.“ - „Na, dann habe ich ja Lesestoff genug für heute Abend.“ - „Wollen Sie nicht mit an Land kommen, wir wollen einmal mit unseren Frauen einen Zug über Sankt Pauli machen?“ - „Ich denke, ich mache mich erst einmal hier an Bord kundig, denn die Zeit läuft ja.“ - Na, wie Sie wollen; ich sage Ihnen morgen, wie es war.“
Als Flarrow sein Gepäck im großzügig bemessenen Schlafraum untergebracht und eingeräumt hatte, nahm er sich für einen Moment der Papiere auf seinem Schreibtisch an. Von dort zog es ihn aber schon bald neugierig in den Maschinenraum. Vom Bootsdeck aus betrat er ihn und blickte auf die Zylinderstation herab. Neun schwarze Löcher und die leeren Gehäuse der Turbolader waren alles, was von der Hauptmaschine zu sehen war. Zylinderdeckel, Kolben und Laufbüchsen, sowie das Laufzeug der Turbolader waren in eine der MAN-Werkstätten zur Überholung verbracht worden. Das hatte er schon in der Besprechung am Nachmittag mitbekommen. Einen Stock tiefer, in Höhe des zweiten Decks, fand er die Tür zum Leitstand. In der vom Maschinenraum abgeteilten Schall isolierten und klimatisierten Zentrale gab es eine klare Gliederung. Er hatte genug Fotos gesehen, die immer einen telefonierenden Leitenden in einem Sessel am Fahrstand zeigten. Hier lümmelte sich ein Wachgänger in dem Sessel, der kaum von seiner Zeitung aufblickte, weil er Flarrow für einen der häufigen Besucher hielt, die hier, oft den großen Fachmann vortäuschend, in Wirklichkeit aber ohne große Ahnung, herumliefen und sich wichtig machten. Drei Seiten des Leitstandes waren mit Schränken belegt, die in klar gegliederten Feldern die Hauptschalttafel, Steuerschränke für Hauptmaschine und Hilfsbetrieb, Allgemeine Alarme, Tankinhaltsanzeigen und Bilgenkontrollanzeige, Kühlanlagenbetrieb und ein mit DATAZENT beschriftetes Feld, das seine besondere Aufmerksamkeit erregte, zeigten. Alles im Leitstand, einschließlich der Schrankabdeckungen war in einem matten Gelb gehalten, was dem Raum eine freundliche, aufgelockerte Atmosphäre verlieh. DATAZENT war die Datenerfassungs- und Überwachungsanlage. Sie stellte den Kern der neuen Technik dar und war das Herzstück der hier an Bord eingesetzten Elektronik. Datazent erfasste nahezu dreihundert Messstellen, druckte diese auf einer Kugelkopfschreibmaschine alle ein oder zwei Stunden aus, Grenzwertüberschreitungen durch den Störwertdrucker sofort. Die Kühlraumtemperaturen und der Kühlanlagenbetrieb wurden ebenfalls von einer weiteren Kugelkopfschreibmaschine dokumentiert. Und von all der Elektronik habe ich keine Ahnung, dachte Flarrow bei sich. Ein Elektroniklehrgang bei AEG würde ihm helfen, sich einzuarbeiten, jedenfalls hatte ihm das die Reederei gesagt, bekommen hatte er ihn allerdings nie. Neu war der Fahrstand mit der Messstelleneinzelabfrage, Display und den Kommandoelementen, die gegenüber dem Örtlichen Fahrstand miniaturisiert waren. Es war also möglich, neben dem Örtlichen Fahrstand an der Hauptmaschine und über die Fernsteuerungsautomatik von der Brücke auch die örtlichen Kommandoelemente der Hauptmaschine auf elektrohydraulischem Wege vom Leitstand aus zu bedienen. Flarrow war in Gedanken schon bei der Betriebssituation „Ausfall der Datazentanlage und was nun?“ als ihn der Wachgänger ansprach. „Suchen Sie etwas Bestimmtes hier? Ich muss nämlich jetzt meinen Rundgang machen und darf den Leitstand nicht unbeaufsichtigt lassen.“ - „Ist schon gut, ich gehe ja schon nach oben. Danke, dass ich mir das einmal ansehen durfte. Viel Ahnung habe ich nämlich davon nicht.“ Der Wachgänger grinste: „Das habe ich gleich gemerkt.“ Flarrow nickte ihm noch einmal freundlich zu, verließ Leitstand und Maschinenraum, um sich den Papieren auf seinem Schreibtisch zu widmen.
So bekam er einen Überblick über die Arbeiten, die bis zum Auslaufen nach Amerika noch zu erledigen waren.
Als Flarrow am nächsten Tag in Uniform im Leitstand auftauchte, lief der Wachgänger tief rot an und stotterte eine Entschuldigung. „Nein, nein“, sagte Flarrow, „ist schon gut, Sie haben vollkommen richtig gehandelt.“
Am nächsten Morgen traf der Zweite Ingenieur ein. Er hatte eine gute Woche Urlaub gemacht und kam nun zurück, um die Remontage von Hauptmotor und Hilfsdieseln zu überwachen. Er hatte im Dezember 1966 sein C5-Studium beendet, zu Weihnachten geheiratet und im Januar ein Schiff im Liniendienst der Hamburg-Süd nach Südamerika als Dritter Ingenieur bekommen. Anfang August wurde er in Hamburg abgelöst und für eine Woche in Urlaub geschickt. Die Versetzung auf POLARSTERN war mit einer Beförderung zum Zweiten Ingenieur verbunden. Dienstantritt erfolgte Mitte August mit Einlaufen des Schiffes in Hamburg. Er war nun der so genannte „aktive“ Zweite und würde etwa ein Jahr auf POLARSTERN bleiben. Damit war er auch für Flarrow, dessen Stellvertreter er war, der wichtigste Mann der Maschinenbesatzung. „Was ist mit den Leuten, Sie lassen sie Wache gehen?“ - „Im Moment haben wir drei Wachgänger und einen Dritten von der alten Besatzung, der aber aussteigen wird“, antwortete der Zweite. „Ab und zu schicken sie uns mal Leute, die wir beschäftigen, und falls sie was taugen auch an Bord behalten sollen. Meistens werden sie aber nach ein paar Tagen wieder von Bord geholt, weil sie woanders gebraucht werden.“ - „Da müsste ich wohl einmal mit der Inspektion reden?“ - „Das könnte sicher nichts schaden, obwohl wir ja wohl kaum vor Ende September rausgehen werden.“ - „Na ja, rechtzeitig vorsorgen ist natürlich besser, aber zunächst muss ich mich wohl erst einmal hier einarbeiten. Haben Sie Erfahrung mit der Automation hier an Bord?“ Der Zweite griente: „Nee, aber da will uns die AEG demnächst schlau machen. Übrigens, einen Elektriker haben wir auch noch nicht, was ja eigentlich sehr dringend nötig wäre.“ - „Gut, kümmern Sie sich erst einmal um den Betrieb. Ich werde mit Wurdak noch dies und das klären und vor allem mit der Inspektion reden. Lassen Sie mich wissen, wenn es irgendwo klemmt und Sie Hilfe brauchen. In den nächsten Tagen reden wir noch einmal über den ganzen Kram hier und natürlich auch über die Leute.“
Dann erschien Wurdak und teilte mit, dass am Vormittag die AEG an Bord käme. Die Störanfälligkeit der Bordelektronik, besonders die für die Ladekühlanlage sollte besprochen werden. Die Besprechung dauerte, weil nicht geklärt werden konnte, ob der Schwerpunkt der Störungen der Elektronik oder den englischen Kühlmaschinen zuzurechnen war. Man schob es hin und her, was Wurdak verzweifeln ließ, versprach aber, die Elektronik bis zum Auslaufen durchzuchecken und in Ordnung zu bringen. Danach sah sich Flarrow die Liste der Störungen an und verschob das Problem Ladekühlanlage auf später. Auf der Überfahrt nach Amerika würde Zeit genug sein, die Dinge anzugehen, wenn er davon ausgehen durfte, dass die Elektronik in Ordnung war.
Das Schiff war zurückgeholt worden, weil es die Charterbedingungen nicht mehr erfüllen konnte. Die Neubauabteilung der Hamburg-Süd versuchte nun, die entstandenen und noch entstehenden Kosten auf die am Bau beteiligten Firmen abzuwälzen. Da alle Parteien Dreck am Stecken hatten, die Reederei hatte ja schließlich das Schiff abgenommen, wurde fleißig „verhandelt“, um die eigenen Kosten möglichst gering zu halten. Flarrow, der grundsätzlich eine sehr hohe Meinung von den Werftleuten und Zulieferern, wie AEG und MAN, hatte, bekam Zweifel angesichts dieses billigen Schacherns, und die sollte er noch sehr oft haben.
Am nächsten Tag rief der Technische Direktor an und teilte ihm mit, dass er Leute an Bord schicken würde. Flarrow sollte sich seine Besatzung selbst zusammenstellen. „Schicken Sie alles, was Sie nicht gebrauchen können, zurück. Euer Schiff braucht gute Leute, und die sollt ihr auch haben.“ Damit war es möglich, eine Auswahl zu treffen, und das war etwas, was er noch nie erlebt hatte. Es würde also eine qualifizierte Maschinenbesatzung geben. Die beiden neuen Dritten Ingenieure hatten einen C5-Abschluss, das Patent mussten sie allerdings noch ausfahren. Die vier Ingenieur-Assistenten waren alle befahren, einer sogar schon auf POLARSTERN. Der Storekeeper war in Ordnung und dem Zweiten bekannt. Die beiden Reiniger hatte der Storekeeper empfohlen. Nun fehlte nur noch der Elektriker, obwohl der eigentlich am dringendsten benötigt wurde.
Auch der Maschinenraum füllte sich langsam wieder. Die an Land überholten Teile, wie zum Beispiel der vollautomatische CLAYTON-Schnelldampferzeuger, der überhaupt nicht funktioniert hatte oder Teile des Seewasserverdampfers, der seine Leistung nicht gebracht hatte, wurden installiert. Schwerpunkt der Arbeiten war aber die Montage des Hauptmotors. Der von zahlreichen und heftigen Bränden völlig verzogene Spülluftkanal musste auseinander geschnitten und neu an den Motor angepasst werden, was in der Enge des Maschinenraums ein bisschen an Zirkus-Artistik erinnerte. Laufbuchsen und Kolben wurden eingebaut, die Kreuzköpfe nachgepasst, Zylinderdeckel montiert und schließlich auch die Turbolader.
Die Maschinenbesatzung war in diese Arbeiten teilweise integriert. Die beiden Dritten, deren Stationen Hauptmotor und Hilfsdiesel waren, wichen den Werftleuten nicht von der Seite und überwachten deren Arbeiten sehr genau.
Damit die aktive Besatzung die Wochenenden zur freien Verfügung hatte, stellte die Reederei dafür sogar die Hafenwache. Das ging, weil die Werft und MAN dann nicht arbeiteten. Freizeit für die Besatzung wurde großzügig gewährt, denn wenn das Schiff wieder in Charter war, würde es die kaum noch geben, zumindest nicht in den ersten Monaten.
Flarrow hatte sich auch inzwischen eingearbeitet und merkte schon bald, dass die „weitgehend automatisierte“ Maschinenanlage nicht wirklich entwickelt worden war. Man hatte eine konventionelle Maschinenanlage lediglich mit Fernsteuerung und Regelungstechnik ausgerüstet. Wurdak konnte mit seinen Erfahrungen wertvolle Hinweise über alles geben, was nicht funktioniert hatte, und das war eine Menge. Es wurde aber nicht viel geändert, sondern nur repariert. Die Reederei hatte von der Werft ein Schiff verlangt, das eine kleine Anzahl Besatzungsmitglieder benötigte, um die laufenden Kosten für den Betrieb des Schiffes niedrig zu halten. Nun war die Werft der Meinung, dass die Instandhaltung der Maschinenanlage der stark reduzierten Besatzung über den Kopf gewachsen war. Eine kritische Analyse des teilautomatisierten Schiffsbetriebs wurde nicht gemacht. Man wollte sowenig Änderungen wie möglich, denn das hätte der Werft oder MAN richtig Geld gekostet.
Mitte September traf auch der Elektriker ein. Er war Elektroingenieur, der sich nach Abschluss des Studiums „ein bisschen von der Welt ansehen“ wollte. Die vorausschauende Reederei hatte ihn für zwei Monate auf ein Hörnchen geschickt, um ihm etwas Praxis beizubiegen. Flarrow machte ihm klar, was ein „Bananenjäger“ ist, und mit welchen Liegezeiten er rechnen könnte: „Sie können das Meer kennen lernen, denn dort werden wir leben, mit oder ohne Bananen im Schiff. Landgang? Die Zeit langt höchstens für ein paar Cuba Libre in der nächsten Kaschemme, wenn überhaupt.“ Der Elektriker begann nachzudenken, sagte aber schließlich doch zu und stieg auf POLARSTERN ein. Seinen Leuten machte Flarrow nun eindringlich klar, was sie zu erwarten hätten, wenn das Schiff wieder in Charter gehen würde: „Es wird jede Menge Arbeit geben, glauben Sie nicht, dass wir hier mit einer erprobten Anlage auslaufen. Für die ersten drei Monate können Sie Landgang vergessen. Wem das nicht passt, der sollte es jetzt sagen und aussteigen, denn noch sind Sie ja nicht angemustert.“ Obwohl Flarrow anbot, sich in einem solchen Fall für den Betreffenden bei der Reederei zu verwenden, blieben alle an Bord.
Die Reederei führte ein Führungskräfteseminar in Mölln durch, an dem Flarrow teilnehmen musste. Dort lernte er auch den Kapitän kennen, der mit Flarrow in einem Alter war und vorher Hörnchen gefahren hatte. Das Seminar dauerte zwei Tage mit einer Abendveranstaltung, in der neben einem Gala-Dinner auch der Leiter der Neubauabteilung einen Vortrag über das Schiff der Zukunft hielt. Eines der Schlagworte war „versiegelter Maschinenraum“, Bedienung der Maschinenanlage von der Brücke durch die nautischen Offiziere und eine deutliche Reduzierung der Besatzung für die Instandhaltung der Maschinen. Auf POLARSTERN und POLARLICHT würde ja die Kühlanlage bereits von den Nautikern gefahren. Also, zukünftig kein Personalmangel mehr bei der Flotte! Die Ausführungen dieses Herrn mussten natürlich alle aktiven Schiffsingenieure, besonders die wenigen, erfahrenen Chiefs, die man jetzt so dringend brauchte, veranlassen, sich baldigst um einen Landjob zu kümmern, solange sie noch jung genug dafür waren. Flarrow fragte sich daher, ob dieser Herr noch bei Trost war. Die Realität an Bord von POLARSTERN sah doch ganz anders aus! Aber laut Neubauabteilung würden jetzt die Erfahrungen mit POLARSTERN und POLARLICHT in die Planung der sechs neuen Superschiffe einfließen. Damit würden auch die derzeitigen Schwierigkeiten mit automatisierten Maschinenanlagen behoben sein. Keiner der anwesenden Kapitäne und Leitenden Ingenieure sagte dazu ein Wort. Alle waren vorsichtig mit ihren Äußerungen. Niemand wollte daher auch einen Diskussionsbeitrag leisten, und da Wurdak nicht anwesend war, schwieg Flarrow ebenfalls. Man würde ihm sofort mangelnde Erfahrung vorwerfen. Der für die Reederei so nötige Diskurs über die zukünftige Entwicklung kam deshalb nicht zustande.
An Bord zurück, erfuhr er von Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Instandsetzung des Spülluftkanals. Es wurde also langsam eng mit der Zeit; POLARSTERN musste noch ins Dock, und dieser Termin war unbedingt einzuhalten, Dockplätze waren nämlich rar.
Der Zweite Offizier war in der Zwischenzeit auf den Elektroniklehrgang der AEG geschickt worden. Das hatte die NTA über die Köpfe der Besatzung hinweg entschieden. Niemand von der Maschine war gefragt worden. „Die Neubauabteilung lässt grüßen“, sagte Flarrow, bevor er stinksauer bei der Reederei auftauchte, wo es natürlich wieder einmal keiner gewesen sein wollte. Ein paar Tage später, meldete sich der Zweite Offizier bei ihm. „Also die Sache war sehr interessant, aber verstanden habe ich kaum etwas, außer dass man die Ladelufttemperaturen auf der Brücke einstellen kann und alles über Fernthermometer gemessen wird. Niemand braucht mehr bei Kühlbetrieb in die Laderäume. Die Technik, die dahinter steckt, war das Hauptthema, aber fragen Sie mich nicht, ob ich davon viel mitgekriegt habe. Es waren ja auch nur Techniker im Seminar. Ich glaube, dass es besser gewesen wäre, einen Techniker von uns dort hin zu schicken.“ - „Wir halten uns aber an Sie, wenn etwas nicht klappt“, sagte Flarrow scherzhaft und besprach diese Angelegenheit mit dem Zweiten Ingenieur und dem Elektriker. Letzterer sagte, dass er mit der Datazentanlage schon zurechtkommen würde, Erfahrung hätte er aber damit keine. „O. k“, sagte Flarrow und drückte ihm einen Stoß Unterlagen in die Hand, mit der Auflage, sich intensiv um die Elektronik an Bord zu bemühen, und damit meinte er auch alles, was auf der Brücke oder sonst wo installiert ist. „Checken Sie bitte alles durch. Falls Sie irgendwo Probleme haben oder sehen, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid.“
Wurdak kam an Bord und schüttelte nur den Kopf, über das was passiert war. Er verabschiedete sich, weil er die Bauaufsicht über eines der neuen Vollkühlschiffe übernommen hatte. Das Schiff war bei Blohm & Voss, wo auch POLARLICHT gebaut worden war, gerade vom Stapel gelaufen. „Wir können ja telefonieren, falls es noch Probleme geben sollte“, sagte Wurdak, der den Kopf mit seiner neuen Aufgabe voll hatte.
Gegen die Verschmutzung der Spülluftschlitze wurden Sprühdüsen eingebaut, wogegen Flarrow protestierte. Er hatte Erfahrung mit dem Maschinentyp K70/120 und dessen Neigung zur Spülluftverschmutzung. Die Sprühdüsen verkleinerten die Lufteinlässe, wodurch das Luftverhältnis für die Verbrennung negativ beeinflusst werden würde, was die Verkokungsneigung eher fördern musste. Die sich während des Betriebs ansetzenden koksartigen Rückstände sollten aber nach MAN durch Ansprühen in bestimmten Intervallen mit einem Lösungsmittel gelöst werden. Der Haken an der Sache war, dass das Lösungsmittel dabei den Schmierfilm auf der Laufbuchse zerstörte, was Kolbenfresser auslösen konnte. Der verantwortliche Meister stimmte dieser Argumentation zu, verwies aber darauf, dass die Idee von Nürnberg, also von ganz oben, gekommen wäre. Da wurde natürlich auch Flarrow unsicher und besprach das mit dem Projektingenieur von MAN, der ebenfalls auf „die in Nürnberg“ verwies. Die Spezialisten in der Motorenkonstruktion hatten eben großes Ansehen. Der Technische Direktor der Hamburg-Süd befasste sich nicht mit der Sache und meinte: „Die werden schon wissen, was sie tun.“ Im Übrigen werden ja zur Probefahrt auch Ingenieure von MAN Nürnberg anwesend sein. Dann ist ja Zeit und Gelegenheit, so etwas zu diskutieren.
Sie bekamen hohen Besuch von Rudolf August Oetker, dem obersten Chef und Eigner der Hamburg-Süd-Gruppe, natürlich in Begleitung der Leitenden Herren. Kapitän und Chief wurden vorgestellt; sie waren vorher angewiesen worden, in blauer Uniform zu erscheinen. Kaffeetrinken im Salon, etwas Smalltalk mit dem freundlichen Reeder und seinen besten Wünschen für die Zukunft; nicht besonders interessant, weil offenbar nur eine der vielen Pflichtübungen. Und die Leute vom Büro passten sehr gut auf, dass ‚die’ von Bord nicht zu nahe an den großen Boss heran kamen.
An einem Mittwochabend wurde POLARSTERN ins Dock geschleppt. Der Unterwasseranstrich war fällig. Außerdem mussten Schraube und Schwanzwelle nach der Überholung wieder montiert werden.
Im Maschinenraum wurde nun in drei Schichten gearbeitet, weil der Erprobungstermin sonst nicht zu halten war. Ein Studienkollege, der bei der Hamburg-Süd gekündigt und bei MAN-Hamburg einen Landjob angenommen hatte, kam als Inbetriebnehmer an Bord. An einer gründlichen Erprobung ging schon deshalb nichts vorbei, weil viele Triebwerksteile neu waren. Das betraf die Laufbuchsen, Kolbenköpfe und Zylinderdeckel. Vom Inbetriebnehmer erfuhr Flarrow am Rande, dass die Zylinderdeckel Risse gehabt hatten und ausgewechselt worden waren. Das war eine wichtige Information, trotzdem redete kein Mensch über die Ursachen.
Am Samstagvormittag dockte POLARSTERN aus und wurde an die Dalben gelegt, wo am Montag die Standprobe der Hauptmaschine stattfinden sollte. Danach war dann eine zweitägige Probefahrt in der Nordsee geplant. Die Leute von MAN arbeiteten in der Nacht von Sonntag auf Montag durch, um den Termin zu halten. Gegen acht Uhr war es dann soweit. Unter der Leitung von MAN machte die überholte Hauptmaschine der POLARSTERN ihre ersten Umdrehungen. Die Drehzahl wurde nur langsam gesteigert, weil die gewechselten Triebwerksteile sich einlaufen sollten. Bei einer Maschinenleistung von etwa dreitausendfünfhundert PS durfte keine Steigerung mehr erfolgen, die Dalben, an denen das Schiff festgemacht war, hielten mehr nicht aus.
Während die MAN-Leute noch Einstellungen vornahmen, achteten die Ingenieure der POLARSTERN auf jedes Geräusch. Die Datazentanlage war in Betrieb und überwachte die wichtigsten Betriebswerte, vor allem die Lagertemperaturen, die sonst nur indirekt über die Öltemperatur kontrolliert werden konnten. Trotzdem standen auch die erfahrenen MAN-Leute um die Maschine herum und verließen sich aus alter Gewohnheit mehr auf Auge, Ohren und Geruchsinn, als auf den „niemodschen Krom“ im Leitstand. Nach gut sechs Stunden war man dann soweit; MAN gab die Maschine für die Probefahrt frei. Am späten Nachmittag fand eine Abschlussbesprechung in Flarrows Kajüte statt. Wie immer gab es noch einige offene Punkte, über die man sich schnell einig wurde, obwohl das meist zum Nachteil des Schiffes geschah. Der Technische Direktor gab jedoch sein Einverständnis auffällig schnell, so dass bei Flarrow der Verdacht aufkam, dass man das Projekt POLARSTERN loswerden wollte. Es gab offenbar genug andere Sorgen, und die Zeit drängte. POLARLICHT war nämlich auf dem Weg nach Hamburg, und der Bau der neuen Superschiffe verzögerte sich wegen technischer Schwierigkeiten. Schließlich wurde das Auslaufen für den nächsten Morgen acht Uhr festgelegt. Damit war die Abschlussbesprechung beendet, die Werftleute gingen von Bord, und die Schiffsleitung der POLARSTERN traf sich in der Offiziersmesse zum ersten gemeinsamen Abendessen, was nicht lange gemeinsam blieb, denn das Bunkerboot kam längsseits und verlangte den Zweiten Ingenieur. Nach dem Essen gab der Alte bekannt, dass sie im Anschluss an die Probefahrt direkt nach Bremen gehen würden, um Autos für New York zu laden. Man ging also davon aus, dass die Maschinenanlage in Ordnung sei und die anstehende Probefahrt nur noch eine Pflichtübung war.
Es wurde fast Mitternacht, bis alle Brennstofftanks gefüllt waren. POLARSTERN hatte nun 1.850 m³ Schweröl und Marine-Diesel an Bord. Das würde für gut vierzig Seetage reichen.
Ab Mitternacht gingen sie Seewache, die Flarrow zusammen mit dem Zweiten kontrollierte, und kurz danach gingen auch bei den beiden Ingenieuren die Kojenlampen aus.
Das Telefon klingelte, holte Flarrow aus dem Tiefschlaf, und eine Stimme sagte: „Sechs Uhr, Sie wollten geweckt werden.“ Er musste sich erst an das Telefon direkt neben seiner Koje gewöhnen. Auf diesem Schiff wurde „Erreichbarkeit“ groß geschrieben. Deshalb gab es noch zwei weitere Telefone auf seinem Schreibtisch; ein batterieloses für den Notfall und der Anschluss zur Rundspruchanlage mit Vorrangschaltung zum Leitstand, zur Brücke und zum Kapitän.
Zehn Minuten später betrat er den Leitstand, wo der Zweite dabei war, den Betrieb hoch zu fahren. Die Schwerölseparatoren wurden gestartet und der vollautomatische Schnelldampferzeuger für die Beheizung der Schwerölbetriebstanks. Anruf von der Brücke: „Wasser an Deck!“ Oben war also auch schon etwas los. Der Bootsmann wollte das morgendliche „Rein Schiff“ erledigen. Dann fing die Kugelkopfschreibmaschine von IBM an zu rattern. Rote und schwarze Zahlen wurden ausgedruckt. Weil die Hauptmaschine noch nicht in Betrieb war, meldete die Datazentanlage verschiedene Temperaturen und Drücke als Störwert. Die Ausdrucke waren gewöhnungsbedürftig, und es dauerte einige Zeit, bis man die Information auf dem Ausdruck verstehen konnte. Aber schon in wenigen Tagen würde das vorbei sein, dann genügte ein schneller Blick über den Ausdruck, um sich den erforderlichen Überblick zu verschaffen. Leider nur über die überwachten Werte, alles weitere musste per Rundgang durch den Maschinenraum, wie früher auch, festgestellt werden. „Alles o. k“, sagte der Zweite, „keine Besonderheiten heute Nacht.“ Er hat seinen Laden im Griff, dachte Flarrow, als er den erst gestern Nacht abgesprochenen Wachplan an der kleinen Informationstafel hängen sah. „Gehen Sie mit frühstücken oder haben Sie noch zu tun?“ - „Ich komme mit“, sagte der Zweite.
In der O-Messe trafen sie auf den Kapitän und den Ersten Offizier. „Eier nach Wunsch“, verkündete der Messesteward. „Sind wir um acht Uhr seeklar?“, fragte der Alte. „Natürlich. Wir wollen uns nachher nur noch einmal die Rudermaschine ansehen. Ich rufe dann auf der Brücke an, wenn wir soweit sind.“ - „O. k., Chief, die Gäste müssten auch bald eintreffen, ist noch Werft an Bord?“ - „In der Maschine nicht und an Deck wohl auch nicht. Wir fahren das Schiff, zumindest was die Maschine angeht. Die ist gestern übernommen worden.“
Während Flarrow in das weiße Kesselpäckchen schlüpfte, erschien der Technische Direktor mit dem Kapitän in Flarrows Kajüte. „Die Hauptmaschine dreht ab sofort nur noch einhundertsiebenunddreißig Umdrehungen. Sie bekommen das noch schriftlich, damit Sie etwas in der Hand haben, falls die Standard Fruit daran Anstoß nehmen sollte.“ - „Das wären dann nur noch ungefähr 21,5 Knoten, weniger als die die bisherige Dienstgeschwindigkeit ein Knoten“, meinte Flarrow, und der Kapitän fragte: „Langt das denn, können wir damit den Fahrplan halten?“ - „Es wird wohl ausreichend sein, Ihr werdet es ja merken. Und noch etwas, ich möchte über alle Betriebsstörungen, auch die kleinsten, per Telefon oder Funkspruch informiert werden.“ Wie, um das zu unterstreichen, heulte die Alarmsirene in der Maschine kurz auf. Aber ehe dazu noch etwas gesagt werden konnte, erschienen die Gäste von MAN, der Werft und der Reederei.
Flarrow verschwand nach achtern in die Rudermaschine, telefonierte mit dem Leitstand, um den Zweiten zu informieren und dann mit der Brücke. Dort legte der Erste Offizier das Ruder mehrmals in Hartlage. Die Ruderanlage war in Ordnung, und nachdem die Hauptmaschine mit Luft getörnt worden war, rief Flarrow die Brücke an: „Maschine ist klar, wir fahren vom Leitstand aus.“
Da sie eine zentrale Uhrenanlage an Bord hatten, bedurfte es eines Zeitvergleiches nicht mehr. Obwohl auf der Brücke ein Kommandodrucker installiert war, bestand Flarrow darauf, dass in der Maschine auch weiterhin ein Manöverbuch geführt wurde, worüber natürlich etwas genörgelt wurde. „Und was ist, wenn plötzlich die Automatik ihren Geist aufgibt?“, erwiderte er auf solche Nörgeleien.
Im Leitstand waren nun sechs Personen versammelt; die Seewache, die Manöverwache, der Elektriker und der Chief. Es wurde still, und die Spannung wuchs wie immer vor dem ersten Manöver.
Sie liefen die Elbe abwärts und hatten Blankenese passiert, als der Kapitän mehr Umdrehungen wollte. Langsam gingen sie auf zehn bis elf Knoten. Die Wachen wechselten, aber Flarrow blieb im Maschinenraum, drehte hin und wieder eine Runde bis in den hintersten Teil des Wellentunnels. Nicht, dass er unsicher war oder Angst gehabt hätte, er sah vielmehr, wie wichtig es war, vor Ort zu sein, um zu hören, zu sehen, zu schmecken, zu riechen und zu berühren. Die Elektronik mochte für vieles gut sein, aber vieles konnte sie auch nicht. Das, was da einmal im Konstruktionsbüro ausgeknobelt worden war, langte für eine totale Anlagenüberwachung überhaupt nicht. Deshalb verließ er sich auch mehr auf das, was er in vergangenen Jahren gelernt hatte, nämlich auf die Benutzung seiner fünf Sinne.
Als der Seelotse von Bord war, wurden die Ballasttanks geflutet, um das Schiff schwerer zu machen und die Hauptmaschine zu fordern. Danach gingen sie auf einhundertzwanzig Umdrehungen. Überraschend, wie leicht die Maschine durch den kritischen Drehzahlbereich ging. Flarrow verließ mit den Worten „Nicht mehr als einhundertzwanzig Umdrehungen“ nach acht Stunden den Leitstand und ging auf die Brücke. Mit neunzehn Knoten lief das Schiff durch die Nordsee. „Elegant“ fiel ihm dazu ein, und er begann, ohne dass er das selbst wahrnahm, eine Beziehung zu ihm aufzubauen, die eher von Gefühlen getragen wurde, welche bei einem Shiplover nun einmal ausreichend vorhanden waren.
In der Maschine wurden nun Leistungsmessungen vorgenommen, Kompressions- und Zünddrücke sowie Zündzeitpunkte der einzelnen Zylinder kontrolliert. Die Messungen ergaben, dass kleine Korrekturen erforderlich wurden, die man aber bei nächster Gelegenheit in Bremen leicht ausführen konnte. Der Kapitän informierte ihn darüber, dass die Gäste gegen achtzehn Uhr in Cuxhaven von Bord wollten, sie würden dort erwartet. Da wurde es für Flarrow höchste Zeit, mit den Leuten von MAN zu reden. Er fand den Chef der Konstruktion auf dem Brückendeck, als der gerade mit einem Herrn von der Werft das Kielwasser von POLARSTERN bewunderte. „Eine vollendete Schiffsform und ein sehr guter Propulsionswirkungsgrad“, hörte Flarrow den Werftmann sagen, und als der sich umdrehte: „Ah, da ist ja auch der Leitende, schön, dass Sie sich auch einmal an Deck sehen lassen. Herr Doktor, darf ich Ihnen den Leitenden Ingenieur dieses Schiffes vorstellen?“ - „Ich hätte da ein paar Fragen“, kam Flarrow sofort zur Sache und schnitt das Thema „Schlitzsprühanlage“ an. Was passierte, wenn sie die Anlage in Betrieb nehmen würden, wie würde sich das auf den Verschleiß und die Neigung zu Kolbenfressern auswirken? War die Sache auf dem Prüfstand erprobt? Der Doktor hörte sich das alles an und meinte dann, dass da kaum Probleme entstehen würden, zumindest, soweit er das beurteilen könnte. Getestet hatten sie das nämlich nicht, und Flarrow begann zu begreifen, dass das alles nur eine Notlösung darstellte. „Wenn das Ganze nicht funktionieren sollte, können Sie ja die Anlage wieder ausbauen“, sagte der Doktor schließlich. „Wir haben Liegezeiten von sechs bis acht Stunden, und das über Monate!“ - „Na ja, irgendwie wird es doch wohl gehen. Ihr Schiffsingenieure habt ja immer eine Lösung parat, wenn es darauf ankommt.“ Flarrow kam zum nächsten Punkt: „Warum müssen die Spanten im Spülluftluftkanal innen eingezogen sein und nicht außen. Glatte Innenwände sind doch viel leichter zu reinigen und vor allem schneller. Das Säubern der Spülluftschlitze wäre um vieles bequemer.“ MAN propagiere den Slogan „Der einfache Motor“. Das würde eben auch für den Spülluftkanal gelten. Außen liegende Spanten würden dem Slogan widersprechen, und die „Schlitzverkokung“ wäre bei einer guten Verbrennung kein Problem mehr, da mache es keinen Sinn, irgendwelche Maßnahmen für die Reinigung zu treffen. Auch zukünftig würde das Prinzip Umkehrspülung beibehalten, und auf dem Prüfstand in Augsburg hätte man keine Probleme mit der Schlitzverkokung festgestellt. Flarrow gab sich geschlagen. Unsachgemäße Behandlung durch das Bordpersonal, würde es heißen, und solange die Geschäfte gut liefen, würde es keine Änderungen geben. Er würde auch weiterhin seine Knie auf den zehn Millimeter starken Spanten strapazieren, und die Reiniger würden sich auch weiterhin unter noch schlimmeren Bedingungen quälen müssen.
Flarrow hatte während der Werftzeit in Hamburg einen Kollegen aus dem Parallelsemester getroffen, der bei MAN in der Konstruktion angefangen hatte. Etwas naiv denkend, wollte er seine praktischen Erfahrungen dort einbringen. Er hatte schließlich zum Ende der Probezeit gekündigt, als er merkte, dass niemand seine Vorschläge ernst nahm. Das Geschäft lief ausgezeichnet und MAN hatte einen guten Ruf; wozu dann noch die Vorschläge eines neuen Mitarbeiters beachten.
Das alles konnte Flarrow kaum glauben. Die Abgehobenheit dieser Landratten nahm er zur Kenntnis. Aber er kapierte nun, warum die Reederei auf Verbesserungsvorschläge nicht reagierte, ja sie nicht einmal zur Kenntnis nahm. Sie wollten also in Hamburg ihre Ruhe haben. Und die an Bord würden schon klar kommen, denn es gab ja für die keine Alternative.
Die Werft wollte noch ein paar Manöver fahren, um die Fahrautomatik zu zeigen. Als die Leistungsmessungen beendet waren, wurde die Hauptmaschinensteuerung auf „Brücke“ umgestellt, was der Störwertdrucker mit einem kurzen Piepton quittierte. Die von der Werft gewünschten Tests begannen. Alles lief gut, bis auf der Brücke jemand den Maschinentelegrafen von ‚Voraus Halbe’ auf ‚Zurück Halbe’ legte. Flarrow stand zufällig gerade vor dem Fahrpult und konnte genau sehen, was da passierte. Die Automatik leitete das Manöver ein, aber die Anlassluftmenge reichte nicht aus, die Maschine auf Zurück anspringen zu lassen. Programmgemäß wiederholte die Automatik den Anlassvorgang noch zweimal, ging dann auf „Stop“ und gab Generalalarm. Da Flarrow, der wusste, dass sie im freien Wasser waren und keine Gefahr bestand, griff er erst ein, als die Maschine zum vollkommenen Stillstand gekommen war. Dann schaltete er die Fernsteuerung auf „Leitstand“ um und ging langsam auf ‚Zurück Halbe’. Ein Satz aus dem Betriebshandbuch fiel ihm ein: „Die Automatik ist außerdem in der Lage, die Hauptmaschine auch bei Umsteuermanövern viel besser zu regeln, als das jemals von Hand möglich wäre.“ Der Kapitän rief an: „Warum haben Sie denn auf Maschine umgeschaltet?“ Flarrow erklärte das Ganze und empfahl eine Wiederholung des Manövers. Aber auch dieses Mal endete es mit Steuerung „Leitstand“. Später sagte der Erste Offizier, die Werftleute hätten plötzlich auf die Uhr geschaut und an das Einlaufen in Cuxhaven erinnert. Niemand hätte zu dieser Sachlage noch Anmerkungen gemacht.
Um achtzehn Uhr lagen sie an der Alten Liebe in Cuxhaven. Das „Gästevolk“, wie es der Zweite nannte, stürzte an Land. Und niemand von diesen „Halbwissenschaftlern“, einer davon war immerhin der Chefkonstrukteur, hatte auch nur in den Maschinenraum hineingesehen! Was für eine Komödie!
Sie blieben über Nacht liegen. Der Liegeplatz, der tausende Auswanderer gesehen hatte und die großen Nordatlantikliner der HAPAG, die von hier nach Amerika gestartet waren, war tidenabhängig, so dass mit der Änderung des Wasserstandes durch Ebbe und Flut die Leinen gefiert oder geholt werden mussten. Um hier Mannstunden zu sparen, hatte man Mooringwinden gebaut, die das Fieren und Holen übernehmen sollten. Geregelt wurde das Ganze durch die Kraft, die auf die Leinen kam. Beim Abendessen konnte Flarrow beobachten, wie das Schiff am Pier hin und her gezogen wurde, worauf das Mooringprogramm für die nächste Zeit abgeschaltet blieb.
Dann traf der angekündigte Zweite Ingenieur ein, der bis New York mitfahren sollte. Der aktive Zweite machte Flarrow sofort klar, dass man den zusätzlichen Mann nicht brauchen würde. Das verstand Flarrow recht gut, er hätte an Stelle seines Zweiten nicht anders gehandelt, der glaubte, dass man seinen Fähigkeiten nicht völlig vertraute. Trotzdem konnte man diese gut gemeinte Hilfe der NTA schlecht ablehnen. „Ich kann doch zu so einem Angebot nicht nein sagen. Wenn das Geringste unterwegs passiert, werden sie mir vorwerfen, dass das mit dem erfahrenen Zweiten, der ein Jahr auf POLARSTERN gefahren hat, natürlich hätte vermieden werden können. Dann haben wir den Schwarzen Peter. Also Secundo, Sie sind der aktive Zweite, und er ist unser Berater. Sie machen Ihren Job, wir lösen unsere Probleme, und er berät uns dabei, falls wir ihn fragen versteht sich. Wenn unsere Direktion so etwas macht, was ja schließlich auch einiges Geld kostet, dann muss sie doch neben der Neubauabteilung mit ihrem „versiegelten Maschinenraum“ ziemlichen Bammel vor dem Vorstand und der Frachtabteilung haben. Deshalb müssen wir uns wohl oder übel für diese Hilfe auch noch bedanken, auch wenn uns das schwer fällt.“ Der Zweite zog ab, immer noch ein bisschen beleidigt, aber daran war leider nichts zu ändern.
Der Kapitän wollte wissen, wie viel Zeit für die Probefahrt noch benötigt würde, weil bereits am Nachmittag in Bremen geladen werden sollte. Das lehnte Flarrow ab, er wollte noch mindestens eine Stunde mit voller Drehzahl fahren und Leistungsmessung machen. Außerdem, in Erinnerung an die Risse in den Zylinderdeckeln die Stellung der Brennstoffnocken für die Rückwärtsfahrt kontrollieren. Man würde also erst mit der Abendflut nach Bremen einlaufen können.
Am nächsten Morgen liefen sie aus in Richtung Helgoland. Dann gingen sie auf volle Drehzahl und absolvierten ihr Programm. Für die Rückwärtsfahrt hatte der Alte in der Nähe von Helgoland freies Wasser gewählt. Wegen der Belastung des Ruders durften sie natürlich nur mit reduzierter Leistung fahren, aber ein Frachter, der mit zehn Knoten rückwärts durch die Nordsee fuhr, erregte natürlich Aufsehen. Der Alte drängte deshalb, die Sache abzukürzen, was Flarrow natürlich nicht tat. Seine Ergebnisse ließen sich aber sehen, die Rückwärtsnocken standen alle nicht richtig und erzeugten deshalb sehr hohe Zünddrücke, was in Bremen korrigiert wurde.
Sie luden 360 Volkswagen für New York, die schriftliche Anweisung der Reederei einhundertsiebenunddreißig Umdrehungen nicht mehr zu überschreiten, brachte der Direktor mit ein paar letzten Anweisungen und guten Wünschen mit. Sie könnten ja Tag und Nacht anrufen, die moderne Funkanlage gestattete das ja. Bei Störungen, die länger als zwanzig Minuten dauern würden, sollte ihn der Kapitän per Funkspruch unterrichten, und zu Flarrow gewandt: „Auf die Maschine kommt es nun besonders an, aber auch auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Deck und Maschine.“
Dann war es soweit, mit ablaufendem Wasser lief POLARSTERN die Weser abwärts.
Der Alarm kam gegen sechs Uhr morgens auf der Wache des Zweiten. Ein Wellenlager lief langsam heiß. Sie hatten bereits den Kanalausgang erreicht und Platz genug zum Stoppen. Der Alte hatte inzwischen die Fahrtreduzierung nach Hamburg gemeldet und fragte nun an, wie lange sie gestoppt liegen würden. Flarrow bat darum, erst einmal abzuwarten, bis man die Schadensursache gefunden hatte. Nach dreißig Minuten lief das Ganze wieder, aber von der Reederei lag bereits ein Funkspruch auf Flarrows Schreibtisch: „Hergebet umgehend Daten für Ferndiagnose“, lautete der Text.
Der Kapitän verlangte eine Antwort, und Flarrow, der sich darüber aufregte, dass der Kapitän wegen einer solchen Lappalie die Pferde wild gemacht hatte, gab als Grund „verschmutztes Schmieröl“ an. Über die schnelle Reaktion der Inspektion in Hamburg, noch dazu an einem Sonntag, wunderte man sich an Bord aber schon.
Etwas Anderes war ebenso interessant. Der ganze Vorfall hatte sich ohne Anwesenheit des „beratenden“ Ingenieurs abgespielt. Er war nämlich trotz des Stops in seiner Koje liegen geblieben. Sein Verhalten war sowieso merkwürdig. Er war offenbar der Meinung, dass er an Bord geschickt worden war, weil man die gemusterten Ingenieure nicht für fähig hielt. Er spielte deshalb den großen Max, bot sich keineswegs an und wartete darauf, dass er gefragt werden würde. Es fragte aber keiner. Flarrow ging zusammen mit dem dafür zuständigen Dritten die Abendwache von zwanzig bis vierundzwanzig Uhr, was Aufsehen erregte. Auch der Kapitän fand das merkwürdig, und der Erste Offizier, der mit dem beratenden Zweiten sympathisierte, machte bei passender Gelegenheit kleine stichelnde Anmerkungen. Das Gerede ging aber erst richtig los, als Flarrow verkündete, dass er die Ladekühlanlage testen werde. Der Erste Offizier war dagegen, wegen der PKW im Laderaum. Der Berater, den Flarrow aufgefordert hatte, sich zu beteiligen, bezeichnete das als unnötig. Aber der aktive Zweite Ingenieur war dafür, denn er hatte auch die Kühlanlagen in seiner Verantwortung und fand es richtig, diese rechtzeitig zu prüfen.
Auf POLARSTERN war eine dezentrale Ladekühlanlage eingebaut worden, die im vorderen und hinteren Deckshaus untergebracht war. Die Temperaturregelung erfolgte automatisch, bei Ausfall der Automatik, konnte die Anlage natürlich von Hand, aber nur vom Deckshaus aus, betrieben werden, was dann aber zusätzliches Personal erforderte. Flarrow hatte von Wurdak gehört, dass die zugehörige Automatik nicht so problemlos gelaufen hatte und vor allem viel mehr Überwachung benötigte, als geplant. Erstmalig war die Möglichkeit gegeben, die gewünschten Laderaumtemperaturen auf der Brücke und nicht in der Maschine, wo es angebracht wäre, einzustellen. Das war auch in den Deckshäusern möglich, aber die Störwertdrucker und das Ausdrucken der Ist-Temperaturen geschah wiederum nur auf der Brücke und im Leitstand. Während bisher zentrale Kühlanlagen, die im Maschinenraum untergebracht waren, durch das Maschinenpersonal überwacht wurde, ein Motorenwärter oder ein Assistent pro Wache regelte dann die Temperaturen, mussten nun bei Störungen der Wachingenieur oder sein Assistent in die Deckshäuser gehen, weil nur dort geschaltet werden konnte. Das Personal, das sich bisher im Rahmen des Wachbetriebs um die Anlagen gekümmert hatte, war eingespart worden. Aber durfte denn die Wache oder der Wachingenieur während seiner Wache den Maschinenraum verlassen? War es klug, bei einer Störung einen Mann nachts allein über das Vorschiff zum Deckshaus zu schicken? Die Philosophie der Neubauabteilung war klar. Die vollautomatische Anlage sollte die Laderaumtemperaturen selbst regeln. Der für die Ladung verantwortliche Zweite Offizier brauchte also nur die gewünschte oder verlangte Temperatur auf der Brücke einzustellen. Zur Kontrolle gab es einen Ausdruck der jeweiligen Ist-Temperaturen. Der Wachoffizier hatte aber zuerst das Schiff zu fahren, er durfte während seiner Wache auch die Brücke nicht verlassen und in die Deckshäuser gehen, was ja auch theoretisch kaum erforderlich war, die Automatik sorgte ja für den sicheren Betrieb. Der Wachoffizier würde also nur in „durchaus vertretbarem Umfang“, so die Werft, von seinem Wachdienst abgelenkt, - aber immerhin abgelenkt! Die bisherigen Betriebsergebnisse hatten etwas ganz anderes gezeigt. Denn nicht die Automatik sorgte für den sicheren Betrieb, sondern die Zuverlässigkeit der Kälteanlage. Da aber die Ladung bisher immer ohne Protest in einwandfreiem Zustand gelöscht worden war, hatte die Ladekühlanlage in Hamburg nicht eine so große Rolle gespielt. Die Maschinenbesatzung war außerdem um zwei Motorenhelfer aufgestockt worden. Damit wären genug Leute vorhanden, die bei einer Störung eingreifen konnten.
Der Probelauf wurde bei Null Grad Celsius Laderaumtemperatur beendet. Flarrow fertigte grafische Darstellungen der Temperaturverläufe an, die sehr unterschiedlich waren, was zunächst nicht erklärt werden konnte. Doch dann erwähnte der Zweite, dass in einigen Systemen die Ölabscheider übervoll gewesen wären und sie deshalb Öl abgezogen hätten. Das bezeichnete der „beratende“ Zweite aber als völlig normal. Bei der Vorkühlung war immer Öl abgezogen worden, später, während des Kühlbetriebes, musste es allerdings wieder ergänzt werden. Das mehrfache Öffnen des Kältemittelkreislaufes kostete jedoch immer Kältemittel und Schmieröl. Andererseits waren die Ergebnisse nicht so schlecht, dass man nervös werden musste. Die Lecksuche an den acht Anlagen mit sechzehn Kompressoren ergab keine Befunde. Ein Vorteil der dezentralen Anlage, die keine langen Rohrleitungen benötigte. Als problematisch wurde jedoch die Anordnung der Verdampfer so tief in den Laderäumen und unter den Kompressoren angesehen.
Im weiteren Verlauf der Überfahrt wurden alle Arbeiten erledigt, die während der Werftzeit offen geblieben waren. Die Tageswache arbeitete zwölf Stunden. Das Umstellen von der Fernsteuerung im Leitstand zur Vor-Ort-Steuerung, direkt an der Maschine, wurde geübt, bis alle Beteiligten das im Schlaf beherrschten.
Am Ende der Atlantiküberquerung hatte sich vieles eingespielt. Das betraf auch die Zusammenarbeit mit Deck. Der Kapitän war ein Mann, der nicht viele Worte machte, sondern erwartete, dass seine Anordnungen erfüllt wurden. Er regte sich kaum über etwas auf, sondern versuchte stets, mit einem Problem schnell fertig zu werden. Kein Problem hieß, keine Aktivitäten erforderlich. Als Norddeutscher redete er nur, wenn das unbedingt nötig war, und da er sich nur um seinen Kram kümmerte, kamen Kapitän und Chief gut miteinander aus. Anders der Erste Offizier, der sich über die Probleme der Ingenieure immer ein bisschen mokierte und besonders dem Zweiten Ingenieur gegenüber stichelte.
Die Sonne stand schon tief im Westen, als Ambrose Lightship in Sicht kam. Sie waren auf Manöverspeed gegangen, und Flarrow war auf die Brücke gekommen, weil er vor der Lotsenannahme die Brückenautomatik noch einmal testen wollte. Der Alte legte den Maschinentelegrafen auf ‚Voraus Halbe’. Ein Summton ertönte, bis der Computer die neue Fahrstufe quittierte, doch die Propellerdrehzahl änderte sich nicht, und die Maschine lief mit vollen Umdrehungen weiter. Der Telegraf wurde auf „Stop“ gelegt und der Summton vom Generalalarm abgelöst, während die Drehzahl langsam auf Null ging. Die Automatik führte auch den nächsten Befehl ‚Voraus Langsam’ nicht aus, und schließlich löschte der Wachhabende im Leitstand die Sirene und stellte auf „Leitstand“ um. Sie fuhren nun ohne Störungen vom Leitstand aus weiter. Weil die Zeit drängte, denn sie wollten noch vor Dunkelwerden in Brooklyn fest sein, um die Nachtzuschläge für die Festmacher zu sparen, gab es keine Diskussion.
„Wir kümmern uns“, sagte Flarrow und verschwand nach unten, wo im Leitstand natürlich die große Diskussion im Gange war. Flarrow gab bekannt, dass in der nächsten Zeit alle Manöver vom Leitstand oder vom Örtlichen Fahrstand aus gefahren würden. Alle Wachingenieure sollten im Handling mit der Leitstandsteuerung geübt und sicher sein. Der Elektriker bekam Order, sich die Pläne der Brücken-Automatik vorzunehmen, um mögliche Fehlerquellen zu erkennen, die aber trotz intensiver Suche nicht gefunden wurden.
Noch in der Nacht hatten die Wachen alle Inspektionsklappen und den Spülluftkanal geöffnet, und am Morgen stieg Flarrow zusammen mit dem Dritten, der für die Hauptmaschine zuständig war, zur Besichtigung dort ein. Was sie feststellten, war nicht gerade ermutigend. Der Spülluftkanal war völlig verölt, die Schlitze waren jedoch noch ohne bemerkenswerte Koksansätze. Würde es vielleicht doch klappen mit der neuen Schlitzsprühanlage? Der beratende Zweite ließ sich diesbezüglich berichten, packte seinen Koffer und flog am nächsten Tag zurück nach Hause. Er wurde nicht vermisst, und der aktive Zweite machte nun ein weit freundlicheres Gesicht.
Für das Löschen der Autos benötigten die Schauerleute zwei Schichten, und POLARSTERN füllte inzwischen seine Brennstoffbunker auf, weil der Charterer zu Beginn jeder Reise volle Bunker verlangte. Frischwasser wurde ebenfalls auf das maximale Fassungsvermögen von zweihundert Tonnen ergänzt, weil der Frischwassererzeuger trotz der Überholung beim Hersteller in Deutschland nicht mehr als zwölf Tonnen pro Tag produzierte. Ausgelegt war er für sechzehn Tonnen und zwar unter tropischen Bedingungen.
Die Charter begann in New York. POLARSTERN sollte leer nach La Ceiba und Puerto Cortez in Honduras gehen und dort Bananen für Gulfport / Mississippi laden. Mit vollen Bunkern und unbeladen lag das Schiff gut sechs Fuß im Gatt. Der Tiefgang des Schiffes war also achtern sechs Fuß größer als vorn. Flarrow hatte sich das Unterwasserschiff im Dock genau angesehen und fand diesen Trimm nicht optimal, das Heck würde immer dazu neigen sich in der See fest zu saugen. Leider war daran zunächst nichts zu ändern, denn das zusätzliche Fluten von Ballasttanks würde den Trimm zwar verbessern, aber auch den Tiefgang vergrößern und damit das Schiff nicht schneller machen. Der Kapitän kam mit dem Fahrplan, der etwa einundzwanzig Knoten verlangte, die POLARSTERN gut laufen konnte.
Sie hatten erwartet, dass das Schiff an der Westküste zwischen Long Beach / Californien und den Häfen in Ecuador eingesetzt würde. „Die lassen uns erst einmal hier an der Ostküste, um uns zu testen. Die Westküste, für die dieses Schiff gebaut worden ist, kommt bestimmt noch auf uns zu“, sagte der Kapitän.
Sie verließen New York bei herbstlich kühlem Wetter, das sich bis Kap Hatteras nicht änderte. Dort sinken nämlich die südlichen Ausläufer des kalten Labradorstromes in das Tiefenwasser des Nordatlantik ab, und der an der Küste nach Norden laufende Golfstrom sorgt für eine sehr schnelle Erwärmung. Auf POLARSTERN beeilte man sich, die Klimaanlage in Betrieb zu nehmen.
Nach weiteren dreißig Stunden Fahrt kam die festlich beleuchtete Floridaküste in Sicht. Die Stadt Miami machte mit einem fast den gesamten Horizont überdeckenden kalottenförmigen Lichtschein die Nacht zum Tag, und gegen den Golfstrom lief POLARSTERN nur achtzehn Knoten über Grund. Das wurde erst besser, als sie jenseits der Florida Keys und dem starken Feuer des Key West Lighthouse aus dem gegen die Fahrtrichtung laufenden Golfstrom heraus waren und die Nordküste Kubas bis zum Kap San Antonio in Sicht kam.
Die Laderäume waren längst auf Vorkühltemperatur, als der Kurs auf La Ceiba und in den Golf von Honduras hinein abgesetzt wurde.
Schon früh, noch ehe Land in Sicht kam, konnte man es riechen. Der feuchtwarme Dunst des tropischen Dschungels, dem auch immer der Modergeruch verfaulender Pflanzen beigemischt ist, empfing sie noch auf See und begleitete das Schiff zu seinem Liegeplatz, einem etwa fünfhundert Meter in das Meer hinein gebauten, starken Landungssteg, wo es am späten Nachmittag, kurz vor Sonnenuntergang festmachte.
Noch während die Behörden bei der Abfertigung waren, wurden Vorbereitungen zum Laden getroffen, die Vorkühlung abgesetzt, die Seitenpforten geöffnet und Transportbänder bereitgestellt. Alles machte einen sehr professionellen Eindruck. La Ceiba war ein ausgesprochener Bananenhafen. Die Früchte wurden per Eisenbahn von den Plantagen zum Schiff gebracht. Der Landungssteg war so breit, dass vier Gleise Platz fanden, so dass sogar zwei Schiffe gleichzeitig beladen werden konnten.
Kurz nach dem für die Tropen typischen Sonnenuntergang ohne bemerkenswerte Dämmerung, zog eine etwas antiquierte amerikanische Diesellok den ersten Zug auf die Mole, und die Kartons rollten über die Transportgestelle in die Laderäume.
Die Hauptmaschine war inzwischen für die Inspektion vorbereitet worden. Die Spülluftschlitze zeigten deutliche Koksansätze, ganz besonders an den Sprühdüsen, wo eigentlich alles sauber sein sollte. Der Spülluftkanal sah nicht viel besser aus. Flarrow überlegte, ob er bereits jetzt mit dem Ausbau der Düsen beginnen sollte und beschloss dann, doch noch zu warten. Er musste sicher sein, die Reederei wollte Beweise, keine Vermutungen. Aber die Schlitze mussten sauber sein, das war keine Frage. Deshalb begannen die beiden Motorenhelfer sofort mit dieser Arbeit, die sie bis weit nach Mitternacht beschäftigte.
Während der Vorkühlzeit hatte einer der sechzehn Kältekompressoren mehrfach Störungen gehabt. Den hatte sich der Zweite nun vorgenommen. Er fand eine völlig verschmutzte Kurbelwanne, ausgelaufenes Lagermetall und Bruchstücke der Ventilsteuerung. Man hatte also bei vorangegangenen Störungen noch nicht einmal die Bruchstücke entfernt, geschweige denn gereinigt. Und nun sagte der Zweite verbittert: „Deshalb war es also so überflüssig, die Anlage zu testen, solange unser ‚Berater’ an Bord war.“ Darauf war nicht viel zu erwidern, aber die Frage war, wie wohl die anderen Kompressoren aussehen würden. Also, vorsichtshalber Ölwechsel für alle Kompressoren, womit diejenigen, die die Arbeit zu erledigen hatten, den Rest der Nacht vergessen konnten.
Das Laden ging zunächst recht flott, später verzögerte es sich aber aus irgendwelchen Gründen, und so wurde es schon fast Tag als die Luken geschlossen wurden. Dabei waren die Laderäume noch nicht einmal halb voll.
Mit Sonnenaufgang verließen sie La Ceiba. Da sie in Puerto Cortez erst am späten Nachmittag erwartet wurden, gab es keinen Termindruck. In der vergangenen ersten Nacht hatte niemand von der Maschinenbesatzung geschlafen, die meisten, weil sie zu arbeiten hatten, und einige, weil sie während ihrer Freiwache an Land waren. Da sie keine volle Ladung hatten, war es relativ einfach, die Teilladung auf Reisetemperatur herunter zu kühlen. Die Unterräume waren bei der Ankunft in Cortez bereits auf Reisetemperatur. Eigentlich ganz gemütlich, dachte Flarrow, kein Stress mit der Kühlung, aber würde das so weitergehen? Und was ist bei größeren Überholungen?
In Puerto Cortez wurden neben allen möglichen Handelsgütern auch Bananen umgeschlagen. Hier lagen die Schiffe am Kai, und beim Einlaufen passierten sie einen Frachter der HAPAG, der im Westindien-Liniendienst fuhr.
Der „Chief of the Area“ der Standard Fruit kam an Bord und begrüßte sie herzlich: „I’m glad to have you back in our service“. Er wollte mit Kapitän und Chief die Instructions durchsprechen. Es ging um die Behandlung der Ladung, Kühlung, Stauung und Luftwechsel. Für Flarrow war ein großer Abrechnungsbogen wichtig, der alle wichtigen Reisedaten und vor allem den Temperaturverlauf der Ladung während der Reise enthielt. Besonders wichtig war die Zeit, in der die Bananen auf Reisetemperatur gebracht wurden, der so genannten „Reduction“. Sie lag inzwischen bei zehn bis zwölf Stunden! Auf CAP VALIENTE waren sie mit sechsunddreißig Stunden gerade so klar gekommen. POLARSTERN hätte immer gute Qualität gelöscht. Ladungsclaims hätte es nicht gegeben, aber der Speed und die ewigen Ausfälle wären das Problem gewesen, sagte der Standard-Boss. Das war natürlich nichts Neues. Es folgte eine Einladung zum Abendessen an Land. Sie fuhren mit einem Jeep nur ein paar Minuten in ein einfaches Speiserestaurant, welches in einem offenen Holzhaus untergebracht war, das Flarrow an Rarotonga und die Südsee erinnerte, auch hier waren sie vom Dschungel umgeben.
Bei einem Bourbon begann der Standard-Boss zu erzählen. Neunzig Prozent der Plantagen gehörten der Standard, und der Rest wäre unter US-amerikanischer Kontrolle. Das wäre auch gut so, weil ja sonst doch alles verkommen würde. Die Leute hier, überwiegend Mischlinge, würden es allein nicht schaffen. Deshalb wäre es eben ein Segen, dass Amerika helfen würde. Die Leute hier wären freundlich, es gäbe kaum Probleme. Neuerdings würde darüber diskutiert, die Gringos zu entmachten und zu enteignen. Aber das würde sich bestimmt bald wieder legen. Notfalls müsse man eben die Bezahlung der Plantagenarbeiter verbessern. Die Behörden wären allerdings ziemlich korrupt und mit Vorsicht zu genießen. Falls es wirkliche Probleme geben würde, sollte man ihn ansprechen. Übrigens hätten sie hier eine große Werkstatt mit allen möglichen Maschinen für die Reparatur der Eisenbahn. Die gehörte natürlich auch der Standard Fruit. Und dann kamen die Steaks. Dazu gab es Flaschenbier, das gut trinkbar war. Danach entschuldigte sich der Boss, er hätte noch einen wichtigen Termin in San Pedro do Sul. Im Übrigen ginge der Abend auf Rechnung der Standard, bis auf „Womans“, die müssten sie schon selbst bezahlen. Sie sollten sich einen schönen Abend hier machen, denn das Laden würde bestimmt bis morgen früh gegen neun Uhr dauern. Damit stieg er in den Jeep, und dessen Fahrer brauste mit ihm davon.
Ehe sie sich’s versahen, hatten sie zwei junge Mädchen am Tisch, und der Majordomo nickte freundschaftlich. Man war im Einflussbereich der Standard Fruit, also in den besten Händen und konnte sich, ein bisschen lustvoll vielleicht, zurücklehnen. Die Mädchen waren auch gar nicht aufdringlich, sprachen aber nur wenig englisch, ansonsten spanisch, und die Zeit verging. Als Wind aufkam, wurde der Alte unruhig, und als dann der Wind rasch zunahm, sagte er: „Es ist besser, wenn ich zurück an Bord gehe. Man weiß hier nie, was noch kommt, und der Hafen ist ja nicht gut geschützt.“ Das war das Signal zum Aufbruch, auch für Flarrow. Sie bekamen noch eine Visitenkarte vom „Jefe de la Cantina“, und die Mädchen begleiteten sie noch bis zur Straße, wo ein Taxi wartete. Der Wind nahm in der Nacht noch zu, wurde böig, und der Alte ließ noch ein paar Leinen ausbringen, aber bevor die Sonne aufging, schlief der Wind wieder mit einem letzten leisen Seufzer ein.
Alle Leute waren pünktlich von Land zurück, als die Luken geschlossen wurden, und mit Sonnenaufgang liefen sie aus. In achtundvierzig Stunden sollten sie in Gulfport löschbereit sein. Das bedeutete etwas mehr als zwanzig Knoten und war für POLARSTERN leicht zu schaffen.
Zwölf Stunden später war die Ladung auf Reisetemperatur, und die vollautomatische Temperaturregelung arbeitete. Trotzdem lief bei einigen Kompressoren die Leistungsreduzierung nicht korrekt, später schalteten sie völlig ab. Die Kühlluft begann sofort unzulässig zu schwanken, was nicht akzeptiert werden durfte. Deshalb musste mit der Handsteuerung gefahren werden. Flarrow verbrachte zusammen mit dem Zweiten und dem Elektriker die Nacht in den Deckshäusern. Es gab einige defekte Elektronikbausteine, aber eine klare Ursache für das Verhalten der Anlage wurde nicht gefunden. Der Alte, der die Ausdrucke auf der Brücke sehen konnte, maulte. Flarrow versuchte ihm etwas klar zu machen, was ihm selbst nicht ganz klar war. Und nach dem Mittagessen verschwand Flarrow todmüde in der Koje. Der Alte weckte ihn zum Abendessen mit der Nachricht, dass sie bereits um ein Uhr morgens den Lotsen für Gulfport nehmen würden.
Nach einer kurzen Revierfahrt machten sie unter den Elevatoren, mit denen die Kartons gelöscht werden sollten, fest. Gegen fünf Uhr wurde es lebendig: Luken auf, Kühlung ab, Elevatoren stellen, und Punkt sechs Uhr förderten sie die ersten Kartons in die wartenden Trucks oder in die Kühlwaggons der Eisenbahn. Die Behörden kamen an Bord und natürlich der Hafenkapitän, der gleichzeitig der Boss von Standard Fruit in Gulfport war.
Die Hauptmaschine war zur Inspektion vorbereitet, und Flarrow fand die Bestätigung dafür, dass die Düsensprühanlage eher nachteilig war. Die Schlitzverschmutzung war sehr weit fortgeschritten, was sicher mit der Luftfeuchtigkeit hier in den Tropen und Subtropen zusammen hing. Besonders stark war Zylinder vier verschmutzt, dessen Zylinderleistung auf der Reise von Cortez nach Gulfport auffallend niedrig war. Flarrow entschied sich deshalb dafür, die Anlage auszubauen, beginnend mit Zylinder vier.
Sehr schnell zeigte sich, dass man den Ausbau nicht nur vom Spülluftkanal aus vornehmen konnte sondern auch vom Verbrennungsraum aus daran arbeiten musste. Das hieß, den Zylinderdeckel der noch nicht abgekühlten Maschine aufzunehmen. Die Besatzung schonte sich nicht, und als bekannt wurde, dass POLARSTERN noch Papierrollen für die Kartonherstellung in Honduras laden sollte, schafften sie auch noch einen weiteren Zylinder.
Erschöpft saßen alle, bis auf die Seewache, auf dem Bootsdeck, als sie am späten Abend ablegten. Mit dieser Leistung seiner Crew war Flarrow, der selber seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, sehr zufrieden.
Die neue Reiseorder hieß: Gulfport – La Ceiba (Ladung löschen) – Cortez – La Ceiba – New York. Die Reise würde acht Tage dauern. Sie erreichten New York pünktlich um sechs Uhr morgens. Ein weiterer Zylinder wurde fällig, außerdem wurde gebunkert und Frischproviant übernommen. Damit war die gesamte Crew beschäftigt.
Flarrow traf einen alten Bekannten, den Inspektor, der ihn einst zum Zweiten Ingenieur befördert hatte und jetzt bei ROLAND MARINE, einer amerikanischen Firma tätig war, die unter anderem auch als Agentur für die Hamburg-Süd arbeitete, dem Flarrow einen weiteren Ausbau der Düsensprühanlage vorführte.
Als sie gegen achtzehn Uhr ablegten, lag POLARSTERN wiederum reichlich sechs Fuß im Gatt. Der Lotse war von Bord, die Seereise hatte begonnen, und die Hauptmaschine lief mit voller Drehzahl. Flarrow kam gerade aus der Dusche, als der Zweite erschien. Es ging ihm um die Ladekühlanlage. Er hatte eine Schaltung ausgeknobelt, mit der das Schmieröl aus den Verdampfern ausgetrieben werden konnte. Das war eine großartige Idee, die den Zustand der Anlage erheblich verbessern würde. Sie sprachen auch gleich die Einzelheiten durch, weil ein Versuch sobald als möglich gemacht werden sollte. Nachdem alle Details geklärt waren, sagte Flarrow: „Wecken Sie mich morgen früh um vier Uhr, wenn Ihre Wache klar ist.“ Und weil der Zweite stutzte, fuhr er fort: „Wir müssen eine Arbeitsteilung einführen, die langfristig niemand überfordert. Deshalb kümmern Sie sich morgen früh um Ihre Ladekühlanlage und ich mich in der Zwischenzeit um Ihre Wache. Lassen Sie auch den Assistenten der Tageswache wecken, damit er Ihnen assistieren kann. Trinken wir noch ein Bier zusammen? In New York hat alles prima geklappt. Das haben Sie alles fein hingekriegt.“ Da lief der Zweite rot an und sagte gar nichts mehr, bis Flarrow fragte: „Gute Nachrichten von zu Hause?“ Das löste seine Zunge, und er begann zu erzählen. Von seiner Frau und ihrer Schwangerschaft, die offenbar gut verlief. „Wenn ich hier mein Jahr herum habe, ist das Kind schon fast ein halbes Jahr alt. Sie hat mir eine Einkaufsliste geschickt, in New York muss ich unbedingt einkaufen gehen. Sie ist Norwegerin, verstehen Sie, die mögen offenbar amerikanisches noch mehr als die deutschen Frauen.“ - „Das ist genehmigt, Secundo; wir müssen uns sowieso Gedanken machen über den Landgang. Es darf langfristig keiner zu kurz kommen. Wenn wir an die Westküste gehen, wie der Alte meint, wird es nämlich hart.“ - „Die Hafenwachen der Ingenieure übernehme ich, bis auf New York.“ - „Und warum wollen Sie das tun?“ - „Wissen Sie, wenn ich an Land gehe, baue ich doch meist nur Mist. Ich vertrage nicht viel, und außerdem wollen wir sparen, wo es nur geht, denn nach dem C6 will ich nicht mehr fahren müssen.“ - „O. k., das trifft sich gut. New York ist Ihr Hafen. Ich bin einverstanden, wenn Sie das so wollen, und die Dritten werden nicht böse sein, die gehen doch viel lieber in den Ladehäfen an Land, jung und ungebunden, wie sie sind.“
Nachdem der Zweite gegangen war, saß Flarrow noch lange auf dem Ecksofa in seiner großzügigen Kajüte und dachte nach. So war das mit der Seefahrt. Der Zweite, ein sehr guter Mann, der sogar mitdachte, der in der Flotte gebraucht wurde, zählte im Grunde schon die Tage bis zu seinem Ausscheiden, weil er eine Familie bekommen hatte. Er machte seinen Job sicher gern, aber eine Abwesenheit von zwölf oder fünfzehn Monaten von seiner Familie, das war doch für beide Seiten unzumutbar. Würde er eines Tages die Seefahrt vermissen, oder waren Sehnsucht und Liebe stärker? Ich weiß es einfach nicht. Aber warum zum Teufel legen sich die Leute eine Frau oder eine Familie zu, wenn sie zur See fahren? Das passt doch einfach nicht zusammen, seufzte Flarrow, und dann ging er in seine Koje, nicht ohne noch einen kritischen Blick auf den Drehzahlmesser zu werfen, der in die Mahagonitäfelung neben seinem Schreibtisch eingelassen war, und dessen Zeiger um einhundertsiebenunddreißig Umdrehungen pendelte.
In La Ceiba kamen sie gegen Mitternacht an, und weil sie nur fünf Stunden liegen sollten, konnten bis auf die Hafenwache alle an Land.
Sie liefen pünktlich aus und erreichten nach dreißig Stunden die Reede von Puerto Limon / Costa Rica, wo POLARSTERN ankern musste, weil der Pier von einem deutschen Stückgutfrachter besetzt war. Obwohl die Maschine klar bleiben sollte, begannen sie mit der Reinigung des Spülluftkanals und der Spülluftschlitze. Außerdem fiel ein Kältekompressor mit einem gebrochenen Steuerventil aus, so dass die ganze Crew beschäftigt war. Und damit auch der Elektriker etwas zu tun hatte, gab es noch ein paar andere Störungen in der Elektronik. Der Elektriker wechselte also fleißig elektronische Bausteine der Anlage.
Um Mitternacht gingen sie dann endlich an den Pier und alles, was Beine und keine Wache hatte, entfloh dem Schiff an Land. Landgang bis zum Wecken! Und das in Costa Rica, wovon sie alle so viel gehört hatten. Flarrow kam bis zum Friseur. Mehrere Herren dieses Berufsstandes hatten ihre kleinen zur Straße offenen Läden ganz in der Nähe des Piers. Haare schneiden und rasieren war angesagt. Die Leute waren freundlich, und ihr Spanisch war sehr gut zu verstehen. Freilich, zu einem Drink langte es nicht mehr. Das Typhon der POLARSTERN rief ihn an Bord. Es hatte beim Ansetzen von Kühlsystemen einen Blackout gegeben. Das war eigentlich nicht weiter schlimm und kam schon mal vor, besonders wenn die Crew noch nicht so eingespielt war. Nur, es gelang danach nicht mehr, den dritten und vierten Diesel auf das Bordnetz zu schalten. Deshalb stand nun die gesamte Ladekühlanlage einschließlich der Laderaumlüfter. Die Rettung nahte in Form des Elektrikers, der die richtigen Knöpfe fand und einige Sicherungen wechselte. Danach lief alles wieder, das Laden war nicht unterbrochen worden. Es gab also keinen Zeitverlust. Der Kapitän war natürlich auch wach und wollte wissen, was los war. Flarrow erklärte es ihm, und der Alte sagte dazu kein Wort.
Kurz vor Sonnenaufgang wurden Seitenpforten und Luken geschlossen. Mit einer vollen Ladung mussten sie noch eine gute halbe Stunde auf den Lotsen warten, der sie dann in zwanzig Minuten bis zur Ansteuerungstonne brachte. Der Alte rief Flarrow auf die Brücke. Es würde knapp werden mit der planmäßigen Ankunft in New York, sie müssten mindestens 21,5 Knoten laufen! Mindestens! Flarrow nickte nur und verkündete im Leitstand die Lage.
Normalerweise wurden die Hauptmaschinen mit einer vorgegebenen Füllung nach der Höhe der Abgastemperaturen gefahren. Je nach Beladung Wind und Seegang waren dann die Maschinenumdrehungen etwas größer oder kleiner. Das sollte nun anders werden: „Wir drehen grundsätzlich einhundertsiebenunddreißig Umdrehungen. Die Drehzahl wird ja alle Stunde gecheckt. Eingelegt wird ab einhundertachtunddreißig Umdrehungen, und ausgelegt wird, wenn wir weniger als einhundertsiebenunddreißig drehen und die Abgastemperaturen das vertragen. Vergessen Sie nicht, die Änderung der Füllung im Maschinentagebuch zu dokumentieren. Alles klar?“ Die Leute im Leitstand sahen sich an. Die Wachingenieure sollten selbständig die Füllung ändern? Das war doch bisher immer die Domäne des Chiefs gewesen, und wehe, wer da ohne Anweisung am Handrad drehte; und jetzt verlangte dieser Chief genau das Gegenteil! Beim Frühstück fragte Flarrow den Zweiten: „Was drehen wir?“ - „Einhundertachtunddreißig“, war die lakonische Antwort.
Auch der Kapitän tat alles, diesen Wettlauf gegen die Uhr zu gewinnen. Er studierte den Stromatlas genau, um den mitlaufenden Golfstrom möglichst effizient zu nutzen. Der Erste Offizier fragte, warum es so lange dauern würde, bis die Hauptmaschine beim Auslaufen auf voller Drehzahl laufen würde, da wäre doch Zeit zu sparen. Flarrow erzählte ihm etwas von thermischer Belastung und so. Im Grunde hatte der Erste Recht, denn sie fuhren die Maschine mehr oder weniger nach Gefühl, weil die Abgastemperaturen der Hauptmaschine im Leitstand keine Analoganzeige hatten. Dabei waren sie sehr vorsichtig, um die Maschine nicht zu überlasten.
Im mitlaufenden Golfstrom erreichten sie zeitweise Geschwindigkeiten von über vierundzwanzig Knoten über Grund, was wesentlich dazu beitrug, dass sie bereits morgens um zwei Uhr die Verrazano Narrow Bridge passierten und in der Upper Bay von New York vor Anker gingen.
Um sechs Uhr begann das Löschen, nachdem sie an einem Pier des East River in Höhe Wall Street verholt hatten. Der Lotse war für achtzehn Uhr bestellt. In zwölf Stunden würden sie also wieder auslaufen.
In der Maschinencrew hatte sich so etwas wie Sportsgeist entwickelt. Der Zweite hatte zwei Gruppen gebildet, die jeweils an einem Zylinder die Düsensprühanlage auszubauen hatten, und nun begann ein Wettlauf zwischen beiden. Die Dritten mussten aufpassen, dass die Arbeit korrekt erledigt wurde und die Qualität der Arbeit nicht dem Willen zum Sieg geopfert wurde.
Hoher Besuch kam unangemeldet an Bord. Der Präsident der Standard Fruit erschien mit seinem Adjutanten. Nun lernte Flarrow das amerikanische Management kennen. Hier gab es kein Herumschwänzeln um den Boss, der sich sehr gelassen gab und sofort zur Tagesordnung überging. Man hätte das Schiff während der letzten Reisen genau gecheckt und festgestellt, dass es langsamer wäre als früher, warum? Flarrow stellte sofort klar, dass sie bis jetzt immer pünktlich angekommen wären, und das wäre doch das Wichtigste. Ob sie sich das auch für die Westküste vorstellen könnten, fragte Mister President weiter, worauf der Kapitän einen Vortrag hielt, der zeigte, dass er sich die Route Long Beach / California – Puerto Bolivar / Ecuador schon einmal auf der Seekarte angesehen und durchgerechnet hätte. Sie würden es schaffen, auch wenn die Zeitreserve von maximal acht Stunden für eine Reisedauer von sechseinhalb Tagen nicht besonders groß wäre. Aber auf Grund der bekannten Wetterverhältnisse könnte man damit leben. Die Standartleute hatten dem Kapitän aufmerksam zugehört. Der Präsident sagte nur noch: „Ihr geht an die Westküste, Ladehafen wird überwiegend Bolivar sein.“ Und der Adjutant fügte hinzu: „Dieses Mal in Cristobal bunkern, dort ist der Brennstoff billig.“ Damit war die Besprechung eigentlich beendet. Doch Flarrow fragte, ob seitens der Standard mit der Möglichkeit gerechnet würde, von einem Ladehafen aus nach Japan zu fahren, und falls das nicht so wäre, warum dann ab Löschhafen immer volle Bunker verlangt würden.
„Wir könnten doch eine Menge Brennstoff und damit Geld für die Standard sparen, wenn man nicht mit vollen Bunkern fahren müsste. Da wurden alle stutzig, und der Präsident sagte: „Bunkern nur in den Löschhäfen New York, Gulfport und Long Beach oder in Cristobal am Panamakanal. Sie müssen immer so viel Brennstoff an Bord haben, dass Sie von einem Ladehafen aus den entferntesten Löschhafen erreichen können. Aber warum fragen Sie das?“ - „Mit vollen Bunkern haben wir einen Aktionsradius von über vierzig Tagen, der längste mögliche Törn hier dauert aber einschließlich der erforderlichen Reserve nur vierzehn Tage. Das bedeutet, dass wir für gut zwanzig Tage Brennstoff durch die Gegend fahren, der gar nicht gekauft werden müsste.“ Sie bekamen die Genehmigung, ihren Bunkerbedarf selbst zu bestimmen. Nur der Kapitän war nervös geworden und sagte später: „Warum machen Sie so etwas? Wir haben doch mit den Brennstoffkosten gar nichts am Hut! Wenn dabei irgendwas schief läuft, haben die Sie doch am Wickel, gar nicht zu reden von denen in Hamburg.“ Flarrow lächelte nur und klärte den Kapitän darüber auf, dass sie zukünftig rund sechshundert Tonnen Schweröl weniger an Bord haben würden. „Jede Tonne Brennstoff, die wir durchs Wasser schieben, benötigt eineinhalb PS. Das bedeutet eine Ersparnis von rund eintausend PS!“ „Na, das ist ganz allein Ihre Verantwortung, mir soll das egal sein. Hauptsache, wir bleiben nicht auf See liegen, weil der Sprit alle ist.“ Natürlich war solches Verhalten eines Chiefs ungewöhnlich. Im Allgemeinen gab man sich mit dem Chartervertrag zufrieden. Aber ging es hier nicht um etwas mehr? War es also vernünftig, so zu handeln, wie es Flarrow getan hatte? Es war zumindest ungewöhnlich, doch es würde helfen, im Fahrplan zu bleiben.
Während der Reise von New York zum Panamakanal teilte der Funker mit, dass POLARLICHT in New York eingetroffen sei und nun wieder in die Standard-Charter gehen würde.
In Cristobal gingen sie an einen Bunkerplatz, der Flarrow bekannt war. Dort hatten sie mit der VALIENTE 1965 gebunkert, als sie von Konstanza im Schwarzen Meer kommend auf dem Weg nach Guayaquil / Ecuador waren, um Bananen für Japan zu laden.
Kaum war das Bunkern beendet, kam der Kanallotse an Bord, keine Wartezeit auf Reede also, denn man war ja in Charter einer amerikanischen Firma. Im Panamakanal übernimmt der Lotse das Kommando über das Schiff und handelt verantwortlich. Er zitierte Flarrow auf die Kommandobrücke und verlangte, dass die Maschine von Hand gefahren würde. Dieses Schiff wäre bekannt, dass die Automatik nicht gut funktionieren würde, und er wollte keine Probleme. Während der Liegezeit am Bunkerpier war Post an Bord gekommen. In einem allgemein gehaltenen Schreiben wurde der Einkauf der Leitenden Ingenieure ohne Genehmigung der Reederei auf einhundertfünfzig Dollar pro Monat beschränkt. Flarrow betrachtete das als Affront und Abwertung seiner Person. Er war beleidigt, weil man ihm offenbar nicht traute, wollte ihn zum Erfüllungsgehilfen machen. Berichte schreiben, Daten liefern, damit die Herren im dreizehnten Stock etwas zu entscheiden hatten! Und dass auch noch ausgerechnet der Technische Direktor mit unterschrieben hatte, gerade der Mann, der ihm so viel erzählt hatte von vertrauensvoller Zusammenarbeit, das setzte dem Ganzen die Krone auf. Mit einem Wort, er war nicht nur stinksauer, sondern auch persönlich betroffen. Und nun kam dieser Lotse daher und hatte Schlimmes gehört! „Der soll mich doch, dem werden wir mal zeigen was anliegt!“ Im Leitstand verkündete er: „Heute einmal Schaltung Brücke.“
Sie hatten anlässlich des Auslaufens aus New York die Automatik geprüft, nachdem sie ‚auf Verdacht’ einen Chip gewechselt hatten. Nun hatte sie fehlerfrei funktioniert. Ablegen von dem Bunkerpier ging sehr gut. Dann kam die Kanalcrew an Bord, die für die Leinen der E-Loks, die das Schiff durch die dreistufige Gatun-Schleuse schleppen sollten, zuständig war. Die Maschine von POLARSTERN würde nur zur Unterstützung der E-Loks beim Abstoppen und Anziehen in den Schleusenkammern benötigt. Früher hatten sie deshalb die Kanalfahrt immer dazu benutzt, die Assistenten zu schulen. Nun, heute würde das die Fahrautomatik der AEG machen, so änderten sich halt die Zeiten.
Einlaufen in die erste Schleusenkammer. Die Maschine war gestoppt und die Leinen von den E-Loks übernommen. Der Lotse in der Brückennock gerade im Begriff, das Kommando „Rückwärts langsam“ zu geben, als der Maschinentelegraf im Leitstand von ‚Stop’ auf ‚Voll Voraus’ ging und die Maschine ansprang. Der Zweite, der am Fahrpult stand und die Automatik überwachte, überlegte nicht lange, schaltete den Fahrschalter auf Leitstand, stoppte die Maschine, steuerte sie um, und dann kam ’Rückwärts Halbe’ – ‚Stop’. Dann klingelte das Telefon, und der Elektriker wiederholte: „Chief sofort auf die Brücke, verstanden.“
Nun saß Flarrow in der selbst eingerührten Tinte. Auf der Brücke tobte der Lotse, und der Erste lächelte spöttisch. Der Alte hatte sich ins Kartenhaus zurückgezogen, und der Matrose am Ruder betrachtete interessiert die Szene. Während der Lotse damit drohte, das Schiff im Gatunsee liegen zu lassen, zeigte Flarrow ihm, dass die Steuerung auf ‚Leitstand’ geschaltet war. Und dann war die Schleusenkammer gefüllt, die Tore öffneten sich, und der Lotse wurde abgelenkt. Flarrow nutzte diese Situation und verzog sich schleunigst, nun erkennend, dass er trotzig wie ein Kind gehandelt, und dabei gegen seine eigenen Prinzipien hinsichtlich der Betriebssicherheit verstoßen hatte. Das war ihm natürlich besonders unangenehm. Die Fehlerursache wurde wiederum nicht gefunden, was erhebliche Unsicherheit in Bezug auf die Fahrautomatik erzeugte. Und daran hatte er Schuld.
Acht Stunden später waren sie im Pazifischen oder Stillen Ozean und liefen auf den Äquator und Puerto Bolivar zu. Dort würden sie in einer Bucht vor Anker liegen und so wie in Guayaquil mit Lanchas über die Seitenpforten laden.
Bis auf ein Kühlsystem hatte die Idee des Zweiten sehr gut funktioniert. Erstaunlich wie viel Öl aus den Verdampfern ausgetrieben und den Systemen entnommen worden war. Ein System hatte jedoch scheinbar kein Öl im Verdampfer, obwohl seine Kühlleistung sehr mäßig war. Dieses System würde auf der nächsten Ballastreise näher untersucht werden müssen.
Die Vorkühlung lief, und an Bord waren die tollsten Geschichten über die liebebedürftigen Mädchen von Puerto Bolivar im Umlauf. Leider würde es für die Maschinencrew keinen Landgang geben, die Düsensprühanlage und die verkokten Spülluftschlitze würden das verhindern. In Bolivar wurden die Schiffe in sechs bis acht Stunden beladen, da hieß es sich ranhalten. Kaum, dass sie vor Anker lagen, gingen sie mit „all hands“ daran, weitere zwei Zylinder der Hauptmaschine in ihren Urzustand zurückzuversetzen und die Spülluftschlitze und den Spülluftkanal zu reinigen. Die Zeit dafür war knapp bemessen, weshalb es keine Verschnaufpausen gab und der Kontakt mit dem Land nicht über ein paar sehnsüchtige Blicke hinausging. Die Matrosen wurden beneidet, weil sie, wenn auch nur für Stunden, an Land gehen durften.
Es wurde Nachmittag. Ein Kühlsystem nach dem anderen ging in Betrieb, die vier Diesel liefen auf Volllast und der Bedarf an elektrischer Leistung näherte sich einem Maximum, die entsprechenden Instrumente alle auf dem berühmten roten Strich. Die unwichtigen Verbraucher, wie die Klimaanlage oder der große E-Herd in der Kombüse, waren abgeschaltet, um einen Black-Out zu vermeiden. Für das Abendessen war deshalb Kaltschale angesagt.
Flarrow fluchte vor sich hin. Es war doch immer das gleiche. Sie hatten vier Hilfsdiesel für die Stromerzeugung. Drei davon waren Sechszylindermotoren mit Abgasturboaufladung, die zugehörigen Generatoren (Konstantspannungs-Generatoren) leisteten je 500 kVA / 600 PS, der vierte Motor war nur eine Fünfzylindermaschine ohne Aufladung mit einer Generatorleistung von lediglich 230 kVA / 275 PS. Wegen dieser knappen Auslegung lief die Stromerzeugung am Limit. Genau so knapp war die Hauptmaschinenleistung konzipiert, mit dem Ergebnis, dass die Maschine nicht im wirtschaftlichen Bereich, sondern immer an der Leistungsgrenze, und manchmal vielleicht auch darüber, betrieben werden musste. Und die Werft, die das mit zu verantworten hatte, träumte davon, dass diese Anlagen zukünftig sogar von nur einem Mann von der Brücke aus gefahren werden könnte. Im Nachsatz eines Prospektes war zu lesen: „Daneben müsste natürlich eine kleine, gut ausgebildete Wartungsgruppe an Bord sein, die hin und wieder kleinere Instandsetzungen durchführen kann.“ Das klang nach dem bekannten Thema „Versiegelter Maschinenraum“ der Neubauabteilung. Außerdem, so schien es, lasen Kaufleute offensichtlich nicht die Nebensätze des Werftangebotes, weil sich dadurch Geld sparen ließ.
Während sich ein paar total verschwitzte, ausgepumpte Gestalten auf dem Bootsdeck versammelten, wo ein Steward auf Anweisung des Chiefs Bier kalt gestellt hatte, schrieb ein Assistent im Leitstand in das Manöverbuch: „15:30 Uhr, Maschine Achtung!“
Von der Brücke kam später: „16:12 Uhr Anfang der Seereise.“ Flarrow fuhr die Maschine durch den kritischen Drehzahlbereich und dann langsam weiter bis auf Nenndrehzahl. Mit den erlaubten 137 Umdrehungen lief Polarstern gerade 21,5 Knoten. Mit dieser Geschwindigkeit hatten sie eine Zeitreserve von acht Stunden bis Long Beach. In sechs Tagen und fünf Stunden mussten sie spätestens in Long Beach einlaufen, wenn sie die Zeitreserve nicht angreifen wollten. Die würden sie noch benötigen, wenn im Laufe der nächsten Monate der Schiffsrumpf Bewuchs ansetzen und das Schiff dadurch langsamer würde. Und wenn das Wetter nicht mitspielte? - Flarrow hörte auf, darüber nachzudenken. Man würde sehen, sagte er sich.
„Die haben uns wahrhaftig in knapp sieben Stunden voll geknallt, kaum zu fassen“, sagte der Zweite, der aus den Deckshäusern kam. „Die Bananen haben 86° Fahrenheit. Hoffentlich schaffen wir die Reduction.“ - „Wir werden dass ja bald erfahren“, antwortete Flarrow.
Um die Reduction sicher zu erreichen, mussten sie möglichst schnell von der Küste weg in das tiefe und kalte Wasser des schwach mitlaufenden Humboldt-Stroms kommen, das die Kühlleistung der ‚Bananenjäger’ immer ganz entscheidend verbesserte.
Als Flarrow etwa eine Stunde nach der Lotsenabgabe aus der Maschine kam, fand er auf dem Bootsdeck nur noch den Motorenhelfer Emil, der auf einer Bank fest schlief. Einige leere Bierflaschen, die herum standen, zeigten, dass die Leute kaum etwas getrunken hatten, gar nicht, wie es sonst ihre Art war, wenn es Freibier gab. Das zeigte, wie erschöpft sie sein mussten und stimmte nachdenklich. Sie waren jetzt gut sechs Wochen unterwegs. Abgesehen von ein paar Stunden Landgang hatte es keine Pause gegeben. Die Seewachen waren nahezu ständig durchgegangen, hatten neben ihrem Job noch mitgearbeitet, und die Tageswachen hatten bis jetzt kein Wochenende gesehen. Ihr Arbeitstag war im Durchschnitt zehn Stunden lang und das unter tropischen Verhältnissen! Flarrow stieß den Motorenhelfer an: „Los Emil, geh’ duschen und dann ab in die Koje.“ Wortlos schlich Emil davon.
Als um zwanzig Uhr die Wache wechselte und der abgelöste Zweite sich auf den Weg in die Deckshäuser machen wollte, schickte Flarrow ihn in die Koje. „Sie müssen morgen früh ausgeschlafen sein. Um die Temperaturen kümmere ich mich solange. Die Leute lassen wir besser auch ausschlafen, lassen Sie die erst zum Frühstück wecken. Es liegt ja morgen doch nicht viel an, da genügt es doch, wenn die Tageswache erst um acht, statt um sechs Uhr anfängt.“ Der erschöpfte Zweite nickte nur, wünschte ‚Gute Wache’ und verließ den Leitstand. Flarrow startete nun die IBM-Schreibmaschine, um sich die Lufttemperaturen in den Laderäumen ausdrucken zu lassen. Was er da erfuhr, war beruhigend, die Kühlung marschierte also. Nun noch eine Runde durch die Deckshäuser und dann unter die Dusche, dachte er. Da begann die zweite Schreibmaschine, die normalerweise die Betriebswerte des Maschinenbetriebs schrieb, völlig unprogrammiert zu drucken. Statt Zahlen schrieb sie Buchstaben und Satzzeichen. Der Elektriker wurde gerufen, auch er stand vor einem Rätsel, das der Funker am nächsten Tag löste, als die Datazentanlage längst wieder fehlerfrei lief. Als der nämlich von der mysteriösen Geschichte erfuhr, verwies er sofort auf die Teilklimatisierung, die die Datazentanlage hatte; die Bausteine wären nicht besonders wärmefest und könnten dann anfangen zu spinnen, wenn die Luftkühlung nicht ausreichend wäre. Und die Klimaanlage konnte ja zu diesem Zeitpunkt nicht laufen, weil die dafür erforderliche elektrische Leistung für die Ladekühlanlage benötigt wurde.
Die Reduction wurde erreicht, aber die Regelung der Lufttemperaturen machte Schwierigkeiten. Es kam zu häufigen Störungen an den Kompressoren, die den Kühlbetrieb natürlich beeinträchtigten.
Die Reisegeschwindigkeit war gut, Etmale von 510 bis 529 Seemeilen ließen hoffen. Anders sah es dagegen mit der Hauptmaschinenleistung aus. Die vom Hersteller angegebene ‚Normalleistung’ von 10.800 PSe wurde schon mit leerem Schiff erreicht. Beladen war die Leistungsaufnahme natürlich höher, und die Leistung würde noch zunehmen, wenn im Laufe der Zeit das Unterwasserschiff bewachsen würde. Jetzt war auch klar, warum man in Hamburg Risse in den Zylinderdeckeln gefunden hatte. Sie stellten das kritische Bauteil dar, welches bei Überlastung besonders anfällig war. Aber eine Drehzahlreduzierung konnte man sich nicht leisten, wenn der Fahrplan nicht gefährdet werden sollte.
Die Störungen in der Ladekühlanlage nervten, das betraf sowohl den mechanischen als auch den elektronischen Teil der Regelung. Ersatzteile wurden deshalb per Funkspruch angefordert und rechtzeitig per Luftpost nach Long Beach geschickt.
Trotzdem lief es einigermaßen, von den Störungen in der Ladekühlanlage und einem Brennstoffventilwechsel, der zwar nur eine Stoppzeit von zehn Minuten beanspruchte, aber im Etmal fünfundzwanzig Meilen ausmachte, abgesehen. Die Besatzung wurde generell routinierter, war in der Lage auf unvorhergesehene Ereignisse professionell zu reagieren. Die Zusammenarbeit zwischen Bootsmann und Storekeeper hatte sich gut entwickelt, und damit war auch eine gute Zusammenarbeit zwischen Deck und Maschine gegeben.
Bis zur nächsten Werftzeit hatten sie noch vierzehn Reisen Long Beach - Bolivar vor sich, es würde sehr eintönig werden. Einer sagte: „Es ist hier wie bei der Straßenbahn, hin und her, immer das gleiche, nur mit der Ablösung sieht es hier anders aus.“ Dieses Wort löste Sehnsüchte aus, „Ablösung“ - wie lange würde das noch dauern, wie viel Mal Bolivar würde das bedeuten? - Das waren gefährliche Gedanken, denen der Kapitän mit der Einführung eines bunten Abends am Samstag begegnete. Hierzu wurde sogar manchmal der Salon als Bar benutzt.
An einem Montagmorgen kurz nach Mitternacht, hatten sie es wieder einmal geschafft, jedoch betrug ihre Zeitreserve nur noch fünf Stunden.
Die Arbeit an der Hauptmaschine begann sofort, und das bedeutete das Ende der Düsensprühanlage für alle Zeiten. Die Schlitze sahen schlimm aus, und weil sie auf See wegen zweier Brennstoffventile hatten stoppen müssen, wurden nun routinemäßig alle Ventile gewechselt. Die Standardleute waren typische „Westcoaster“, freundlich, hilfsbereit und voller Humor. Sie waren erstaunt, weil POLARSTERN keinen Bunker geordert hatte, gaben sich aber mit der Erklärung Flarrows zufrieden.
Mister Gerry Felch, der autorisierte Vertreter von GAMLEN, kam an Bord und notierte sich den Bedarf an Brennstoffadditiven und anderen Chemikalien, die noch vor dem Auslaufen geliefert werden mussten. Von Esso New York kam eine kommentarlose Analyse der Verkokungsrückstände der Hauptmaschine, die Flarrows Vermutung bestätigte, dass die Zylinderschmierung zu reichlich eingestellt war.
Gegen achtzehn Uhr war alles erledigt und POLARSTERN ging wieder auf die „Rennstrecke“.
Am Tag nach Long Beach wurde zunächst das problematische Kühlsystem Stück für Stück aufgenommen. Man fand am Verdampfereintritt einen Holzpfropfen, der bei der Montage während der Bauzeit 1964 nicht entfernt worden war. Das gab schon Rätsel auf. Es hätte doch bereits im ersten Betriebsjahr auffallen müssen, dass die Kühlung in diesem System mangelhaft war.
Flarrow ging schon länger mit dem Gedanken um, die Zylinderschmierung zu reduzieren, um so die Schlitzverkokung zu verringern. Er glaubte nämlich, dass das hitzefeste Zylinderschmieröl als Bindemittel der Verbrennungsrückstände wirkte und damit die Schlitzverkokung förderte. Derzeit war die Schmierölmenge genau nach Vorschrift von MAN dosiert, und sie zu reduzieren, war ein ziemliches Risiko. Trotzdem tat er es. Der Hauptmaschinendritte fragte natürlich nach dem ‚Warum’ und Flarrow erklärte: „Wir haben einen Aufladegrad von rund 50% bei 10.800 PSe. Eine nicht aufgeladene Maschine gleichen Typs hat bei gleicher Drehzahl etwa 6.500 PSe. Zylinderschmierung hat den Zweck, die Schmierung zwischen Kolben und Laufbuchse sicher zu stellen. Die zu schmierenden Flächen sind völlig gleich, die Schmiermenge bezieht sich aber auf die Leistung, so dass wir entsprechend unserer Maschinenleistung für 4.000 PSe zu viel schmieren.“ - „Aber im Betriebshandbuch steht für unseren Typ: 0,7 g/PSeh.“
„Das habe ich bei der nicht aufgeladenen Vergleichsmaschine auf der CAP VALIENTE auch gelesen. Dort hatten wir allerdings auch mit Schlitzverschmutzung zu tun, was aber an den Druckverhältnissen im Spülluftkanal lag.“ - „Und sollten wir nicht darüber mit MAN reden?“ - „Die haben uns doch die Düsensprühanlage eingebaut. Ich habe mit dem Chefkonstrukteur darüber gesprochen, ob das denn ein erprobtes System sei. Er verneinte und meinte, dass wir die Dinger ja wieder ausbauen könnten, falls es Probleme geben würde. Glauben Sie, dass MAN über einen solchen Vorschlag auch nur nachdenken würde? Wo diese Herren doch immer behaupten, dass in Augsburg auf dem Prüfstand Spülluftschlitzverkokung unbekannt wäre.“
Die Schlitzverkokung nahm nach der Reduzierung der Schmierölmenge bereits bei einer Reduzierung von dreißig Prozent stark ab. Sie würde auch nie ganz verschwinden, aber der Arbeitsaufwand wurde dadurch so deutlich verringert, dass er eine spürbare Entlastung darstellte. Die befürchtete Zunahme des Laufbuchsenverschleißes blieb aus.
An einem Freitag, drei Tage vor Bolivar, wurde mit der Vorkühlung der Laderäume begonnen, und am Sonntag musste zum ersten Mal seit Hamburg nicht gearbeitet werden. Flarrow hatte die technischen Offiziere, mit Ausnahme des Wachhabenden, für neun Uhr zum „Kirchgang“ geladen. Sein Kühlschrank war gut gefüllt, auch das Eisfach. Der Hilfsmaschinendritte, der die Null-Vier-Wache hatte, war noch leicht verschlafen, aber alle hatten sie sich sonntäglich gekleidet und auf den weißen Tropenhemden prangten Achselklappen, die ihren Dienstgrad zeigten. Ein Staatsanblick, dachte zumindest ein stolzer Flarrow und erzählte von der BERLIN, wo auch jeden Sonntag für die Ingenieure „Kirche“ gewesen wäre. Die wäre weder katholisch noch evangelisch gewesen, sondern eine, wo die Gesangbücher Henkel gehabt hätten! Das sollte nun nach Möglichkeit auf POLARSTERN auch so werden. Und dann kam er zur Sache. Er würde gern jeden Sonntag diese Sitzung abhalten. Da könnte man dann in aller Ruhe die Dinge besprechen, die ihnen auf der Seele liegen würden und die einer Klärung im engeren Kreis, also nicht vor der Mannschaft, bedurften. Hier, in diesen vier Wänden, sollte jeder frei sprechen können und sagen, was ihm nicht passte. Da waren sie überrascht. Flarrow kam zum nächsten Punkt, die Arbeiten im Hafen betreffend. Zukünftig sollten die Arbeiten bereits vor der Ankunft verteilt werden. Jeder der hier Anwesenden würde einen bestimmten Arbeitsumfang zugeteilt bekommen, der wiederum in einzelne Arbeitsgänge unterteilt war, die bestimmten Leuten zugeordnet waren. Das Ganze sollte vorher abgesprochen sein, so dass sofort nach Ankunft mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Sobald das geplante Pensum abgearbeitet war, konnte jeder, der seine Arbeit erledigt hatte, an Land gehen, ohne sich noch extra abzumelden. Auf diese Weise sollte die spärliche Freizeit möglichst optimal genutzt und soweit wie möglich erweitert werden. Nun wurden sie lebendig, diskutierten aufgeregt und fanden den Vorschlag schließlich gut.
Der Zweite kam auf die Stimmung an Bord und beim Maschinenpersonal zu sprechen. Die Leute wären ziemlich sauer, wegen der „ewigen Maloche“ im Hafen, sollte man nicht einmal mit der Arbeit aussetzen? Flarrow war nicht dagegen, wollte aber keine falschen Hoffnungen wecken: „Wenn die Umstände es erlauben, nichts dagegen. Wir sind alle ziemlich geschafft, aber zuerst kommt der Betrieb. Wir dürfen mit dieser Besatzungsstärke nichts schleifen lassen, sonst verlieren wir sehr bald die Kontrolle über die Anlage.“
Da POLARSTERN keine vollen Bunker hatte und demzufolge optimal im Wasser lag, wurde es eine schnelle Reise. Um nicht in der Nacht anzukommen, konnten sie am letzten Tag sogar die Drehzahl reduzieren. Bei Sonnenaufgang fiel der Anker vor Bolivar. Der Lotse hatte eine gute Nachricht für das Schiff. Der bisherige Ladetag Montag, war auf Dienstag verschoben worden. Das bedeutete, dass sie vierundzwanzig Stunden liegen bleiben, und erst morgen früh mit dem Laden beginnen würden. Endlich eine Bauernnacht! Endlich eine Pause! Das kam sehr gelegen und war ein Antrieb für die Leute, die nach dieser Nachricht alle gewaltigen Vorschuss aufnahmen. Die Arbeiten in der Maschine liefen nun erstmalig nach dem besprochenen Schema ab, das sich sofort bewährte. Flarrow ging gegen neun Uhr an Land. Dafür gab es eine Motorbarkasse, die die vierhundert Meter bis zum Kai in wenigen Minuten schaffte.
Viele Leute standen am Anleger herum, belästigten ihn aber nicht. Der Lotse grüßte ihn freundlich, ehe er in seinem Jeep davon fuhr.
Puerto Bolivar war damals ein armseliger Flecken, welcher teilweise aus hölzernen Pfahlbauten bestand, aber auch auf festem Grund gebaute steinerne, meist einstöckige und ein paar zweistöckige Häuser besaß. Die Besiedlung war ungegliedert und deshalb unübersichtlich. Sie zog sich, teilweise innerhalb des Dschungels, teilweise an der Küste der riesigen Bai im Mündungsgebiet des Rio Guayas hin. In Bolivar gab es keine Behörden und keinen Bürgermeister. Das alles gab es im Nachbarort Marsala, dessen Verwaltung für Bolivar zuständig war. Es war eben nur eine Verladestation. Die Leute hatten sich hier angesiedelt, weil es da Arbeit gab.
Hier kamen die Bananen kartoniert in Lkw oder in Lanchas an. Von den Lkw mussten sie in Boote umgeladen werden, die dann an den Schiffen längsseits gingen und von den Bananeros über die Seitenpforten in das Schiff getragen und gestaut wurden.
Da gerade Ebbe war, standen die Pfahlbauten auf dem Trockenen und vom feuchten, leicht schlammigen Grund ging ein ziemlicher Gestank aus, denn die Bewohner entsorgten alles in das Wasser, über dem sie lebten.
Flarrow ging auf ein größeres, etwas verfallenes Gebäude zu, das nach einem Restaurant aussah. CHARLOTTA war über dem Eingang gemalt und darunter in etwas kleineren Lettern ‚Bar y Restaurante’. Als er dort eintrat, wurde er in westindischem Englisch von einem Farbigen begrüßt, der auf Barbados zu Hause war. Hier spielte er den Majordomo und wohl auch den Liebhaber von Charlotta, einer schon etwas mittelalterlichen Mama, die jetzt hinter einem Vorhang hervor kam, leicht betrunken war und ihn fragend ansah. Flarrow bestellte Cuba Libre, und der Majordomo, Mister Rodger Watson, beeilte sich, den Drink zuzubereiten.
Inzwischen tauchten aus allen Ecken Mädchen auf, die sich um ihn scharten und schnatterten. Charlotta lobte ihren Laden auf Spanisch. Es sei der beste hier im Ort, und die Marineros seien sehr willkommen. Deshalb wären auch so viele Mädchen hier. Rodger ergänzte dazu, da ‚POLARRESTENG’ ja über Nacht liegen bleiben würde, gäbe es natürlich ‚Grande Fiesta tonight’. Wann denn die Crew an Land kommen würde? Und Charlotta murmelte etwas von ihrem Stammlokal in Marsala, wo alles noch viel besser wäre. Diesen Tipp hatte ihm auch schon der Lotse gegeben. Es gab noch weitere drei Kneipen, zwei davon als Pfahlbauten, ziemlich verfallen, die Flarrow aber nicht besuchte. Toll war das Leben hier nicht, aber immerhin, es gab Getränke und Mädchen, die alle einen recht sauberen Eindruck machten. Das war gut für die notwendige Entspannung der Leute.
In dieser Fahrt würden sie zweimal im Monat hier liegen. Bei Sonnenaufgang ankommen und noch möglichst lange vor Sonnenuntergang wieder auslaufen. Landgang? Zwei oder drei Stunden vielleicht, und viel zu wenig für die junge Besatzung, für die Flarrow und der Kapitän mit jeweils einunddreißig Jahren schon Opas waren.
Als er gegen Mittag wieder an Bord kam, waren die Arbeiten an der Hauptmaschine fast beendet. Deshalb zog er sein Kesselpäckchen an, kroch ein weiteres Mal in den Spülluftkanal, um diesen und die Spülluftschlitze zu kontrollieren. Die Reiniger hatten sehr gute Arbeit geleistet, alles war vorbildlich gereinigt und der Spülluftkanal selbst völlig trocken und ölfrei. Vor dem Spülluftkanal warteten die beiden Reiniger und hofften, dass Flarrow zufrieden war und sie nicht noch einmal einsteigen mussten. „Wie habt ihr das denn so schön trocken gekriegt?“, fragte Flarrow. „Das Zeug von der Düsensprühanlage haben wir genommen.“ - „Das habt ihr sehr gut gemacht, dafür bekommt ihr jeder zehn Stunden extra. Gibt es sonst noch etwas zu tun?“ - „Den Spülluftkanal verschließen“, meinte der Dritte Ingenieur. - „Dann macht das eben noch fertig und anschließend unter die Dusche. Vor morgen früh acht Uhr braucht ihr Euch nicht mehr sehen zu lassen.“
Der Dritte hakte auf dem Arbeitsblatt den Spülluftkanal ab und zeigte Flarrow später in der Werkstatt ein Brennstoffventil, das bereits nach sieben Tagen nicht mehr einwandfrei lief. Als draußen die beiden Reiniger vorbei gingen, wurden sie ungewollt Zeuge deren Unterhaltung. „Hast du schon mal einen Chief gesehen, der andauernd im Spülluftkanal rumkriecht?“ - „Nee, aber vielleicht is´ er karrieregeil und will noch was werden.“ - „Na der Dritte is´ ja nich böse drüber, der hat ja´n feines Leben. Wenn ich Chief wäre, würde ich mir nur berichten lassen und kein Kesselpäckchen mehr anziehen.“ Der Dritte sah Flarrow an und der meinte: „Sehen Sie, so sieht das die Mannschaft. In Long Beach gehen wir wieder mal zusammen inspizieren.“
Flarrow dachte an seine Zeit als Dritter auf der VALIENTE. Dort hatte sich der Chief sehr selten in der Maschine sehen lassen - und im Spülluftkanal? Das war undenkbar gewesen. Gelernt hatte er dabei wenig, aber Erfahrungen gesammelt. Hier auf POLARSTERN hatte er den Dritten fast immer mitgenommen, ihm gezeigt was in Ordnung war und was nicht. Dabei entdeckte er, dass hier an Bord sowieso einiges anders lief, als früher. Das lag wohl am Alter der Besatzung. Ausschließlich Nachkriegsgeneration, von der Tradition kaum berührt und aufnahmefähig für Neues.
Das Abendessen war vorverlegt worden, damit die Leute früher an Land gehen konnten. Flarrow hatte den beiden Dritten und dem Elektriker vorgeschlagen, dies gemeinsam zu tun. Der Zweite hatte sich auf eigenen Wunsch die Bordwache zugeteilt, und so bestiegen sie bei Sonnenuntergang zusammen mit der halben Mannschaft die Barkasse. Die Leute verteilten sich recht schnell auf die ‚Restaurationen’, während Flarrow zielstrebig Charlotta ‚Bar y Restaurante’ ansteuerte. Dort nahmen sie einen Cuba Libre, während sie auf das Taxi warteten, das Flarrow bei Roger Watson bestellt hatte. Es gab ja immerhin schon eine Telefonleitung nach Marsala. Flarrow und Begleiter waren auf Marsala gespannt, und er machte ihnen klar, dass man dort auf jeden Fall ungestörter wäre als in Bolivar. „Eine solche Gelegenheit bekommen wir so schnell nicht wieder, also lasst uns die Gelegenheit nutzen und einmal richtig feiern, wir haben ja die ganze Nacht Zeit!“ Sie kamen nach Marsala, als es schon dunkle Nacht war. Das Taxi hielt vor dem Portal eines größeren Gebäudes, aus dem Licht auf den Vorplatz fiel. Flarrow bedeutete dem Taxifahrer, dass er hier warten sollte, bis sie wieder nach Bolivar zurückfahren wollten. Er handelte nicht lange herum, charterte ihn für die ganze Nacht und zahlte den entsprechenden Vorschuss.
Als sie durch das große Tor gingen, erkannten sie einen mäßig beleuchteten quadratischen Innenhof, eingerahmt von scheunenartigen Gebäuden aus Stein. Das größte von allen hatte einen hölzernen Vorbau, auf dem Tische und Stühle standen, die zur einer Kneipe oder vornehm ausgedrückt ‚Bar y Restaurante’ gehörten. Kinder spielten mit einer ballähnlichen Kugel; auf der gegenüber liegenden Seite gab es mehrere Türen, die wohl zu den Habitacionnes der ‚Senoritas’ führten. Die waren aber jetzt am frühen Abend alle geschlossen. Andere Türen wurden geöffnet, und die Bewohner kamen heraus, um zu sehen, wer da angekommen war. „Offenbar ein altes spanisches Fort, oder zumindest der Grundriss davon, auf dem man diese Gebäude errichtet hat.“ Das meinte der Elektriker, und ehe noch jemand antworten konnten, kam eine erstaunlich nüchterne Charlotta auf den Vorbau gewackelt, begrüßte sie alle ganz herzlich und bat, doch Platz zu nehmen. Die Kinder hörten mit ihrem Spiel auf und begannen die Fremden anzustarren. Häufige Besuche der Marineros von den Schiffen gab es also nicht. Sie setzten sich und hörten sich das weitere Angebot an Speisen und Getränken bei einem Cuba Libre an. Es gab hier auch Bier, leider nur aus Flaschen, aber immerhin Bier!
Während sie noch überlegten, ob man nicht doch den Rotwein versuchen sollte, erhob sich vom Nachbartisch ein Mann, kam an ihren Tisch und sprach sie im gebrochenen Englisch an. Die Herren kämen doch bestimmt von dem Schiff der Standard Fruit, welches erst morgen früh beladen würde. Es wäre ein seltenes Ereignis, dass die Leute von den Schiffen bis nach Marsala kämen, und gerade deshalb würde man sich hier über diesen Besuch sehr freuen. Das Schiff wäre ein Buque Aleman, ob die Senhores Caballeros wohl auch alle Aleman seien? Und als sie ihm bejahend zunickten, zeigte er sich hoch erfreut und lud sie an seinen Tisch ein. Sie wurden den dort sitzenden Persönlichkeiten des Ortes vorgestellt. Zuerst die Amtspersonen. Der Alcalde (Bürgermeister) und der Abogado (Rechtsanwalt) dann der Farmacentico (Apotheker) und der Professore (Lehrer). Er selbst bezeichnete sich und seinen Genossen als Comercianteros, also als Kaufleute, was immer das auch heißen sollte. Flarrow stellte nun seine Leute vor, was großen Eindruck machte, weil doch die deutschen Ingenieure alle ‚grande Specialistas’ seien. Zwei Tische wurden zusammen geschoben, die Gastgeber standen auf, Hände wurden geschüttelt und freundliche einladende Worte gesprochen. Alle nahmen Platz, der Wirt brachte kleine Sandwiches, spanischen Tapas ähnlich, und der Bürgermeister erklärte, dass man gern ein Bier, Wein seien die Alemanes ja sicher nicht gewöhnt, mit ihnen trinken würde. Damit waren die sehr einverstanden. Nun wurde gefragt und geredet, nach dem Woher und Wohin, der Familie in Deutschland, wie es denn dort aussehen würde, nach dem großen Krieg. Und einige südamerikanische Staaten, wie Brasilien und Argentinien hätten ja die Deutschen auch besiegt in diesem Krieg. Davon wussten Flarrow und seine Begleiter recht wenig, und der Krieg war eh kein Thema mehr. Auch auf POLARSTERN, dachte Flarrow, gab es keine Kriegsteilnehmer mehr oder Leute, die den Krieg bewusst miterlebt hatten, wie auf seinen früheren Schiffen. Um einen Themenwechsel bemüht, sprach er über frühere Besuche in Guayaquil und wie sehr es ihm dort gefallen hätte. Das machte die Ecuadorianer sehr stolz; sie wurden sogar leichtsinnig, lobten ihr Land über alle Maßen und behaupteten, dass in Ecuador mehr Bier getrunken würde als in Deutschland, und es wäre wirklich gutes Bier. Sie hätten da den Deutschen einiges voraus, auch im Trinken! Eine solche Herausforderung nahmen die Leute vom Schiff natürlich sofort freudig an, und Flarrow bestellte sogleich eine neue Lage. Man trank sich zu, das gut gekühlte Bier schmeckte.
War es die milde und feuchte Tropennacht, der betäubende Geruch des nahen Dschungels oder der Plantagen mit den Bananenbäumen, die sie in eine solche Unbeschwertheit versetzte, dass sie die Zwänge des Bordalltags völlig vergaßen? Irgendwann stand Tequila auf dem Tisch und die Ecuadorianer zeigten, wie er hierzulande getrunken wurde. Mit Salz oder auch Kaffeepulver auf einer Zitronenscheibe, was nicht unbekannt war und eifrig vollzogen wurde. Langsam aber sicher begann der Alkohol zu wirken. Aus dem kleinen Laden neben der Kneipe holte der Elektriker Bonbons, die er den Kindern, die überall herum standen, zusteckte. Da er nun die Kinder nicht mehr loswurde, kaufte Flarrow den ganzen Bestand, das waren ungefähr fünf Liter, und warf die Bonbons in den Hof. Die Kinder rasten davon, und die Männer am Tisch hatten ihre Ruhe. Trinksprüche wurden ausgebracht und Rodger Watson, der zwischendurch einmal nach dem Rechten sah, lieferte neues Bier. Eine Begierde des Ausgelassenseins hatte sie ergriffen, nach diesen langen Monaten auf dem Schiff, und es war doch eine Lust zu leben, und der Durst war groß genug, es zu genießen, dachte Flarrow, bevor er einen neuen Trinkspruch auf die deutsch-ecuadorianische Freundschaft ausbrachte. Die Leute aus Marsala gaben sich alle Mühe mitzuhalten, aber als der Abogado am Tisch einschlief, merkte Flarrow, dass es Zeit wurde, den Abend zu beenden, und so rief er nach dem Taxifahrer. Der Kaufmann, in Hochform, klopfte ihnen immer wieder auf die Schultern, lobte Deutschland, die Deutschen und die ganze Welt. Als das Taxi losfuhr, rief er ihnen noch auf Deutsch „Sieg Heil“ hinterher, was aber die nicht weiter störte.
In Bolivar hielt der schlaue Taxifahrer vor der Kneipe von Charlotta, die natürlich noch besucht werden musste. Sie wurden jubelnd von Besatzungsmitgliedern begrüßt, die auch alle in Hochform waren. Flarrow wollte natürlich nicht hier bleiben, denn er wurde langsam so betrunken, dass er lieber an Bord gegangen wäre. Die Ingenieure verstanden das aber falsch und schleppten ihn noch in andere Kneipen. Irgendwo entkam er ihnen, und als er aufwachte, lag er in seiner Koje, und es war Mittag.
Nach einer kalten Dusche war er wieder fit, stellte aber einen leichten Filmriss fest, den der Alte sogleich beseitigte. Er wäre allein an Bord gekommen, allerdings auf allen Vieren. „Sehr amüsant, alle haben sich köstlich amüsiert!“ meinte der Alte grinsend. Darüber konnte Flarrow nicht lachen, er dachte sofort an eine Beschädigung seines Rufes als Führungskraft und konsultierte seinen Zweiten. „Na wie war das heute Nacht?“ - „Was heißt hier heute Nacht, es war früher Morgen. Sie hatten gewaltig geladen, aber alle waren begeistert von ihrer Singerei in einer Kneipe.“ - „Wie Singerei in einer Kneipe?“ - „So sagten die; sie hätten ein Lied von einem spanischen Mädchen gesungen. Der Koch, der mit ihnen auf der VALIENTE war, sagte, dass das dort immer einer von den Wachingenieuren zur Gitarre gesungen hätte.“ Jetzt konnte sich Flarrow dunkel erinnern. Und weil ihm das peinlich war, kehrte er den Vorgesetzten heraus und fragte mit ernster Miene nach dem Ladebetrieb und den Leuten. Alles wäre o. k., meinte der Zweite. Das Laden lief, und die Freiwachen lagen alle „in Sauer“, besonders der Elektriker und die beiden Dritten.
Flarrow betrat das Bootsdeck, schaute zum Land hinüber und fühlte sich irgendwie völlig entspannt. Er wusste, sie hatten eine Menge Blödsinn verzapft und sich sinnlos betrunken, mehr war es nicht. In ein paar Wochen würden sie darüber reden, alles in rosarot sehen und der Erinnerung nachhängen. Im Moment bekam er aber ein schlechtes Gewissen. Er war völlig betrunken an Bord gekommen, alle hatten es gesehen, und nun glaubte er, dass die Leute sich über ihn lustig machen und seine Führungskompetenz, die ihm so wichtig war, nicht mehr akzeptieren würden. Das, was er anderen zugestand, nämlich einmal richtig über die Stränge zu schlagen, konnte er für sich nur dann akzeptieren, wenn die Geschichte nicht bekannt wurde. Einen volltrunkenen Chief auf allen Vieren auf der Gangway, der die Kontrolle über sich verloren hatte, das mochte er sich nicht verzeihen.
Der Alte kam und unterbrach seine finsteren Gedanken. „Chief, wir werden eine Stunde früher fertig, es gibt deshalb ab jetzt keinen Landgang mehr.“ Flarrow nickte, vergaß seine Seelenpein und informierte den Zweiten, dass sie in einer Stunde seeklar sein mussten. Da alle Besatzungsmitglieder an Bord waren, gab es keine Verzögerungen, und so konnten sie mit einer guten Zeitreserve auf die Strecke nach Long Beach gehen, wo sie nach einer Woche morgens gegen vier Uhr festmachten, und sofort mit den Vorbereitungen für die Kontrollen der Hauptmaschine begannen.
Flarrow kam aus dem Maschinenraum, als er plötzlich die Stimme des Technischen Direktors der Hamburg Süd hörte. Zunächst glaubte er an einen Irrtum, als er aber zum Salon kam, sah er ihn tatsächlich im Gespräch mit dem Kapitän und dem Ersten Offizier. Es hatte keine Vorwarnung gegeben, eine echte Überraschung also. Kaum, dass er Flarrow gesehen hatte, kam er auf ihn zu. „Na, da sind Sie ja endlich, gibt es Probleme mit der Maschine, oder was treibt Sie in aller Frühe nach unten?“ - „Nichts Besonderes, aber gegen acht Uhr kommen die Leute von Land und bis dahin muss in der Maschine alles laufen.“ - „Gehen wir erst einmal frühstücken“, mahnte der Kapitän. Später in der Messe gab der Direktor bekannt, dass er bis Bolivar an Bord bleiben würde. Er kam von New York, wo er POLARLICHT besucht hatte, bei der die Hauptkühlwasserleitung für die Kühlanlagen im vorderen Deckshaus gebrochen war. Dadurch konnten die Luken I und II nicht mehr gekühlt werden. Das vordere Deckshaus hatte unter Wasser gestanden und im elektrischen Teil der Anlage, einschließlich der Elektronik, schwere Schäden angerichtet, so dass POLARLICHT aus der Charter gehen musste. Der Technische Direktor war deshalb, um Schadensbegrenzung gegenüber der Standard Fruit bemüht, nach New York gekommen. Außerdem hatte er die Verhandlungen mit der Werft wegen der erforderlichen Reparaturen geführt.
Der Steward kam und verkündete, dass die Lotsenkammer fertig sei. „Na, dann werde ich mich mal aufs Ohr legen, die letzten Tage hatte ich ja kaum Gelegenheit dazu. Wecken Sie mich bitte vor dem Auslaufen.“
Der Zweite kam zum Frühstück, und Flarrow informierte ihn über die neuesten Ereignisse. Wegen des Schadens auf POLARLICHT fragte er sofort, ob man sich diese Hauptkühlwasserleitung auf POLARSTERN einmal genauer ansehen sollte, und das war natürlich richtig.
„Hat eigentlich jemand von diesem Besuch gewusst?“, fragte Flarrow nun den Alten, der das verneinte. Dann hörte man ein Husten und Mister „Joe“ von der Standard erschien. Er machte seinem Wahlspruch alle Ehre, und noch immer hustend verkündete er „Smoke Pall Mall, it makes your cough good.“
Das Tagegeschäft begann. Der Bunkerclerk holte den Zweiten vom Frühstück weg, und Flarrow sah die Post durch, um wichtige Dinge vor dem Auslaufen zu beantworten. Nach Löschende mussten sie noch auf eine Gang warten, die vier Fässer Schmieröl zu laden hatte. Das durfte die Besatzung nämlich nicht selbst tun, außerdem durfte während des Löschens in Long Beach nicht geladen werden. Die mächtige Gewerkschaft der Hafenarbeiter sorgte so für Arbeitsplätze. POLARSTERN kostete das zwei Stunden Verzögerung, worüber natürlich niemand an Bord froh sein konnte.
Kaum, dass der Lotse von Bord war und die Seereise begonnen hatte, wollte der Direktor Flarrow sprechen, der ihm aber sagen ließ, dass das erst möglich wäre, wenn sie auf voller Drehzahl wären. Das machte bei den Leuten im Leitstand natürlich Eindruck. Als es dann soweit war, traf Flarrow den Direktor auf dem Achterdeck. „Schauen Sie sich doch bitte einmal den Schornstein an.“ - „Ich weiß, der ist noch nicht so, wie ich ihn gerne hätte, aber wir sind dabei, die Sache in den Griff zu bekommen.“ - „Waaas sagen Sie da? Das ist doch verdammt gut, besser geht es doch gar nicht mit Schweröl! Das ist einfach ausgezeichnet, der beste Schornstein, den ich seit langem sehe.“ Und weil Flarrow kein Wort dazu sagte, fuhr der Direktor fort: „Lassen wir das, wir haben nämlich einiges zu besprechen.“ Nun würde es Ärger geben, dachte Flarrow, weil er die Beschränkung für den Einkauf so demonstrativ und erheblich überzogen hatte. Damit wollte er der NTA seinen Unmut demonstrieren. Er war ja schließlich kein Schuljunge! Nun würde die Abreibung kommen. Kaum hatte er seine Kabinentür geschlossen, fragte der Direktor, überraschend für Flarrow, wie er denn mit dem Kapitän auskäme und wie das Verhältnis zwischen Deck und Maschine wäre. Dazu war wenig zu sagen, denn es gab ja keine Probleme, und die Zusammenarbeit mit den Decksleuten war doch ebenfalls gut, dafür sorgten schon der Storekeeper und der Bootsmann, die sich sehr gut verstanden. „Man hilft sich gegenseitig und zwischen Offizieren und Ingenieuren stimmt es ebenfalls, auch, wenn es nicht immer die wahre Liebe ist, aber das kennen Sie ja.“ - „Na, das muss es ja auch nicht. Was meinst du, könnte man die Leute von Deck auch beispielsweise in der Maschine malen lassen?“ - „Begeistert werden sie nicht sein, aber tun würden sie es bestimmt.“ - „Wie ist das eigentlich, gibt es bei euch gar nichts zu trinken?“ - „Oh doch, was darf ’s denn sein, Whisky oder Bier, oder beides?“ Nach dem ersten Drink sprach Flarrow die Geschichte mit der Einkaufsbeschränkung und deren Überziehung an. „Ach, das ist doch ein Rundbrief für die Flotte. Das gilt doch nicht für euch.“ So war das also! Man schickte einfach einmal wieder einen Drohbrief herum, um die Leute einzuschüchtern. Und wegen so einer Lappalie hatte er sich so sehr aufgeregt!
Das Telefon klingelte, der Wachhabende rief an, die IBM-Kugelkopfschreibmaschine war wieder einmal ausgefallen, deshalb konnte man nun keine Abfrage der Betriebswerte vornehmen. Flarrow wollte natürlich in die Maschine, aber der Direktor meinte, dass das der Elektriker auch alleine können müsste. „Bleiben Sie hier, wir haben zu reden.“ Flarrow ging trotzdem in die Maschine. „Ich habe die Leute darauf getrimmt, mir jede Störung zu melden, da kann ich jetzt nicht so tun, als ob ich das nicht ernst nehmen würde.“ Flarrow ging es um die Ausfallursache, denn immer, wenn der IBM-Service an Bord kam, wurde es teuer. Die Neubauabteilung hatte die Schreibmaschinen gekauft, ohne an den Service zu denken. Das freute die IBM-Leute natürlich, die immer nur reparierten, schadhafte Teile wechselten und niemals eine Aussage über die Ursachen machten. Das war teuer, und deshalb wollte Flarrow diese Situation beenden. Als er zurückkam, hatte sich auch der Kapitän eingefunden und mit dem Direktor über das Einstellen der Solltemperaturen für Laderaumzuluft, die auf der Brücke installiert war, gesprochen. Der Direktor fragte nun Flarrow, wie das denn mit der Ladekühlanlage wäre. Die Solltemperaturen würden doch von der Brücke vorgegeben, warum hätte Flarrow dann den Steuerleuten verboten, die Temperaturen einzustellen. „Warum nehmt ihr diese Erleichterung nicht an?“ Flarrow erklärte, dass aus den Ausdrucken auf der Brücke nicht der Temperaturverlauf zu ersehen sei, sondern immer nur eine Momentaufnahme. Daher könnten die Steuerleute auch nicht beurteilen, ob die Abweichungen vom Sollwert normal seien oder schon eine Störung vorläge. Außerdem wäre die Anlage ja noch sehr störanfällig, besonders bei der Leistungsreduzierung, wenn sich einzelne Zylinder der Kältekompressoren abschalten müssten, was oft zu Störungen führen würde. „Die Anlage läuft halt nicht so, wie gewünscht. Vollautomatisch schon mal gar nicht. Wir sind noch immer dabei, die Kältekreisläufe richtig einzustellen, und die Kompressoren sind alle reif für eine Grundüberholung, Unterlagen über bisherige Instandsetzungen gibt es an Bord nämlich nicht. Derzeit machen wir nur Störungsbeseitigung, nicht viel mehr“, schloss Flarrow. Darauf der Kapitän: „Wenn das so ist, wie Sie sagen, dann kann der Steuermann das doch gar nicht überwachen, denn stundenlang im Kartenhaus auf die Temperaturen aufpassen, das geht nicht; er muss ja schließlich auch noch Wache gehen.“ - „Deshalb war es ja keine gute Idee, die Sollwerteinstellung im Kartenhaus zu installieren. Hätten wir das Ding im Leitstand, dann wäre das eine große Erleichterung für uns, aber so.“ - „Dafür kann ja nun der Erste nicht, warum sagen Sie denn, die Offiziere hätten keine Ahnung. Die sind deshalb sauer auf Sie, und wenn das noch einmal vorkommt, dann fahre ich mit Ihnen Schlitten, dass das klar ist.“ Ehe Flarrow etwas erwidern konnte, verließ der Kapitän die Kabine. Der Direktor sah Flarrow vorwurfsvoll an. „Du solltest dich beim Kapitän und den Offizieren entschuldigen, damit das aus der Welt ist.“ - „Da ich so etwas nicht geäußert habe, werde ich mich auch nicht entschuldigen.“ - „Aber einen Grund muss das ganze doch haben?“ - „Darüber werde ich gleich mit dem Alten reden, denn solche Mätzchen werde ich nicht mitmachen. Es gibt ja die Möglichkeit der Ablösung von Leuten, die man gern unfähig stempeln möchte. Ich kann meine Sachen ganz schnell packen.“ „Nun seien Sie doch nicht gleich sauer, das ist die Geschichte doch gar nicht wert.“ - „Gehen Sie mit zum Kapitän?“ - „In die inneren Angelegenheiten der Schiffsleitung werde ich mich nicht einmischen, also dann gute Nacht.“
Flarrow ging zum Kapitän und klärte den Sachverhalt. Vor zwei Tagen hatte es ein Problem mit einem Kältesystem gegeben, die Prüfung der Elektronik ergab keine Klärung, schließlich hatte der Elektriker den Chief gerufen. Der wusste, dass das System auf Hand lief und zeigte das dem Elektriker im Kartenhaus, der sofort kapierte und meinte, dass es nun ganz einfach sei. Flarrow nickte und sagte dann zum Elektriker: „Und das müssten nach dem Willen der Konstrukteure die Wachoffiziere alles verstehen, was sie natürlich nicht können, denn davon haben sie ja alle keine Ahnung.“ Der Alte schwieg zunächst, und Flarrow fuhr fort: „Der Erste hatte zu dieser Zeit Wache, also wird er Ihnen das gesteckt haben. Warum kommt er nicht zu mir, statt die Leute aufzuhetzen?“ Damit war die Geschichte vorbei. Der Kapitän sagte: „Na gut“, mehr nicht. Der Erste glaubte natürlich, dass er dem Chief eine verpasst hatte, und Flarrow fand es unter seiner Würde, mit dem Ersten darüber zu reden. Er ging ihm aus dem Weg, soweit das an Bord möglich war. Vertrauen hatte er aber zu diesem Mann nicht mehr.
Am nächsten Morgen wollte der Direktor mit Flarrow in den Maschinenraum. Der Rundgang endete im Leitstand, wo er sagte: „Der Maschinenraum ist ja überraschend sauber, wie ist das zu schaffen, habt ihr denn dazu noch Zeit?“ - „Gute Leute muss man haben, Leute die motiviert sind.“ - „Da müssten Sie mal die „LICHT“ sehen, da sieht es trotz Motivation aber ganz anders aus. Dazu war nicht viel zu sagen. „Was könnten wir denn hier verbessern, haben Sie irgendwelche Wünsche, Sie haben doch schon einmal Andeutungen gemacht. Wir könnten zum Beispiel Betriebsstundenzähler für die Hilfsaggregate, Pumpen, etc. einbauen, so etwas kostet doch heutzutage fast nichts mehr und vereinfacht den Papierkrieg. Gibt es noch mehr?“ - „Ja, Abgastemperaturanzeigen sollten über dem Fahrstand vorhanden sein, das würde das Hochfahren verkürzen. Ich denke, da gibt es noch eine ganze Menge.“ - „Lassen Sie mich das wissen.“ Schließlich fragte er, wie Flarrow den Schornstein noch verbessern wollte. Und Flarrow berichtete von der Reduzierung des Zylinderschmieröles. Da staunte er natürlich und verwies auf das Risiko beim Verschleiß. In den folgenden Tagen fertigte Flarrow eine Liste mit den bekannten Schwachstellen der Anlage an, verwies auf die geringen Standzeiten der Brennstoffventile und erklärte, wie er sich eine Art vorbeugende Instandhaltung, vor allem für die Ladekühlanlage, vorstellte. Schließlich erörterten sie zusammen mit dem Kapitän das Thema ‚Werftzeit’. Der Chartervertrag sah pro Monat einen Werfttag vor, der nach sechs Monaten fällig wurde. Die Frage war nun, ob POLARSTERN den Fahrplan während der sechs Monate halten konnte. Aus den bisherigen Leistungsdaten war das nur schwer abzuschätzen, aber alle waren optimistisch.
Der Direktor erzählte nun etwas von einer Werft in Mexiko, die gut mit Werkzeugmaschinen bestückt sei und ein ausreichendes Dock besitzen würde. Dort könnte sich auch die Besatzung gut erholen, Mädchen gäbe es genug, und eine hübscher als die andere. Das waren tolle Perspektiven, und dann erst dieses Gefühl, dass man sich zu Hause Gedanken um die Mitarbeiter auf See machte! Flarrow begann auch sofort zu überschlagen: Die Werftzeit wäre spätestens Mitte Mai fällig, dann hätte die Hauptmaschine rund fünftausend Betriebsstunden. Kolbenziehen könnte also mit Werfthilfe stattfinden!
Die Vorkühlung wurde angesetzt, und das Bootsdeck wurde für die Samstagparty vorbereitet. Der Direktor zeigte sich erfreut über das Management und lobte hier und da. Am Sonntagabend hatte er die gewünschte Liste vorliegen. Flarrow musste natürlich vieles erklären, aber der Direktor war einverstanden. Als er die Arbeitsliste für Bolivar sah, glaubt er nicht daran, dass diese Arbeiten alle während der Liegezeit erledigt werden könnten, doch als der Zweite lächelnd sagte, dass sie da schon mehr gemacht hätten und dieses Mal für die Leute mindestens zwei Stunden Landgang drin wäre, war er begeistert. Er kam immer wieder auf die Ladekühlanlage zu sprechen, weil er begriffen hatte, dass die Anlage sehr störanfällig war. „Euch fehlt ein Kühlmaschinist, ich habe da einen jungen Mann, der anpacken kann, den sollt ihr haben.“ - „So einen will ich nicht“, sagte Flarrow, „ich brauche einen Mann der alten Schule, der gewissenhaft und sauber arbeitet, ist der Storekeeper Rudolf Koch verfügbar?“ - „Meinen Sie, dass der das noch packt? Er ist doch immerhin schon um die fünfzig.“ - „Da bin ich ganz sicher.“ - „Na gut, Sie kriegen ihren Rudolf Koch, egal ob wir ihn irgendwo ablösen müssen, o. k.?“ Und Flarrow freute sich auf seinen alten Freund, den er ja immerhin seit Januar 1966 nicht mehr gesehen hatte.
Sie gingen im Morgengrauen vor Anker. Nach dem Frühstück kam ein Wassertaxi, das den Direktor nach Guayaquil bringen sollte, wo das Flugzeug nach Hause wartete. Als das Boot ablegte, winkte er noch ein paar Mal, und der Alte, der neben Flarrow in der Brückennock stand, meinte, dass er sich an Bord doch sehr wohlgefühlt hätte. „Er hat sich genau angesehen, wie hier gearbeitet wird, und einiges hat er offenbar so noch nicht erlebt.“ - „Na, Hauptsache er verliert die Weihnachtspost nicht“, sagte der Alte.
Flarrow ging am Vormittag an Land, direkt zu Charlotta, die auf einem alten Sofa mehr hing als lag und mit trunkener Stimme nach Rodger rief. „Oh, Mister Chief, welcome to Charlotta! Cubra Libre?” Flarrow nickte, und Rodger Watson fragte nach der Reise und erinnerte an die Party vor zwei Wochen. Die Mädchen kamen und machten ihm schöne Augen. Flarrow sagte ihnen aber, dass die Marineros von der POLARSTERN erst um die Mittagszeit an Land kommen würden und um fünfzehn Uhr dreißig wieder an Bord sein müssten. Wenn das nicht klappen sollte, würde es in Zukunft überhaupt keinen Landgang mehr geben. Deshalb sollten die Mädchen dafür sorgen, dass keiner das Schiff verpassen würde. Dann gab er den Ladies noch einen Drink aus und zog in die anderen zwei Bars, um dort die gleiche Nachricht zu hinterlassen.
Am Nachmittag konnte er vom Schiff aus beobachten, wie die Mädchen „sus amigos“ brav zur Barkasse brachten. Seine Besuche waren also von Erfolg gekrönt, und das würde auch in Zukunft funktionieren.
In die nächste Reise fiel Weihnachten. Heiligabend und die Festtage würden sie auf See erleben. In der Hauptverwaltung der Standard Fruit in New Orleans überlegte man, ob POLARSTERN in Guayaquil für Gulfport laden sollte, was eine willkommene Abwechslung gewesen wäre, und der Norddeutsche Rundfunk beabsichtigte, das Schiff an seiner Weihnachtssendung für Seeleute, die am Heiligen Abend live ausgestrahlt werden sollte, teilnehmen zu lassen. Die Funkstation der POLARSTERN war mit der modernsten Technik, die 1964 zu haben war, ausgestattet. Mit einer Sendeleistung von 1.200 Watt wurden Sprechverbindungen aus dem pazifischen Ozean nach Deutschland möglich. Am Vorabend des Weihnachtsfestes sollte die Verbindung getestet werden, doch daraus wurde nichts, denn im Golf von Tehuantepec erwischte sie einer der gefürchteten orkanartigen Stürme, die geboren werden, wenn ein Hoch in der Karibik oder im Golf von Mexiko Luftmassen über die südlichen Ausläufer der dreitausend Meter hohen Sierra Madre schiebt. Aufgrund der Wetterverhältnisse kam eine Sprechverbindung mit Norddeich Radio nicht zu Stande, und damit gab es keine Teilnahme an der Weihnachtssendung des Norddeutschen Rundfunks.
Weil sie für etwa zehn Stunden beidrehen mussten, reichte die Zeit für Guayaquil nicht mehr, und so blieben sie auf der Route Long Beach – Bolivar. Weihnachten und Silvester waren sie also auf See. Die Weihnachtsgans, die seit Anfang September in der Tiefkühlung gelegen hatte, war hervorragend, aber sonst gab es wenig Feierliches. Der Kapitän war eben nicht der Mann großer Worte. Keine Ansprache und keine Weihnachtsgeschichte. Die müden und abgearbeiteten Leute nutzten die Feiertage zum Ausschlafen. So war das auch zu Silvester, wo in der Maschine eine Störung zu beheben war und deshalb bis in den späten Abend hinein gearbeitet werden musste. Das Hin und Her auf dieser Route begann zu nerven, weil Abwechslung und ausreichender Landgang fehlten. Im April würde es eine Werftzeit von sechs Tagen geben. Aber bis dahin waren es ja noch acht Reisen!
In Long Beach kamen Pakete an Bord, die all das enthielten, was Flarrow versprochen worden war. Das wurde nun fleißig montiert.
Ende Januar kam auch Rudolf Koch in Long Beach an Bord, der sich immer gewünscht hatte, noch einmal mit Flarrow zu fahren, wenn dieser Chief wäre. Nach einem Rundgang durch die Deckshäuser, wollte er allerdings wieder aussteigen, weil ihm das Ganze doch zu kompliziert erschien. Er blieb aber nach gründlicher Einweisung an Bord und war künftig eine große Entlastung für den Zweiten Ingenieur.
Während sich der Betrieb gut entwickelte, die Crew immer routinierter wurde und auch die Störungen in der Elektronik deutlich abnahmen, begann die erforderliche Maschinenleistung, die für die einhundertsiebenunddreißig Umdrehungen benötigt wurden, langsam aber unerbittlich zu steigen. Gleichzeitig nahm die Geschwindigkeit ab. Der Bewuchs am Unterwasserschiff war der Grund dafür, und die Frage, die sich stellte, war die, ob POLARSTERN bis zur fälligen Werftzeit im April schnell genug bleiben würde, um im Fahrplan zu bleiben. Im Februar begannen die Leute müde zu werden, es fehlte eben eine Pause, für die die zwei, höchstens drei Stunden in Bolivar nicht ausreichten. Als Flarrow einmal am frühen Nachmittag zu Charlotta ging, sah er, dass die Leute fünf Cuba Libre auf einmal bestellten, um Zeit zu sparen. Wenn die getrunken waren, nahmen die Mädchen ihre Marineros an die Hand und verschwanden mit ihnen auf ihren Zimmern. Noch immer kamen alle Landgänger pünktlich an Bord zurück, aber wirklich entspannt waren sie nicht. „Man kommt sich vor wie ein Straßenbahnfahrer“, sagte auch der Kapitän und fluchte still vor sich hin, weil sie immer später in Long Beach ankamen.
Als der Lotse einmal erzählte, dass POLARSTERN früher oft schon am Nachmittag oder am frühen Abend vor dem Löschen angekommen wäre, begann Flarrow zu rechnen und stellte fest, dass sie damals die Hauptmaschine ziemlich überlastet haben mussten. Als er sich dann einmal die Reiseberichte von dieser Zeit vornahm, fand er den Beweis; bis zu zwanzig Prozent über der Nennleistung waren keine Seltenheit. Spülluftkanalbrände und Kolbenfresser waren die Folge einer solchen Betriebsweise; und der Chief, der dafür verantwortlich war, gehörte heute zu den Inspektoren der NTA! Das gab schon zu denken, zumindest für einen Charakter wie Flarrow. Sie wollten einfach so früh ankommen, um eine Bauernnacht zu feiern, das war wichtiger als die Betriebssicherheit.
Irgendwann auf einer Ballastreise spielte die Fahrautomatik wieder einmal verrückt und stoppte unkontrolliert die Hauptmaschine des in voller Fahrt befindlichen Schiffes. Der Fehler wurde wiederum nicht gefunden.
Mitte März teilte die Standard mit, dass die Werftzeit verschoben würde. Flarrow entgegnete, dass dann der Fahrplan wohl nicht mehr gehalten werden könnte, was aber akzeptiert wurde. Ende März wurde es dann richtig eng. Die Hauptmaschinenleistung lag bei einhundertzehn Prozent, und trotzdem liefen sie nicht viel mehr als zwanzig Knoten. Sie würden deshalb nicht vor sechs Uhr morgens beim Lotsen sein. Das Löschen konnte also frühestens mit zwei Stunden Verspätung beginnen.
Sie kamen auch der US-Navy in die Quere. USS „NEW JERSEY“, ein Schlachtschiff aus dem zweiten Weltkrieg mit drei Drillingstürmen vom Kaliber 40,6 cm, übte für den Einsatz im Vietnamkrieg. POLARSTERN lief zwischen Schiff und Zielscheibe hindurch und wurde überschossen. Die überaus geräuschvollen Granaten störten die sonntägliche Nachmittagsruhe so gründlich, dass der in seiner Koje liegende Flarrow erst auf der Brücke richtig wach wurde. Der Amerikaner stand weitab hinter der Kimm und hatte wohl erst im Moment des Feuerns POLARSTERN entdeckt; er schickte sofort einen Zerstörer los, der mit dreißig Knoten auf POLARSTERN zulief und sie anblinkte: „Please keep out cannon exercise!“ Da der Wachhabende Zweite Steuermann Reserveoffizier der Bundesmarine war, wurde der Blinkspruch -Blinksprüche waren im Zeitalter des Sprechfunks in der Handelsmarine sehr selten - auf POLARSTERN sofort verstanden und mit dem Handscheinwerfer beantwortet. Der Alte diktierte kaltschnäuzig: „Sorry, no time. German Bananaboat, destination Long Beach.“ Da setzte sich der Zerstörer vor den Bananenjäger, fragte höflich nach seinem ‚possible speed’, und geleitete ihn aus der Gefahrenzone.
Auf der folgenden Ballastreise nach Bolivar trat der erste Spülluftkanalbrand auf. Da ihn die elektronische Überwachung sehr früh meldete, gab es keinen Schaden, aber Verspätung. Beim Einlaufen in Bolivar mussten sie auf den Lotsen warten, der gerade ein Kühlschiff der Reederei LAISZ aus Hamburg zum Ankerplatz brachte. Dabei trieben sie mit der Flut auf die Ankerkette der Ansteuerungstonne, die an einem Propellerflügel hängen blieb. Sie kamen deshalb nicht mehr frei und mussten warten, bis der Ebbstrom einsetzte. Da das Laden auch langsamer lief als gewöhnlich, wurden sie so spät fertig, dass der Löschtermin für Long Beach um vierundzwanzig Stunden verschoben werden musste. So kamen sie zu einer Bauernnacht in Long Beach, und der Alte verabredete mit Flarrow, abends an Land zu gehen.
Nach einem besonders guten Steak in einem Steakhaus am Pier Point, machten sie sich auf, um im Golden Horseshoe den weiteren Abend zu verbringen. Dort, so lautete eine Empfehlung von Joe, wäre immer etwas los, Musik und Tanz inklusiv. Der Laden war ziemlich voll, auffällig, die vielen hübschen Damen, die offenbar alle ohne männliche Begleitung hier waren. Sie zögerten auch nicht lange und forderten Damen zum Tanzen auf. Die waren nicht gerade redselig, eher stumm und Bemerkungen der entwöhnten Seefahrer beantworteten sie höchstens mit einem dahin geplätscherten ‚yes’ oder ‚no’. Nachdem sie sich über das Verhalten der Damen ausgetauscht und ein weiteres Budweiser bestellt hatten, blies der Alte wieder zum Angriff. Doch beide bekamen einen Korb von ihren ‚Herzensdamen’. Was nun? „Nehmen wir eben andere Ladies, dieses Mal zwei von einem Tisch“, sagte Flarrow. Doch die Sache endete mit dem gleichen Ergebnis. Es gab keinen zweiten Tanz, und die Damen zeigten sich wiederum ‚not amused’. Da das Bier an Bord sowieso besser und billiger war, nahmen sie schließlich ein Taxi, das sie zurück zum Schiff brachte. Der Abend war natürlich im Eimer und die Stimmung entsprechend.
Am nächsten Morgen erzählte Flarrow das Erlebnis Mister Gerry Felch, der sie aufklärte. Das Lokal wäre ein bekannter Treffpunkt für Callgirls, und den Leuten, die etwas von diesen Damen wollten. Musik und Tanz waren also nur Mittel zur Kontaktaufnahme, und die Ladies wollten natürlich keine Konversation sondern Geld. Die Empfehlung, des Clerks Joe von der Standard Fruit, war natürlich gut gemeint. Nach seinen Erfahrungen hatten nämlich die Leute von den Bananaboats nie Zeit, auch nicht für die Liebe! Am Nachmittag kam die Reiseorder: Laden in Guayaquil und Puerto Bolivar für für Gulfport / Mississippi; danach versegeln nach New Orleans / Louisiana; docken bei Bethlehem Steel am 10./11.05.1968.
Flarrow konnte es nicht glauben. Die Werftzeit, geplant waren sechs Tage, sollte nun nur vierundzwanzig Stunden dauern! Alle Kalkulation war damit wertlos geworden, und wie sollte er das den Leuten sagen, denen er immer die große Pause während der sechstägigen Werftzeit versprochen hatte! Die ersten Kolben waren fällig, und das war unter diesen Bedingungen in vierundzwanzig Stunden nicht zu machen. Wer steckte hinter dieser Geschichte? Warum kam keine Information von Hamburg oder von Roland Marine aus New York? „Die Standard braucht das Schiff eben. Die Ernte ist gut, und vielleicht ist ein anderes Schiff ausgefallen. Kaufleute fragen nicht nach technischen Problemen. Deshalb müssen Sie sich etwas einfallen lassen“, sagte der Alte. Es wurde schon dunkel, als der Lotse endlich an Bord kam.
Im Leitstand warteten sie auf das erste Kommando, der Zweite hatte wie bisher auf ‚Fahren vom Leitstand’ geschaltet. „Langsam Voraus“, die Maschine sprang an; fünfunddreißig, vierzig, fünfzig, sechzig Umdrehungen! Der Zweite reduzierte die Füllung, aber die Drehzahl stieg weiter auf siebzig! ‚Stop’, die Maschine lief weiter. Der Zweite schaltete noch einmal auf ‚Stop’, aber die Maschine lief weiter, nicht gerade rund, aber mit sechzig, siebzig Umdrehungen! ‚Rückwärts Halbe’, weil die Maschine nicht stehen blieb, durfte er nicht auf rückwärts umsteuern. Der Zweite schaute verzweifelt auf zu Flarrow, der die Brücke verständigte: „Die Maschine lässt sich nicht stoppen, wir wissen noch nicht warum“, und dann zur Manöverwache: „Brennstoff ab“. Die Brennstoffförderpumpen wurden gestoppt, aber die Maschine lief weiter! ‚Rückwärts Voll’, Flarrow wusste, dass sie auf einen Frachter der US-Navy zuliefen, der voll Munition für Vietnam war, und das gegebene Kommando hieß nichts anderes, als zurück oder es knallt gleich gewaltig. Da die Maschine mit abgeschalteten Brennstoffförderpumpen weiter lief, gab es nur noch eine Möglichkeit: Umschalten auf den konventionellen Fahrstand direkt am Motor. Das hatten sie geübt. Flarrow erreichte den Fahrstand. ‚Schiff geht vor Maschine’ hatte er einst gelernt - und ihm war klar, dass das Schiff gestoppt werden musste, wenn eine Kollision mit dem Munitionsfrachter verhindert werden sollte! Auf die Gefahr hin, die Hauptmaschine zu beschädigen, steuerte er die laufende Hauptmaschine um, gab zunächst nur Startluft, die die Maschine abbremsen sollte und dann Füllung. In diesem Moment brach die Hölle los. Der gequälte Motor, dessen Drehsinn abrupt wechselte, schrie auf, wie ein waidwundes Tier. Die Sicherheitsventile sprachen an, aber die Maschine lief nun endlich, endlich rückwärts. Aufatmen! - Er ließ sie laufen, bis der Maschinentelegraph auf „Stop“ ging. Dann stellte er das große schwere Handrad auf Null, und zu seiner großen Überraschung blieb die Maschine nun stehen!
Der Zweite, der ein Stockwerk höher vor dem vorderen Brennstoffpumpenblock stand schrie: „o. k., o. k., o. k.! Es ist o. k.!“ Im Nu war Flarrow oben und erfuhr den Grund für das Versagen. Die Füllungsregulierungen (Regulierzahnstangen) von vier Zylindern waren ausgehängt und damit ihrer Funktion beraubt. Bei ‚Stop’ konnte die Füllung nun nicht auf die Nullstellung gezogen werden, und der Motor musste deshalb auf vier Zylindern weiterlaufen. Das Einhängen war Sekundensache.
Flarrow rief die Brücke an: „Wir sind klar und können losfahren. Können wir noch ankern, nachdem der Lotse von Bord ist?“ - „Was war denn los, haut das denn jetzt wirklich hin, Chief?“, fragte ein aufgeregter Kapitän. „Wir haben den Fehler gefunden, alles andere später. Ich komme nach oben, wenn wir draußen sind. Vorher müssen wir aber noch auf Schäden kontrollieren.“ „O. k., dann woll’n wir mal - Voraus Langsam.“
Im Leitstand hatte sich inzwischen fast die ganze Maschinenbesatzung eingefunden. Alle glaubten, dass die Hauptmaschine etwas abbekommen hätte, und Flarrow verteilte sofort die Arbeiten. Sobald das Schiff vor Anker lag, mussten Triebwerk und Nockenwelle kontrolliert werden. Jetzt fiel auf, dass der Hauptmaschinendritte fehlte. „Lasst ihn schlafen, wenn er das nicht mitgekriegt hat, hat er es verdammt nötig“, sagte Flarrow, dem inzwischen klar wurde, dass er an dieser Geschichte schuld war. Beim Durchblasen der Hauptmaschine trat nämlich bei vier Zylindern ein schwach abgasartiges Gasgemisch aus den offenen Sicherheitsventilen aus, was sehr ungewöhnlich war. Zunächst konnte er sich das nicht erklären, er hätte auf einer Wiederholung des Durchblasens bestehen müssen. Dann aber fiel ihm ein, dass sie neben vielen anderen Arbeiten auch die Schlitze dieser Zylinder gestoßen hatten, und so glaubte er, dass es sich um Koksrückstände handeln müsste, die auf dem Kolbenboden liegen geblieben waren. Er war so verdammt müde, es war ein anstrengender Tag gewesen, dazu der Zeitdruck, auf der Brücke warteten sie auf die Meldung „Maschine klar“, und so blieb es dabei.
Die Inspektion auf der Reede von Long Beach ergab keinen Befund. Also los, es war spät genug geworden. Ehe Flarrow den Leitstand verließ, sagte er dem wachhabenden Dritten: „Ich möchte Ihren Kollegen morgen früh um Neun sprechen, richten sie ihm das bitte aus.“
Flarrow ging zum Alten, der ihm sofort einen Drink anbot. Er berichtete nun, was passiert war, und was er, Flarrow, übersehen hatte. Der Alte lächelte: „Ich hätte beinahe den Schnellschluss am Schornstein gezogen.“ - „Dann hätte das mit ‚Rückwärts’ nicht mehr geklappt. Wie viel Abstand hatten wir denn noch zu dem Munitionsschiff?“ - „Höchstens noch dreißig Meter, aber mit der Fahrt, hätte es ohne ‚Zurück’ bestimmt geknallt!“ - „Schwein gehabt, verdammtes Schwein!“ - „Ja, denn wir hatten ja auch unser Problem. Der Lotse wollte nämlich das Schiff mit den Ankern aufstoppen und beide Anker sind nicht gefallen. Dafür können die uns ganz schön einen reinwürgen, von der Hafenbehörde Long Beach, meine ich.“ - „Haben die denn überhaupt etwas gemerkt?“ - „Und ob. Alles, was am Pier stand, ging doch mit großem Hallo stiften, als wir durch das Hafenbecken rauschten, eher wie ein Schnellboot! Der Sheriff kam mit Blaulicht!“ - „Na dann wird es ernst, und wir müssen uns was einfallen lassen.“ - „Na ja, der Lotse meinte, er würde mit der Standard reden, es ist ja nix passiert.“ - „Na, gut oder auch nicht, warten wir es also ab. Für Hamburg lasse ich mir etwas einfallen, die brauchen ja übrigens die Geschichte mit den Ankern nicht zu erfahren.“ - „Na dann, nehmen Sie noch einen?“ Und da keiner ins Glas spuckte, ging Flarrow erst in die Koje, als die halbe Flasche Scotch leer war. Trotz des Alkohols lag er noch lange wach. Natürlich war alles gut gegangen, nichts passiert. Mit ein bisschen Fantasie konnte er sogar sagen, dass alles bestens geklappt hatte, und das vor allem deshalb, weil er das Umsetzen auf den örtlichen Fahrstand immer wieder geübt hatte; er hatte eben alles unter Kontrolle. -
Ja, Kontrolle, das war es. Das Durchblasen war die entscheidende Kontrolle vor dem Start, und wer hatte da versagt? Natürlich, der Dritte hatte seine Arbeit nicht korrekt gemacht, er hatte etwas vergessen. Aber wer musste das kontrollieren? Letztlich doch er. Ja, er hatte beim Durchblasen den falschen Schluss gezogen, er hatte also versagt. Sicher, er war todmüde gewesen nach einem schweren, langen Arbeitstag. Aber das war doch keine Entschuldigung! Jedem konnte das passieren, natürlich. Jedoch, er war der Chief, ihm durfte so etwas keinesfalls passieren, niemals! Er konnte sich das auch nicht verzeihen, sein Ehrgeiz ließ das einfach nicht zu, und so quälte er sich die halbe Nacht mit diesen Fragen herum, bis der Alkohol endlich wirkte und ihm einen traumlosen Schlaf schenkte.
Pünktlich um neun Uhr erschien der Dritte. Seine ganze Haltung drückte aus, wie peinlich ihm sein Versehen war. Er wollte mit einer Entschuldigung beginnen, doch Flarrow sagte: „Sagen Sie nichts, und nehmen Sie Platz. Sie haben Brennstoffventile gewechselt.“ - „Ja.“ - „Und warum haben Sie die Regulierzahnstangen ausgehängt, sagen Sie mir, wozu das gut sein soll.“ - „Das ist erforderlich für das Entlüften der Brennstoffventile.“ - „Na schön, aber das brauchen Sie doch gar nicht, wenn Sie statt dessen das Handrad am Fahrstand auf Füllung stellen.“ - „Ja, aber so geht es schneller, man muss nicht noch einmal nach unten zum Handrad.“ Flarrow begriff nun die Situation. Wenn so fleißige und gewissenhafte Leute wie der Dritte, solche Fehler machten, dann zeigte das nur, wie erschöpft sie waren und der Erholung bedurften. „Haben Sie wenigstens gut geschlafen?“, fragte Flarrow. „Von der ganzen Sache haben Sie ja vermutlich nichts mitgekriegt, oder?“ Der Dritte nickte und sagte: „Warum haben Sie mich nicht geweckt.“ – „Hören Sie, wer so erschöpft und müde ist, dass er den Krach nicht hört, den ich beim Umsteuern veranstaltet habe, der muss dringendst ausschlafen, deshalb habe ich Sie nicht geweckt.“ - „Ja, aber ich hatte doch ziemlichen Mist gebaut.“ - „Stimmt, aber diese Erkenntnis wird Sie auch davor bewahren, dass Ihnen das noch einmal passiert, und das lässt nun wieder mich ruhig schlafen.“ Der Dritte nickte überrascht, weil Flarrow ihm keinen Vorwurf machte. „Wir haben ein ganz verdammtes Schwein gehabt, wenn ich an das Schiff mit der Munition denke.“ - „Da haben Sie recht, aber ich könnte mich trotzdem in den…“ - „Schon gut, schon gut“, unterbrach ihn Flarrow, „besondere Situationen bedürfen besonderer Lösungen. Whisky oder Brandy?“ -
Später fragten die anderen Ingenieure den Dritten, wie es denn beim Chief gewesen wäre. Da meinte der schmunzelnd, sie hätten nur Brandy getrunken, sonst nichts.
Sie kamen nach Guayaquil und gingen in den gerade fertig gestellten Hafen „Puerto Nuevo“. Kein Ankern mehr auf dem Strom und damit die Möglichkeit, an der Maschine zu arbeiten. Auch die Möglichkeit, unbeschwert an Land zu gehen. Der Abend im Hotel Humboldt fiel ihm ein, das Fünf-Gang-Menue mit Klaviermusik, damals während seines ersten Besuchs in dieser Stadt. Das könnte man ja wiederholen. Chopin und Hummer - das wäre nicht so ganz schlecht, ob der Alte da mitmachen würde?“
Im Salon saß der Kapitän mit dem Ersten Offizier und den Agenten, die sagten, dass der Landgang nicht mehr ungefährlich wäre. Es hätte in letzter Zeit Überfälle mit Verletzten gegeben. In jedem Fall sollte man nur Taxis nehmen, die die Agentur schicken würde, auch für die Rückfahrt an Bord. Sicher, Gayaquil war schon immer ein heißes und nicht ungefährliches Pflaster gewesen. Einmal war im Heizerpark, wo die Leute auf die Lancha warteten, die sie zu ihren Schiffen auf dem Strom zurückbringen sollte, ein Mann auf einem Pissoir bis auf die Unterhose ausgeplündert worden, während die Gruppe quatschend daneben stand. Als der Betroffene schreiend aus dem Pissoir kam, waren die Banditen schon über alle Berge. Aber das war früher sehr selten vorgekommen. Die jetzt ausgesprochene Warnung des Agenten hatte eine andere, mehr bedrohliche Qualität, von der sich die Leute natürlich nicht abhalten ließen. Sie kamen allerdings früh zurück. Weil der Elektriker begonnen hatte, den bettelnden Kindern Geld zu geben, wurden sie von denen, die nichts abbekommen hatten, umzingelt und mit Steinen beworfen, als dem Elektriker das Geld ausging. Sie mussten die Kinder mit Gewalt vertreiben, um den Elektriker zu retten. Das aber brachte die herumlungernden jungen Männer ins Spiel, die auf so etwas nur gewartet hatten. Nach diesem Erlebnis war ihnen die Lust zum Landgang vergangen; sie kehrten also an Bord zurück.
Mit dem Versuch, für das Beladen der Schiffe auf dem Strom Elevatoren einzusetzen, hatte die United Fruit die Bananeros äußerst nervös gemacht. Sie wehrten sich gegen den drohenden Verlust ihrer Arbeitsplätze. Diebstähle und Raubüberfälle nahmen zu, und das Equipment der United Fruit wurde demoliert. Es war eine kriminelle, aber sehr wirksame Methode des Widerstandes. Nach vier Wochen waren die Elevatoren verschwunden, die Diebstähle und Überfälle hörten jedoch nicht mehr auf. Die gesellschaftlichen Verhältnisse in der ‚Bananen-Republik’ Ecuador hatten sich zugespitzt. Das war in Puerto Bolivar nicht so deutlich geworden, obwohl auch dort die Jobs knapp waren und die Bananeros entsprechend ausgenutzt wurden. In Guayaquil gab es viele Leute vom Land, die die große Stadt angezogen hatte. Es waren vor allem junge Leute, die glaubten, hier ihr Glück zu machen und nun ohne Perspektive lebten. Die nahmen sich natürlich, was sie bekommen konnten und waren nicht zimperlich. Dagegen halfen auch die Aktionen der Amerikaner nicht, die versuchten, die Verhältnisse zu stabilisieren.
Seit einigen Monaten hatten sie das Hospitalschiff SS „GOOD HOPE“, ein ehemaliger Passagierdampfer, auf dem Rio Guayas liegen. Ein Landkommando holte Alte, Kranke und Verhungernde, minderjährige und hochschwangere Mädchen ohne feste Bleibe von der Straße und brachten sie an Bord, wo sie vier bis sechs Wochen lang gesund gepflegt wurden. Kaum wieder an Land, drohten sie dem Schiff und beschimpften die Besatzung. Die Gringos, hieß es, und die Estados Unidos, die USA also, waren an all dem Elend schuld.
Am nächsten Tag schwammen sie mit einer Teilladung stromab nach Bolivar, wo komplettiert wurde. Via Panamakanal ging es nach Gulfport, wo sie die Ladung in sechs Stunden löschten.
Die Zeit drängte, weil sie noch bei Tageslicht in New Orleans eindocken sollten. Sie fanden ein etwas vorsintflutliches Dock bei BETHLEHEM STEEL vor, bekamen keinen Strom von der Werft, sondern lediglich die Kühlwasserversorgung für einen Hilfsdiesel, so dass sie den Bordstrom selbst erzeugen mussten. Flarrow hatte, wie versprochen, allen Leuten frei gegeben, weil er natürlich der Meinung war, dass im Dock die Stromversorgung von der Werft geleistet würde, und eine Hafenwache nicht erforderlich war. Nun lief ein Diesel, und er hatte keinen Wachgänger. Also übernahm er die Wache, ließ den Leitstand unbesetzt und die Tür zum Maschinenraum offen, was er den Assistenten auf Hafenwache immer verboten hatte. Das Schiff war wie tot. Wer nicht an Land war, lag in der Koje, um sich endlich einmalig richtig auszuschlafen.
Zweiundzwanzig Stunden später, kaum dass die Farbe trocken war, liefen sie den Mississippi hinunter; Destination: Guayaquil.
Obwohl das Schiff nun die 21,5 Knoten locker schaffte, blieb POLARSTERN an der Ostküste. Die Route Long Beach – Puerto Bolivar war inzwischen mit zwei neuen Kühlschiffen der Reederei HARALD SCHULDT besetzt worden. Sie waren größer, hatten deshalb etwa zehn Prozent mehr Stauraum und vor allem eine zehnzylindrige Hauptmaschine mit 14.000 PS! Das ergab dreiundzwanzig Knoten, und damit gehörten irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Fahrplan, den die beiden POLAR-Schiffe hatten, der Vergangenheit an.
Ja, dachte sich Flarrow, zehn Zylinder, das ist es, was auf POLARSTERN fehlt, als er von den Neubauten der Reederei Schuldt erfuhr.
Im Service an der Ostküste gab es drei Lade- und zwei Löschhäfen. Neben La Ceiba und Puerto Cortez noch Puerto Limon in Costa Rica und zum Löschen wurden New York und Gulfport angelaufen. Ab und zu würde man das Schiff auch nach Guayaquil schicken. Das Leben an Bord würde wegen der wechselnden Häfen abwechslungsreicher werden. Andererseits waren die Reisen erheblich kürzer. Von Cortez nach Gulfport vierundvierzig Stunden, nach New York dreieinhalb Tage; von New York nach Limon gut vier Tage. Darauf musste sich auch die Instandhaltung einstellen. Für die Grundüberholung eines Hilfsdiesels benötigte man auf POLARSTERN etwa fünf bis sechs Tage. Diese Zeit konnte reduziert werden durch Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden, was aber meist nicht reichte. Deshalb wurde nur ein halber Diesel überholt und die andere Hälfte auf der nächsten Reise. Generell waren alle Mitglieder der Maschinenbesatzung stark belastet. Neunzig Überstunden pro Monat war der Durchschnitt!
Sie trafen um Mitternacht in New York ein und ankerten in der Upper Bay bis gegen fünf Uhr, dann verholte das Schiff an die Pier. Löschbeginn war in New York immer um sechs Uhr.
Der erste Kolben war fällig, alles war vorbereitet, und da das Schiff die Nacht über vor Anker lag, konnten fast alle ausschlafen. Das Auslaufen war für achtzehn Uhr vorgesehen, sie mussten sich also ziemlich ranhalten. Hilfe einer Werft gab es nicht, dafür fehlten damals in den USA die Spezialisten für Großdieselmaschinen. Außerdem war es üblich, dass die Besatzung das Kolbenziehen selbst erledigte. Ein Problem der modernen Seefahrt waren die kurzen Liegezeiten. Während der Zeit im Hafen musste alles erledigt werden, was mit den betreffenden Agenten und Firmenvertretern von Land abzusprechen und zu erledigen war. Dazu kam noch die Brennstoff- und Schmierölübernahme; Ausrüstung und Frischproviant, waren von der Besatzung an Bord zu bringen. Die durch die Automation reduzierte Besatzung hatte also in viel kürzerer Zeit erheblich mehr zu erledigen. Das erforderte gute Organisation und für die Besatzung sehr oft den völligen Verzicht auf Landgang.
Kaum, dass die Hauptmaschine etwas abgekühlt war, begann die Arbeit. Alle legten sich mächtig ins Zeug, und Flarrow, der im Salon mit Roland Marine, dem Schiffshändler und dem Agenten der Standard Fruit zu tun hatte, war zappelig und mit seinen Gedanken beim Kolbenziehen in der Maschine. Besonders wichtig waren nämlich die Ergebnisse der Verschleißmessungen. Würde der Verschleiß an der Zylinderlaufbuchse messbar zugenommen haben, seit er die Zylinderschmierung reduziert hatte?
Ersatzteile, die in New Orleans das Schiff wegen der verkürzten Werftzeit nicht mehr erreicht hatten, kamen an Bord. Eine sofortige Prüfung der Lieferung war natürlich nicht möglich, und Flarrow war froh, dass die Leute von Deck das Anbordbringen erledigten. Storekeeper und Bootsmann verstanden sich eben gut, was zu Hause als gute Zusammenarbeit gefeiert wurde. An Bord verlor man darüber kein Wort.
Gegen achtzehn Uhr hatten sie es geschafft und machten gerade seeklar, als ein einmaliges „Plopp“, welches aus der Schalttafel kam, zu hören war. Der Elektriker öffnete das betreffende Generatorfeld, und Flarrow stand genau vor dem Hauptschalter von Generatorfeld I, als ein Kurzschluss seinen Kopf in einer meterlangen Stichflamme verschwinden ließ. Feuer brach aus. Die Flammen schossen knisternd an die Decke. Ein Assistent riss den nächsten Trockenlöscher von der Wand und erstickte den Brand. Eine sofort herbeigerufene Spezialfirma konnte keinen Ersatz für den verbrannten Hauptschalter liefern, weshalb Generator I zur Stromerzeugung zunächst ausfiel. Ersatz gab es eben nur in Deutschland. Damit konnten sie aber eine volle Ladung Bananen nicht mehr kühlen, und so würde Luke I auf dieser Reise leer bleiben. Die Standard Fruit machte entsprechende Abstriche bei der Chartergebühr, und damit war die Sache erledigt.
Am späten Abend liefen sie endlich aus. Zuerst ein Stück East River, dann durch die Upper Bay. Bevor sie die Verrazano Narrows Bridge passierten, begann der Nebel, in dem die riesige Brücke völlig verschwand. Trotz Radar und Lotsenunterstützung schlichen sie nun im betonnten Fahrwasser Ambrose Channel dem Lotsenschiff entgegen, begleitet vom Tuten der Heultonnen. Der Lotse ging von Bord, und eine Stunde später hatten sie auch die Nebelbänke endlich hinter sich.
Flarrow spürte seine Beine kaum noch, er war wieder einmal über vierundzwanzig Stunden auf den solchen. Aber das ging schließlich allen so, die beim Kolbenziehen zehn Stunden ohne Pause durchgearbeitet hatten. Er blickte in todmüde blasse Gesichter, die am Ende ihrer Kräfte waren. Seine Augen begannen zu brennen, der verbrannte Hauptschalter brachte sich so in Erinnerung. Es wird Zeit, die Augen zu spülen, dachte er, während er den Leitstand verließ. Zwei Stunden später hielt er die Schmerzen nicht mehr aus und rief den Kapitän an. Der besah sich die entzündeten Augen, murmelte etwas von UV-Strahlung und empfahl Augenspülung mit warmem Wasser. Mehr gab die Bordapotheke nicht her. Das langte natürlich nicht, weshalb er schließlich Morphium spritzte, was Flarrow endlich einschlafen ließ.
Vom Klappen einer Tür wurde er wach, der Zweite Ingenieur war hereingekommen, um nach ihm zu sehen. Flarrow nahm den feuchten Verband ab und merkte, dass es noch dunkel war. Da musste der Zweite doch eigentlich auf Wache sein? Aber der sagte sofort: „Unten ist alles klar, wie geht es Ihnen?“ Da entdeckte Flarrow, dass die Fenstervorhänge zugezogen waren. „Danke. Ziehen Sie bitte die Vorhänge zurück, es ist ja schon heller Tag.“ - „Mittag, um genau zu sein. Sie haben tief geschlafen.“ Das grelle Tageslicht stach ihm in die Augen, die sofort zu tränen begannen. Alles, was er sah, war verschwommen, undeutlich und trüb. Er begann die Augen zu reiben, aber es wurde nicht besser. Blitzartig wurde ihm klar, dass seine Augen nicht mehr in Ordnung waren; beschädigt von der Stichflamme gestern Abend. War er mit solcher Beschädigung noch seediensttauglich? Und die Angst stieg in ihm hoch. Inzwischen hatte der Zweite die Vorhänge wieder zugezogen, was Flarrow Erleichterung verschaffte.
Der Kapitän erschien, fragte nach dem Befinden und sagte ihm, dass er am besten liegen bleiben und die Augen abdecken sollte: „Feuchte Umschläge und Ruhe helfen am besten.“ Aber Flarrow wurde den Gedanken an die mögliche Seedienstuntauglichkeit nicht los und quälte sich damit herum. Was würde sein, wenn? Freilich, reden konnte er mit niemandem darüber, und in seiner Fantasie tauchte eine unglückliche Person auf, die an einem einsamen Pier stand und traurig den vorbeifahrenden Schiffen nachblickte. Am Abend kam er mit einer Sonnenbrille in die Messe, und vor dem Einlaufen in La Ceiba behauptete er plötzlich, alles sei wieder ‚O. k.’, obwohl dem nicht so war. Der Zustand besserte sich aber langsam, und am Ende der Reise in New York war seine Sehkraft nicht mehr eingeschränkt. Das war das Ergebnis einer gründlichen Untersuchung durch einen Spezialisten, der ihm aber klarmachte, dass er großes Glück gehabt hatte und nur um Haaresbreite an einer bleibenden Netzhautbeschädigung vorbei gekommen war.
In New York wurde der Kapitän vorzeitig abgelöst. Er sollte anstelle eines plötzlich erkrankten Kollegen eines von den neuen Schiffen übernehmen. Das war per Funkspruch vierundzwanzig Stunden vor dem Einlaufen in New York mitgeteilt worden.
Als Flarrow vom Augenarzt zurückkam, waren der neue Kapitän und der Leiter der NTA bereits an Bord. Letzterer war überraschend aus Hamburg angereist. So etwas wurde an Bord immer als Kontrolle empfunden und war deshalb nicht sonderlich beliebt. Er begrüßte Flarrow freundlich, aber sehr distanziert, was irgendwie komisch wirkte. Noch schlimmer tat es der neue Kapitän. Auf eine plump vertrauliche Art, die schon fast peinlich war, sagte er: „Soo, einen guten Chief haben wir hier?“ Flarrow mochte eine solche Lobhudelei, die obendrein nicht ehrlich gemeint war, überhaupt nicht und schwieg. Ein Händedruck mit dem neuen Kapitän, das war das Höchste, was man ihm entlocken konnte.
Der Leiter der NTA war ein Verwaltungsmann mit Prokura, kein Fahrensmann, und er fragte wiederholt, warum der Chief nicht zum gemeinsamen Mittagessen erschien, es gäbe doch noch einiges zu bereden. Der war jedoch in der Maschine tätig. Neben anderen Arbeiten, die im Arbeitsplan aufgelistet waren, hatte er sich auch die Auswirkungen des Spülluftkanalbrandes von vor zwei Tagen anzusehen, eine Inspektion, bei der wegen der Verhältnisse im Spülluftkanal, Schmutzgeld gezahlt wurde. Da war es schon zeitlich günstiger, in der Schweinchenmesse zu essen, wo man sich nicht umzuziehen brauchte. Der Alte kam und machte ihm klar, dass es klüger wäre, wenigsten zum Kaffee im Salon zu erscheinen, was er daraufhin auch tat. Dort sah es mehr nach Hofhaltung aus, und der NTA-Chef ließ durchblicken, dass er von seinen Mitarbeiten schon erwartete, dass sie bei seinen Besuchen an Bord präsent wären, ohne, dass man sie besonders dazu auffordern müsste. Flarrow bewertete dagegen seine Arbeit als wichtiger und war deshalb nicht bereit, wegen eines solchen unangemeldeten Besuchs seine wichtige Arbeit zu unterbrechen. Er glaubte, dass die Erfolge und seine Tätigkeit als Selbstdarstellung genügen würden. Doch damit schätzte er den Prokuristen völlig falsch ein und sammelte so auch keine ‚Sympathiepunkte’, zumal dieser Vorgesetzte nicht viel von Technik verstand. Wenn auch die vom Leiter der NTA gewünschte Anwesenheit doch noch zu einem sachlichen Gespräch auf einer etwas freundlicheren Ebene verhalf, allerdings oft unterbrochen von den überflüssigen und altklugen Bemerkungen des neuen Kapitäns, der hemmungslos um die Gunst des Prokuristen buhlte, ein Vertrauensverhältnis entstand dabei nicht.
Kurz vor dem Auslaufen gab es dann plötzlich Hektik, weil sich der Leiter der NTA plötzlich entschlossen hatte, zusammen mit dem abgelösten Kapitän nach Deutschland zurück zu fliegen, die Agentur eine Umbuchung vornehmen musste, und der Prokurist, ohne sich zu verabschieden, an Land ging.
Die Reise ging nach Puerto Limon, und der neue Kapitän verbreitete seine besondere Art von Geselligkeit im Schiff. In seinen Erzählungen spielte er fast immer die Hauptrolle; dafür kümmerte er sich weniger um den Betrieb, und in den Häfen hielt er die Agenturen auf Trab. Er war nicht unbeliebt, aber da Flarrow merkte, dass ihm im Grunde seine Besatzung ziemlich egal war, gab es aus seiner Sicht auch keinen Grund, eine Annäherung zu ihm zu suchen.
Für die nächsten Monate sollte POLARSTERN an der Ostküste bleiben und in New York löschen. Weil in den Ladehäfen Limon, La Ceiba und Cortez nur nachts geladen wurde, gab es längere Hafenzeiten und damit mehr Landgang. Das brauchte die Crew auch, denn sie waren nun bereits neun Monate unterwegs. Seit März gab es zwar Auslandszulage in Höhe von fünfunddreißig Prozent auf die Heuer, doch das war nur ein schwacher Trost für viel Arbeit, wenig Ruhe und Enthaltsamkeit. Da die fälligen Arbeiten an der Hauptmaschine überwiegend in New York durchgeführt wurden, wo es hin und wieder Liegetage dafür gab, boten die Ladehäfen ausreichend Zeit für den Landgang. Das hielt die Stimmung aufrecht.
Die Reisen waren kurz, alle zehn Tage in New York, aber auch alle zehn Tage in Limon oder La Ceiba und Cortez bei freundlichen Mädchen und anderen Leuten. Der Sommer kam und mit ihm blauer Himmel und ruhige See, angenehme Tage eben, die das Leben erleichterten.
Die Ablösungen begannen Ende Juni. Der Zweite Ingenieur musterte Mitte August ab, weil sein C6-Lehrgang Anfang September beginnen sollte. Die beiden Dritten waren bereits eine Reise früher abgelöst worden. Flarrow hatte ebenfalls sein Urlaubsgesuch eingereicht, aber keine Bestätigung bekommen.
Im Verlauf des Sommers hatten sie mehrere Spülluftkanalbrände, die trotz gründlicher Reinigung immer wieder auftraten. Dank elektronischer Überwachung, die die Brände immer im Anfangsstadium meldete, gab es außer Verspätungen keine Schäden.
An einem Sonntagvormittag, Flarrow drehte seine Runden auf dem Achterdeck, kam der Funker und fragte: „Was halten Sie von einem kleinen Frühschoppen mit Becks Bier und Doornkat?“ - „Nicht schlecht, wenn man noch Becks hätte.“ - „Hat man, kommen Sie bitte mit.“ Der Funker holte tatsächlich Becks aus seinem Kühlschrank. „Die letzten fünf Flaschen, und da Sie ja bald in Urlaub gehen, sollten wir die nun lenzen.“ Und es schmeckte trotz der langen Lagerzeit noch immer vorzüglich. Der Funker, ein Elektronikfreak, kam auf einmal auf die Brückenautomatik zu sprechen. „Wissen Sie, dass ich die Brückenautomatik beeinflussen kann, wenn ich mit voller Leistung sende?“ Flarrow glaubte zunächst, sich verhört zu haben, aber sie hatten gerade einmal zwei Bier und Korn getrunken! „Sagen Sie das noch einmal, Sie können durch Induktion oder so, Fahrbefehle mit der Funkerei geben?“ - „So ist es, und da Sie ja bald von Bord gehen, wollte ich Ihnen das nicht vorenthalten. Der Kabelschutz von der Brücke zum Leitstand ist einfach zu schwach ausgelegt worden. Wahrscheinlich haben die auf der Werft nicht mit unserer starken Funkanlage gerechnet.“ Flarrow dachte an die viele Stunden vergeblicher Fehlersuche und war schon drauf und dran, dem Funker seine Meinung zu geigen. Doch dann besann er sich, lächelte und sagte: „Kann es sein, dass Sie manchmal etwas vergessen haben und deshalb funken müssen, auch wenn wir im Hafen liegen? Was ja meines Wissens nicht erlaubt ist.“ - „Ja“, meinte der Funker schmunzelnd, „das kann durchaus vorkommen, allerdings, in New York würden die mir sofort meine Lizenz wegnehmen.“ - „Aber notfalls im Panama-Kanal beispielsweise?“ Der Funker lachte: „Beispielsweise im Panama Kanal, ja.“ Natürlich hatte der Funker längst diesen Fehler beseitigt, aber niemandem davon erzählt. Damit waren auch die bisherigen Störungen beim Fahren der Hauptmaschine von der Brücke, die Flarrow große Sorgen gemacht hatten, endlich gelöst. „Eigentlich müsste ich Ihnen den Kopf abreißen. Deshalb müssen Sie noch einen doppelten Doornkat ausgeben, bevor wir essen gehen.“
Mit der Ablösung des Ersten Offiziers kam ein Mann an Bord, mit dem sich Flarrow auf Anhieb gut verstand. Die Reederei teilte Flarrow endlich mit, „seine Geschäfte für Mitte September übergabereif“ zu haben. Das bedeutete, dass sein Urlaub genehmigt war. Der neue Zweite machte ihm das Leben schwer, weil er in allem sehr zurückhaltend war. Er sprach wenig und ließ sich alles aus der Nase ziehen, beschwerte sich aber gleichzeitig darüber, dass sein Chief, misstrauisch geworden, ihm dauernd auf die Finger schaute. Sollte doch der Chief sehen, wo er seine Informationen her bekam, schließlich brauchte der ja auch nicht alles zu wissen. Seine Wache ging er, aber nach der Wache noch einmal durch die Deckshäuser? Dafür gab es doch einen Kühlmaschinisten.
In Limon gab es in Hafennähe einen Kiosk, wo man Kaffee und Bier bekommen konnte. Er gehörte einer freundlichen schwergewichtigen resoluten und tiefschwarzen Dame namens Maria. Als Flarrow eines Morgens dort vorbeikam und einen Kaffee bestellte, hielt sie ihm die Zeitung unter die Nase und sagte ganz aufgeregt: „Guerra, guerra en el Alemania!“ Flarrow nahm die Zeitung und verstand, dass die Sowjets in der Tschechoslowakei einmarschiert waren. Auch Truppen der Nationalen Volksarmee der DDR waren an dem Unternehmen beteiligt. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder. Kam es zum Krieg in Europa? Und die Eltern mitten drin und allein! Würde der Krieg sich ausweiten, Amerika eingreifen, ein Atomkrieg vielleicht sogar? Mit solchen Gedanken ging er zurück an Bord, wo ihn der Funker beruhigen konnte. Die Warschauer-Pakt-Staaten waren am 21. August 1968, also vor zwei Tagen, einmarschiert, und die Westmächte würden deswegen, wie auch schon in Ungarn keinen Weltkrieg riskieren. Was bei Flarrow haften blieb, war die Erkenntnis, dass seine Eltern allein waren, und er nicht da war, um, wie er meinte, seine Pflicht zu tun und ihnen zu helfen.
Und dann kam endlich der Tag, an dem auch seine Ablösung in New York am Pier stand. Es war der Zweite, der ‚Berater’, den sie auf der Ausreise von Bremen nach New York zur Unterstützung mit hatten. Er erledigte die Übernahme kurz und bündig. „Ich kenne ja POLARSTERN länger als Sie, und im Übrigen weiß ich schon selbst, was ich hier tun muss.“ Da erübrigte sich jedes weitere Wort.
Flarrow drückte seinen Leuten die Hand, was bei Onkel Rudolf etwas länger dauerte, und ging an Land. Roland Marine hatte auf seine Bitte hin ein Hotel in Lower Manhattan gebucht. Von seinem Zimmer im zwanzigsten Stockwerk aus sah er POLARSTERN die Verrazano Narrows Bridge passieren. Er sah ihr nach, bis sie von dem weiter draußen dicht über dem Wasser lagernden Nebel verschluckt wurde. Dann atmete er auf, fühlte sich frei, befreit gewissermaßen und doch gleichzeitig auch bedrückt. Ein Seemann an Land, ohne Schiff - das war er nun geworden. Und was war schon ein Seemann ohne Schiff?
Drei Tage durchstreifte er fröhlich New York, verabredete sich mit einer deutschen Sekretärin, die bei Roland Marine beschäftigt war, sah Turandot in der Metropolitan und in einem geliehenen Smoking; anschließend Dinner im Deutschen Viertel, irgendwo auf der West 57th Street.
Als er sein Zimmer bezahlen wollte, war dies bereits von Roland Marine erledigt worden. Eine Anerkennung, für die sich Flarrow herzlich bedankte. Ein Taxi brachte ihn zum John-F.-Kennedy-Airport, und die große innerliche Ruhe, die ihn auf einmal überkam, ihn völlig ausfüllte, sorgte dafür, dass er bereits eingeschlafen war, ehe das Flugzeug noch das Festland verlassen hatte.
In Hamburg, das er am folgenden Morgen erreichte, meldete er sich zum Abschlussgespräch im Hamburg-Süd-Haus in der Ost-West-Straße. Was Flarrow überraschte, war, dass man ihm nun endlich einmal nach seiner Meinung fragte, ihm zuhörte. Zuerst zweifelte er, ob das wirklich ernst gemeint war, dann aber glaubte er es und tat kund, was aus seiner Sicht zu besprechen war. Der Leiter der NTA lobte ihn ausdrücklich und teilte ihm mit, dass man seine Leistung im Dienst der Reederei mit einer Prämie von DM 750,-- anerkannt habe. „Und nun machen Sie erst einmal Urlaub und erholen Sie sich gut.“ Damit war er entlassen.
Als sich der D-Zug nach Kassel in Bewegung setzte, begann er zu rechnen. Nach gut zwanzig Monaten hatten sich fast hundert Tage Urlaub und Freie Tage angesammelt. Mit ein bisschen Glück würde er Weihnachten zu Hause verbringen können. Wahrscheinlicher wäre es aber, dass er schon vorher wieder eingesetzt würde, denn der Reederei war ja bekannt, dass er ledig war.
Laut Seefahrtbuch hatte er auf POLARSTERN zwölf Monate und vierzehn Tage „gedient“, so stand es in seinem Seefahrtbuch. In dieser Zeit hatte das Schiff rund 145.000 Seemeilen zurückgelegt. Das hieß, mehr als sechseinhalbmal um die Erde! Dann erinnerte er sich an seine Prämie, die etwa dreißig Prozent seines Tarifgehaltes ausmachte, zog das Schreiben der Reederei aus der Tasche und las: „Während Ihres Einsatzes in den vergangenen 12 Monaten auf unserem KMS POLARSTERN haben Sie sich durch vorbildliche Leitung des Ressorts Maschine ausgezeichnet, wofür wir Ihnen verbindlichst danken möchten. Die damit zum Ausdruck kommende Verbundenheit zur Reederei freut uns ganz besonders. Wir haben uns daher entschlossen, ihnen eine Prämie…“
Flarrow blickte auf, sah aus dem Fenster. Die Norddeutsche Tiefebene, hin und wieder belebt durch ein paar weidende Rinder, zog vorbei. War die Welt nicht schön? Vorbildliche Leitung des Ressorts Maschine - sie hatten seine Arbeit anerkannt. Das war ihm für einen Moment beinahe wichtiger als die Prämie!
Zu Hause gab es die üblichen Schwierigkeiten mit dem Landleben. Die Eingewöhnung dauerte. Er kaufte sich ein Auto, einen weißen VW-1600, der mit dem Kofferraum über dem Heckmotor. Freunde gab es nicht mehr viele, auch die, die er anrief, hatten wenig Zeit. Einmal luden sie ihn zu einem Kegelabend ein, aber irgendwie war es nicht mehr so wie früher.
Stolz aber war sein Vater, der immer wieder das Schreiben der Reederei las und sich vor allem über das Wort ‚vorbildlich’ freute. Er war eben ein preußischer Lokführer! Beim Frühschoppen im Kleingartenverein sprach er voller Stolz darüber. „Dein Sohn? Gibt’s den überhaupt? Dann bringe ihn doch mal mit. Wer weiß denn, ob es den überhaupt noch gibt. Ist ja schon so lange her, dass man ihn gesehen hat“, sagte einer. Das wollte der Vater natürlich, und Flarrow, nicht begeistert, sagte zu. Als es dann am Sonntagvormittag losgehen sollte, wurde er gebeten, doch bitteschön in Uniform zu erscheinen. „Ich möchte das diesen Schwätzern vom Stammtisch einmal zeigen. Andauernd loben sie ihre Kinder über den grünen Klee, und mir sagen sie, du wärst ja nie hier und überhaupt, so ein Beruf wäre doch gar nichts. Nur andauernd unterwegs.“ Also betrat Flarrow in seiner blauen Uniform die Kneipe. Der Wirt, ein Torpedomechaniker aus dem Krieg, stand sofort stramm, und Flarrow grüßte militärisch zackig. In der Kneipe wurde es still, und der Stammtisch lud ihn sofort ein. Flarrow nahm neben seinem Vater Platz, der die Szene natürlich genoss. Der eifrige Wirt begrüßte ihn überfreundlich mit den üblichen Floskeln, und der Stammtisch stellte Fragen über Fragen. Dann sagte einer, dass er das auch gerne gemacht hätte mit der Seefahrt, aber leider sei seine Mutter plötzlich erkrankt, und dann hätte er seine Frau kennen gelernt, da wäre es vorbei gewesen mit der Seefahrt. „Ja“, sagte Flarrow, „Da habe ich aber Schwein gehabt, dass meine Mutter gesund geblieben ist.“
Zu Hause strahlte Mutter, als der Vater erzählte, wie sie alle gestaunt hätten. „Denen haben wir es doch einmal richtig gezeigt, nicht wahr?“
Mit dem Auto ging er nach fünf Wochen zu Hause auf Reisen. In einem späteren Brief an einen Freund schrieb er:
„Mir war es besonders wichtig, einmal unabhängig und ‚zeitlos’ zu sein. So bin ich denn losgezogen. Odenwald, ein Stück den Main entlang durch viele kleine Dörfer und Wald, Wald, Wald. Im Neckartal zum pensionierten Chief Aumüller, bei dem ich zwei Tage blieb, weil es so viel zu erzählen gab. Von Heidelberg über Rothenburg ob der Tauber, Donaueschingen nach Konstanz.
Auf dem Bodensee gab es mehr Nebel als im Englischen Kanal! Die Berge zeigten sich nicht. Nach vier Tagen ging es dann weiter nach Zürich und Schaffhausen. Begeistert hat mich übrigens die Insel Mainau, dort war viel tropische Flora zu sehn. Ich hätte nie gedacht, dass Deutschland so schön ist, selbst im November. Die Schifffahrt auf dem See war natürlich schon eingestellt, aber die Fähren liefen noch. Sie haben alle moderne Radargeräte, was auch nötig ist.
Der Rheinfall bei Schaffhausen sieht im Kino schöner aus als er wirklich ist. Am Rhein abwärts habe ich mir Säckingen mit der mittelalterlichen Brücke angesehen und beschlossen, in diesem Ort zu übernachten. Das nächste Hotel war gut dafür, dachte ich, und spazierte hinein. Nach einem Bier fragte ich nach einem Zimmer. Der Kellner antwortete mit hochgezogenen Brauen: „Für Leute wie Sie haben wir keine Zimmer.“ Da war ich ganz schön platt. Natürlich war das ein feiner Laden und ich nur in Jeans und dem Hemd von gestern, war sicher nicht passend gekleidet, aber stinksauer. Deshalb bezahlte ich mein Bier mit einem Hundertmarkschein und ließ den Kellner dabei ein bisschen in mein Portemonnaie sehen. Da wurde der Fatzke auf einmal wach und sagte: „Ich glaube wir haben doch ein Zimmer für sie.“ Ich war natürlich sprachlos, habe ihm das Nötige gesagt und natürlich auch kein Trinkgeld gegeben. Er musste mir bis auf den letzten Pfennig auf den Hundertmarkschein herausgeben.
Dann fuhr ich in den Hotzenwald hinein, wo ich auf fast tausend Meter im Dorf Wehrhalden einen Bauerhof mit Pension fand. Dort war es sehr schön; - Vollpension für zwölf Mark und fünfzig!
Am Wochenende gab es Kirchweih mit viel Kirsch, ein bisschen Rauferei und hübsche Schwarzwaldmädchen, die genauso so scharf sind wie die Damen in Mittelamerika. Nach vier Wochen unterwegs bin ich gut erholt und fit, habe aber noch gut vier Wochen Urlaub - .“
In Kassel wurde es langsam weihnachtlich, und die Eltern freuten sich, dass der Sohn zu Mutters Geburtstag und zu Weihnachten daheim sein würde. Den zog es aber so langsam wieder an die Küste zu den Schiffen, doch darüber sprach er nicht und langweilte sich im Stillen.
Der Anruf kam am fünfzehnten Dezember. „Sie sollen wieder auf POLARSTERN einsteigen, ginge das vielleicht etwas früher, bevor sie ihre freien Tage abgefeiert haben?“ - „Wenn das sein muss, natürlich.“ Flarrow war nicht überrascht. Er wusste, dass die Reederei, wann immer möglich, die Verheirateten hinsichtlich der Sommer- und Weihnachtsurlaube bevorzugte, was er gut verstand. „Ihr Kollege auf der POLARLICHT ist nämlich heute Nacht Vater geworden. Wenn Sie mitspielen, könnten Sie in La Ceiba einsteigen, und Ihr Vertreter würde dann im Panama Kanal auf der LICHT ablösen. Dann könnte der frisch gebackene Vater am Heiligen Abend zu Hause sein. Das wäre doch eine Riesenüberraschung für die Familie, nicht wahr?“ - „Wann soll es den losgehen?“ Sie müssten morgen Vormittag in Hamburg sein, wenn alles klappen soll. Wir brauchen wegen der Visa Ihren Reisepass, und sicher haben Sie noch mit der NTA einiges zu besprechen.“
Flarrow packte seinen Koffer. Die Enttäuschung der Mutter machte ihm ein schlechtes Gewissen, aber innerlich freute er sich, dass es endlich wieder losging. Am nächsten Tag in Hamburg fuhr der Technische Direktor mit ihm zu Firma TACKE, und dort bekam Flarrow vier neuartige Nadelelemente für die Brennstoffventile der Hauptmaschine auf POLARSTERN zu sehen. Der Technische Direktor lächelte. „Das haben Sie angestoßen, Sie haben über die kurzen Standzeiten dieser Dinger gemeckert und auf die fehlerhafte Konstruktion hingewiesen. Nun haben wir einmal Ingenieurarbeit geleistet, und das ist das Ergebnis. Sie werden die Dinger testen und mir berichten.“ Flarrow war überrascht, die zu Hause hatten sich Gedanken gemacht? Und der Technische Direktor sagte noch: „Auf Ihrem Schiff scheint soweit alles o. k. zu sein, wir hören nicht viel von der ‚STERN’.“
Ein Mitarbeiter der Personalabteilung brachte ihn zum Flughafen, da er eine Menge Übergepäck, im Wesentlichen wichtige, hochwertige Ersatzteile, hatte. Der Flug wurde zu einem besonderen Erlebnis. Es begann mit dem Umsteigen in New York. Der Anschlussflug nach Miami startete mit mehr als vier Stunden Verspätung. In Miami sollte der Weiterflug mit HONDURAS NATIONAL AIRLINE (TACA) weitergehen. Trotz der Verspätung konnte er diesen Flug gerade noch erreichen, aber am Schalter sagte man ihm, dass auch dieser Flug „about four hours late“ wäre. Die Reiseabteilung der Hamburg-Süd hatte vorsichtshalber im Airport-Hotel ein Zimmer für ihn gebucht. Flarrow überlegte nicht lange und ging in das Hotel, er war natürlich todmüde. Nach einer ausgiebigen Dusche telefonierte er mit dem Operator und bat, ihn um fünf Uhr dreißig zu wecken. Der Operator zögerte: „Sir, it’s now four thirty“. Aber Flarrow machte klar, dass er todmüde sei.
Um sechs Uhr stand er am Schalter der Honduras National, der geschlossen hatte. Da zahlreiche Passagiere schon versammelt waren und niemand nervös war, wartete auch Flarrow geduldig. Er hatte Zeit, die Leute zu studieren. Miami war für die etwas betuchteren Honduraner so etwas wie ein Shopping Center. Manche kauften auch hier ein, um die Waren in Honduras wieder weiter zu verkaufen. Um acht Uhr sagte Honduras National Airline den Start für zehn Uhr an, wiederum um vier Stunden verspätet. Flarrow war gespannt, er musste ja schließlich sein Schiff erreichen, das nicht auf ihn warten würde. Er machte sich Sorgen um sein Gepäck, aber wen und wo er auch fragte, alle waren freundlich und meinten, das wäre schon alles o. k. Die DC6, eine viermotorige Turbopropmaschine stand auf dem Vorfeld, wo die Passagiere einstiegen. Damals lief man noch über den Platz zum Flugzeug! Die Maschine war zu etwa siebzig Prozent besetzt, was überraschte, weil vor dem Abfertigungsschalter viel mehr Leute gestanden hatten. Ein Teil davon waren natürlich zahlreiche in den Staaten lebende Verwandte. Manche gingen mit bis zur Gangway des Flugzeuges, weil sie halfen, das umfangreiche Handgepäck von Onkel und Tante zu tragen. Flarrow sah den Flugingenieur unter einem Triebwerk werkeln, der als Letzter einstieg, Oelflecken auf seinem weißen Hemd. Die Motoren sprangen an, und die Maschine rollte zum Start. Weil offenbar die Klimaanlage nicht funktionierte, gab es einige Lüfter, die mehr oder weniger provisorisch an den Handgepäckkästen befestigt waren. Einer fiel wegen Vibrationen beim Abbremsen in den Gang, was niemanden aufregte. Die Passagiere rauchten auch beim Start, obwohl die Anschnall- und Nichtraucherzeichen hell leuchteten. Kaum, dass die Maschine abgehoben hatte, kamen zahlreiche Stewardessen mit Sandwiches und Getränken. Flarrow, der kein Frühstück gehabt hatte, schlug da kräftig zu. Alkoholfreie Getränke gab es nicht. Der Whisky-Soda kam offensichtlich aus einer großen Kanne, und als die Stewardessen merkten, dass Flarrow hungrig und durstig war, versorgten sie ihn sehr aufmerksam und fleißig. Zigaretten gab es allerdings nicht. Flarrow rauchte seine letzte Pall Mall und sah sich die Welt von oben an. Dabei entdeckte er, dass das äußere Backbordtriebwerk eine schwache Fahne zog. Es verlor irgendetwas, wahrscheinlich Oel. Da die Stewardessen kein Englisch verstanden, radebrechte er auf Spanisch und zeigte auf das Triebwerk Backbord außen. Das entlockte aber den Mädchen nur ein Lächeln. Es wäre „todo bien senior, no mas problemas“. Die Dame auf dem Nebensitz, eine Engländerin um die Vierzig, schaltete sich ein und machte Flarrow klar, dass er keine Sorge haben müsste, alles wäre o. k. Sie würde diese Strecke oft fliegen und wüsste, dass das Personal sehr gut wäre. Ihr Mann würde in Belize als Ingenieur arbeiten, von dem wüsste sie das. Dann kam die Frage „Private or Business“ und als Flarrow sich erklärt hatte, lebte sie richtig auf. Sie sagte, dass sie die Männer von der Marine mögen würde, sie wären so nett „like my husband“. Und so verging die Zeit bis zur Landung in Belize, wo die meisten Leute ausstiegen, recht schnell.
Flarrow bekam einen Tipp, sich an einem Kiosk in der Abfertigungshalle Zigaretten zu kaufen, und der Flugingenieur half beim Auffüllen von Schmieröl am äußeren Triebwerk Backbord persönlich mit. Zigaretten gab es nur stangenweise, wenige Sorten, Pall Mall war nicht dabei. Flarrow hatte gerade seine Stange Camel bezahlt, als das Gepäck vorbei geschoben wurde. Einer von seinen zwei Koffern lag auf dem Wagen! Obwohl es der einzige Koffer mit einem blauen Label wahr, blau stand für Tegucigalpa, dauerte es, bis der Koffer wieder zum Flugzeug zurückgebracht wurde. Die beiden Gepäckmänner glaubten nämlich, dass Flarrow den Koffer klauen wollte, und machten ein Riesenpalaver.
Inzwischen hatten die Triebwerke wieder die vorgeschriebene Oelmenge, so dass sie nach Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, starten konnten. Es gab erneut Sandwiches und Getränke. Dann wurde gefragt, wer von Tegucigalpa aus weiterfliegen würde und wohin. Flarrow gab La Ceiba an. In Tegucigalpa wurde sein Gepäck auf dem Flugfeld in eine zweimotorige Chessna umgeladen, die in der Nähe parkte. Flarrow musste auf dem Copilotensitz Platz nehmen, weil die Maschine voll besetzt war. Der Pilot entschuldigte sich dafür, aber Flarrow freute sich darüber. Kaum waren sie in der Luft, schien der Pilot einzuschlafen. Er hatte die Automatik eingeschaltet. Nach einer halben Stund Flugzeit wurde er plötzlich wach und ging zum Sinkflug über. Flarrow sah nun aus der Vogelschau, wo die Bananen wuchsen, die sie als Ladung an Bord bekamen. Die kleine enge Landebahn mitten in der Plantage entdeckte Flarrow erst im letzten Augenblick, als sein Puls schon auf neunzig war. Sie landeten auf dem Punkt und sicher. Teufelskerle, diese Buschpiloten!
Als er ausstieg, nun auf Meereshöhe, schlug ihm die feuchte Luft und der vertraute Geruch des Dschungels entgegen. Angekommen! dachte Flarrow. Die Reise hatte fast dreißig Stunden gedauert, er war rechtzeitig angekommen und würde sein Schiff erreichen.
Die Abfertigung bestand aus der Passkontrolle, die ein Zöllner erledigte, den er schon oft auf POLARSTERN gesehen hatte. Er wurde sofort durch gewunken, und damit war auch die letzte Hürde für die Ersatzteile, die er mitbrachte, genommen. Das war natürlich eine Erleichterung.
Vor der Abfertigung stand ein Schild mit einer Notice für ihn. Ein Taxifahrer wartete und sagte, dass im Hotel ‚San Francisco’ ein Zimmer für ihn reserviert wäre. Noch eine knappe Stunde bis Sonnenuntergang, da wurde es Zeit, und deshalb half er dem Taxifahrer, sein Gepäck im Ford zu verstauen. Im Hotel wartete man schon auf ihn. Der Majordomo gab ihm den Schlüssel, und eine schon etwas betagte Dame zeigte ihm sein Zimmer, das man direkt von der Straße aus betreten konnte. Er sah zwei Kopfkissen nebeneinander auf dem Bett liegen, und sie lächelte darüber, zeigte auf die Tür zur Straße und murmelte so etwas wie: „Ihr jungen Leute schlaft ja doch nie allein.“ Da wären zwei Kopfkissen bequemer, und man könnte sie den Mädchen auch unter den Hintern schieben. Das würde sie besonders heiß machen.
Flarrow ging nun sofort zum nahen Hafen, wo er erfuhr, dass POLARSTERN für morgen früh sechs Uhr avisiert war. Derzeit wurde die „COSTA RICA MARU“, ein Kühlschiff unter Liberiaflagge, ebenfalls in Standard-Charter, beladen. Sie sollte nach Mitternacht auslaufen.
Nicht weit vom Pier entfernt hatte Senor Alexander seinen Bar-y-Restaurante-Laden. Den hatte Flarrow schon oft für einen letzten Drink besucht, wenn er von seinen kurzen Landgängen zurückkam. Alexander staunte nicht schlecht, Flarrow in La Ceiba zu sehen. Er hatte gemerkt, dass er nicht mehr an Bord von POLARSTERN war, aber das war nichts Besonderes. Seeleute kamen von den Schiffen an Land, tranken ihren Cuba Libre und redeten nicht viel. Genauso verschwanden sie wieder, meist ohne ‚Adios’ zu sagen. Alexander fragte deshalb überrascht: „Que barco, a donde su barco, senor jefe?” Flarrow erzählte es ihm, fragte nach einem Abendessen und verlangte Bier. Später saß er im kleinen Garten, schaute hinaus auf die nachtschwarze See, aus der in ein paar Stunden POLARSTERN auftauchen würde. Dabei stellte er fest, wie wohl er sich in dieser Welt fühlte, in die er morgen wieder einsteigen durfte.
Ein langer Spaziergang durch die Stadt vertrieb die Müdigkeit, und als er wieder bei Alexander ankam, war der Laden gut von Einheimischen besucht. An einem Tisch saßen zwei Stewardessen, noch in Uniform. Er war mit ihnen auf der DC 6 von Miami nach Tegucigalpa geflogen. Sie erkannten ihn wieder und winkten herüber. Flarrow fand die beiden recht hübsch und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Die Mädchen fragten ihn dies und das und Flarrow erzählte von seinem Schiff und von zu Hause. Als dann später ein junger Mann ankam, waren die Rollen schnell verteilt, und eh Flarrow sich’s versah, hatte er eine Eroberung gemacht, und dabei kamen sogar beide Kopfkissen entsprechend den freundlichen Hinweisen der Camerera zum Einsatz.
Flarrow wurde vom Brummen eines Typhons geweckt. Er sprang aus dem Bett, verabschiedete sich von ‚Honduras National Airline’, und ging die Straße zum Pier hinunter. POLARSTERN hatte schon festgemacht, und die Behörden gingen an Bord.
Onkel Rudolf stand an der Gangway und strahlte. Flarrow schüttelte dem Freund die Hand. Im Salon begegnete er dem Kapitän, der mit der üblichen Einklarierung beschäftigt war und ihm nur kurz freundlich zuwinkte. Die Tür zur Kajüte des Leitenden Ingenieurs war verschlossen, Flarrow klopfte an und trat ein. Der Empfang war nicht freundlich. „Wie haben Sie denn das gemacht, dass sie wieder hier einsteigen dürfen?“, sagte mit bitterböser Miene sein Gegenüber. „Das war der Wunsch und der Wille der NTA, dazu habe ich gar nichts beigetragen.“ - „Ich habe das Schiff hier übernommen mit der Bedingung, dass ich es für fest bekomme. Das haben die mir zugesagt. Und jetzt sieht es so aus, als ob ich nur Urlaubsvertreter wäre.“ - „Daran kann ich leider nichts ändern. Gibt es etwas besonderes, was ich wissen müsste? Ich glaube nämlich, dass Ihr Flugzeug schon in einer Stunde geht.“ - „Ich bin fertig und werde sofort von Bord gehen, sobald die Papiere klar sind. Warum hat man Sie nicht zum Panama-Kanal geschickt? So ein Schwachsinn, mich jetzt schon abzulösen.“ Dazu hatte Flarrow nichts zu sagen, und er ließ den Kollegen kalt lächelnd stehen, und ging frühstücken. Es gab keine Übergabe und schon gar keinen Abschied. Der ‚Berater’ ging so von Bord, wie damals in New York. ‚Ohne Gruß und Kuss’ - dachte Flarrow, aber das war ihm letztlich völlig egal.
In der Messe traf er den Zweiten, der auch ziemlich zurückhaltend war. Freundlich begrüßten ihn nur der Erste Offizier und der Kapitän, der gleich wissen wollte, was er denn im Urlaub so alles verbrochen hätte. Flarrow tischte ihm die Stories auf, die er gern hörte.
In seiner Kajüte fiel auf, dass der Urlaubsvertreter Kabel und kleine Lautsprecher angebracht hatte. Das war nicht nach Flarrows Geschmack und auch völlig unnötig, denn es gab ja ein sehr gutes Radio mit exzellenten Lautsprechern und ein Tonbandgerät. Nun war die Stirnwand seines Wohnraumes verschandelt. „Dafür hatte er Zeit“, fluchte Flarrow leise vor sich hin.
Er machte sich zu einem Rundgang in die Maschine auf. Es wurde nicht gearbeitet, und der Zweite war an Land. Der Wachhabende Dritte meinte, dass man sich mal eine Pause leisten würde. Die Zylinderstation sah schlimm aus, das wäre beim Umstellen auf ein anderes Kühlwasseradditiv passiert. Der Expansionstank hätte richtig geschäumt und wäre dann übergelaufen. „Und warum das Ganze?“ - „Der Chief hat das angeordnet.“
Flarrow ging nach oben und traf Onkel Rudolf, den Kühlmaschinisten, der ihm sagte, dass vieles während seiner Abwesenheit geändert worden wäre. Zähneknirschend studierte er die Arbeitsbücher und sah, dass während seiner Abwesenheit nicht allzu viel gelaufen war. Die Urlaubsvertretung hatte offenbar vieles als ungeeignet betrachtet, was von Flarrow eingeführt worden war. Wo es nur ging, hatte der Urlaubsvertreter abgestaubt, besonders bei der Bevorratung von Chemikalien, wo es dem Umsatz entsprechende Gratifikationen von der Lieferfirma gab. Alles, was Arbeit machte, war dagegen vernachlässigt worden. Selbst der Schreibkram, wie die Beurteilungsbögen der Besatzung oder die Protokolle und Messblätter von den Überholungen der Kältekompressoren. Und Flarrow begriff, dass hier ein Mann gewirkt hatte, der seine Pflichten grob vernachlässigte, ein bequemes Leben suchte und möglichst viel in die eigene Tasche wirtschaftete.
Als am späten Nachmittag die Seitenpforten geschlossen wurden, hatten sie 240.000 Kartons Bananen geladen, mit denen sie dreieinhalb Tage später in New York eintrafen. Dort fand ein umfangreicher Besatzungswechsel statt. Neben Matrosen, Ingenieur-Assistenten und einem Kochsmaat kam auch ein neuer Kapitän an Bord, auch ein neuer Zweiter Ingenieur, der unter Flarrow schon als Dritter gefahren hatte. Seine Beförderung hatte Flarrow befürwortet.
Auf der Reise von New York nach La Ceiba verlebten sie Heilig Abend in der Floridastraße. Es gab keine große Feier, aber ein ausgezeichnetes Festessen. Der eher wortkarge Kapitän wünschte allen ein Frohes Fest, und dann verschwand er wieder auf die Brücke, wo ihn die Schiffsführung voll in Anspruch nahm. Es war schwer, an diesen verschlossenen Mann heranzukommen, der vorher nur Hörnchen gefahren hatte. Dieses Kommando war natürlich ein Aufstieg, und da durfte nichts schief gehen! Kein Wunder also, dass er niemand so recht traute. Flarrow sprach mit dem Ersten Offizier darüber, der den Alten nicht verstand. „Ein komischer Mensch, eher der Typ von ‚Kümoschipper’, und er wirkt so, als ob er unter Dauerstress stünde.“ - „Stimmt“, sagte Flarrow, „aber Sie kennen die Hörnchenflotte nicht, die jetzt so langsam aufgelöst wird. Zuerst wurde er mit den kleinen Schiffchen in der ganzen Welt herumgejagt; immer mit ziemlich schlechten Leuten, denn wer fährt schon gerne Trampfahrt mit so kleinen Kühlschiffen. Er hat gesehen, dass die Flotte verkleinert wird und weiß, dass die Zukunftsaussichten für Kapitäne derzeit nicht rosig sind. Und dann von einem Vierhunderttonnen-Schiff mit maximal zehn Knoten, auf diesen Renner mit der doppelten Geschwindigkeit. Das ist wirklich nicht einfach.“ - „So habe ich das noch gar nicht gesehen, jetzt wird mir klar, warum er so verdammt misstrauisch ist. Er prüft alles nach, besitzt kein Vertrauen.“ - „Haben Sie einmal beim kleinen HORN gefahren? - Nein? Ich aber, deshalb kapiere ich diesen Alten schon, und ich denke, wir sollten ihm ein bisschen unter die Arme greifen, obwohl er mir auch nicht gerade sympathisch ist.“
Am Ersten Weihnachtsfeiertag brach die Pufferbatterie für die Datazentanlage, bestehend aus sechsundsiebzig einzelnen Nickel-Cadmium-Batterien, zusammen. Nun gab es erst einmal kein Display im Leitstand mehr, und die Assistenten mussten alle Temperaturen und Drücke von den örtlichen Messstellen ablesen. Sie jammerten natürlich, weil sie nun mehr im heißen Maschinenraum unterwegs waren, als früher üblich, aber Flarrow, der sah, wie schlecht sie sich auskannten, machte aus der Not eine Tugend und prüfte, ob die Betriebswerte wirklich abgelesen oder nur aus dem Maschinentagebuch von der vorhergehenden Wache abgeschrieben waren. Er vergatterte die Wachingenieure diesbezüglich und verlangte von den Assistenten Rohrleitungsschemata, die sie in Ihrer Freizeit anzufertigen hatten. Dagegen wehrten sich die jungen Herren, aber Flarrow war unerbittlich, erzählte ihnen von seiner Zeit auf MS BERLIN und kam dabei auf die Idee, Unterricht einzuführen, den die Assistenten zunächst nur mürrisch annahmen. Der Zweite meinte, es wäre besser, den Kerlen richtig in den Arsch zu treten, aber Flarrow merkte, dass die jungen Leute nicht mehr so belastbar waren, wie früher üblich. Er hielt am Unterricht fest, besonders als er merkte, wie gering die Kenntnisse dieser Assistenten waren, die nicht auf der Werft oder im Schiffsmaschinenbau gelernt hatten und manchmal während des Unterrichts einschliefen.
Wie schnell hatte sich die Szene verändert. Auf der BERLIN hatte man mit Schmieröl gegeizt. Die Assistenten waren besorgt und gaben sich alle Mühe, mit der vorgegebenen Menge auszukommen. Würde man heute auf POLARSTERN so verfahren, dann wäre Trouble vorprogrammiert, und die Assistenten würden alles laufen lassen, weil ja das ausgegebene Schmieröl nicht langte.
Von La Ceiba nach Cortez gab es für die Bananenjäger zwei Wege, entweder außen herum oder direkt unter der Küste im flachen Wasser zwischen kleinen Inseln, Riffen und Klippen hindurch. Der gefährlichere Weg unter der Küste sparte vier Stunden. POLARSTERN hatte diesen Weg schon oft genommen, man war ortskundig auf der Brücke, und der Fahrplan ließ auch keinen anderen Weg zu, wenn man ihn einhalten wollte.
Auslaufen la Ceiba bei Nacht, Lotse von Bord, Anfang der Seereise, und der Maschinentelegraf blieb auf ‚Voraus Halbe’ liegen. Flarrow ging mit der Maschinendrehzahl langsam hoch, weil jeden Moment ‚Voraus Voll’ kommen musste, sie waren sowieso schon spät dran. Schließlich ging Flarrow auf die Brücke und fragte den ersten Steuermann, warum er nicht auf volle Fahrt gehen würde. Da zeigte er auf die Backbordnock und meinte sehr förmlich, dass das der Herr Kapitän zu entscheiden hätte. „Wir kommen doch zu spät in Cortez an, und das ist doch seine erste Reise hier. Die Standardleute werden in fertig machen!“ „Ich habe ihn mit Mühe und Not davon abbringen können, außen herum zu fahren, mehr kann ich nicht tun.“ Flarrow kapierte und ging zur Brückennock. „Herr Kapitän, warum fahren wir nicht voll?“ - „Was, wir sollen noch schneller fahren in diesem Gewässer?“ - „Das ist die übliche Route, und denken Sie bitte an den Zeitplan. Wir sind spät dran.“ Der Alte schwieg, den Blick starr nach voraus gerichtet, klammerten sich seine Hände am Brückenschanzkleid fest, und seine Haltung drückte nicht nur die Unfähigkeit aus, eine Entscheidung zu treffen, sondern auch Angst und Hilflosigkeit. Das zu erleben tat Flarrow leid, und leise sagte er zu ihm, dass der Erste doch hier schon ziemlich ortskundig wäre. Der Alte nickte nur, und Flarrow sagte laut: „Also Voll Voraus.“ Als der Erste merkte, dass der Kapitän nicht widersprach, legte er den Maschinentelegrafen auf ‚Voraus Voll’.
In Gulfport warteten schon die neuen Batterien. Eine so schnelle Lieferung überraschte wirklich.
Die nächste Reise ging zu den Ladehäfen Guayaquil, Bolivar und La Ceiba; löschen in Gulfport und anschließend in die Werft nach New Orleans. Es war inzwischen Ende Januar geworden, und der Mississippi war entsprechend kalt. Dieses Mal gab es Strom von Land, so dass die Hilfsdiesel abgestellt werden konnten. In den drei Tagen holten sie eine Reihe von Arbeiten an der Hauptmaschine nach. Sie arbeiteten bis zu zehn Stunden täglich, und am Ende der Werftzeit lagen die Instandhaltungsarbeiten wieder im Zeitplan. Hauptmaschine und Hilfsdiesel waren während der Zeit im Schwimmdock völlig ausgekühlt. Vor der Flutung des Schwimmdocks hatte Flarrow dem Kapitän gesagt, dass sie nach dem Aufschwimmen im Dock noch mindestens eine Stunde benötigen würden, um die Hauptmaschine anzuwärmen.
Sie waren noch dabei, die Hauptmaschine für den Start vorzubereiten, als per Maschinentelegraf „Voraus Langsam“ angefordert wurde. Flarrow stürzte in den Leitstand und rief die Brücke an. Der Kapitän meldete sich, und Flarrow sagte: „Die Hauptmaschine ist noch nicht klar, wir können also nicht starten.“ - „Das geht jetzt nicht mehr, wir sind schon mitten auf dem Strom.“ - „Dann wenigstens ganz langsame Fahrt.“ - „Wir brauchen Steuer im Schiff, langsamer geht nicht, eher mehr.“ Damit legte der Kapitän auf, und der Maschinentelegraf sprang auf ‚Voraus Halbe’. Während der Zweite die Drehzahl erhöhte, hörten sie alle das metallische Knacken, das Flarrow durch Mark und Bein ging. Der Zylinderdeckel von Zylinder vier war gerissen. Sie mussten damit weiterfahren, denn POLARSTERN schwamm ja bereits auf dem Mississippi. Das kostete natürlich zunächst Nerven. Später, als sie die offene See erreicht hatten, zeigte sich aber, dass ein sofortiger Wechsel nicht erforderlich war, und so fuhren sie bis Limon weiter, wo Zeit genug war den schadhaften Deckel zu wechseln.
Das Leben auf POLARSTERN war weniger stressig geworden, was vor allem am Fahrplan lag. Der Streik der Hafenarbeiter an der Ostküste, besonders in New York, störte diesen sehr. An Bord war aber deshalb niemand böse. Auf das winterliche New York konnte man gerne verzichten. Anfang März war der Streik zu Ende, und POLARSTERN wurde sofort nach New York geschickt.
Der Wetterumschlag bei Cap Hatteras innerhalb von zwanzig Minuten brachte Schneetreiben und Hagel. In New York waren die Schneepflüge im Einsatz.
Die großen Bosse aus Hamburg hatten sich angesagt. Auf einer Inspektionsreise wollten sie auch POLARSTERN besuchen. Dieses Mal war Flarrow schlauer und bereitete den Besuch gründlich vor. Er ließ den Maschinenraum auf Hochglanz bringen, eine Generalreinigung war sowieso fällig. Der Maschinenschacht war noch im Golf gemalt worden, wobei der Bootsmann zwei Matrosen abgestellt hatte. Die Deckshäuser waren ebenfalls piccobello, denn Onkel Rudolf beabsichtigte in Urlaub zu gehen; mit ihm auch noch ein Dritter Ingenieur, der durch einen Zweiten Ingenieur abgelöst werden sollte.
Für New York stand nur so viel Arbeit auf dem Arbeitsplan, dass die Leute beschäftigt waren und niemand auf die Idee kam, es gäbe zu viele Hände an Bord. Und der Leiter der NTA nahm mit nicht zu übersehender Freude zur Kenntnis, dass Flarrow die ganze Zeit zu seiner Verfügung stand. Alles lief also so wunschgerecht, bis auf ein Gespräch mit dem Technischen Direktor, der mit Lob nicht sparte. „Warum haben Sie mich wieder auf dieses Schiff geschickt? Bin ich für die neuen Schiffe vielleicht nicht gut genug?“, fragte Flarrow. „Aber, aber, das ist keineswegs der Fall. Sie haben das Schiff so gut im Griff, und da haben wir uns gedacht, wer weiß, wie lange er überhaupt noch fährt, geben wir ihm POLARSTERN, dann wissen wir, dass alles gut läuft.“ Flarrow stutzte, er hatte nie von Aufhören geredet oder darüber nachgedacht, und jetzt diese Einschätzung seitens der Reederei. Wollten sie ihn loswerden?
Die Show war zu Ende, und sie gingen in See, dieses mal ohne Kühlmaschinisten, der erst nach seinem Urlaub wieder auf POLARSTERN einsteigen würde. Das war Flarrows Entscheidung. Alle Kältekompressoren waren überholt, die Einstellung der Kältekreisläufe stimmte. Die Anlage lief nahezu störungsfrei. Damit konnte man gut ohne Onkel Rudolf fertig werden. Der würde ja auch erst wieder gebraucht, wenn die nächsten Grundüberholungen anstanden. Der in New York an Bord gekommene Zweite und der aktive Zweite kannten sich vom Studium her. Er war ein sehr guter Mann, der für die Heuer eines Dritten Ingenieurs nicht zu bekommen war. Die Reederei wollte ihn nicht verlieren, und so stellten sie ihn als Zweiten Ingenieur ein. An Bord hatte er allerdings den Job eines Dritten Ingenieurs zu erledigen. Das war auch eine Folge der Entwicklung der Heuern, die mit der Entwicklung der Löhne und Gehälter an Land überhaupt nicht mithielten. Auf POLARSTERN gab es nun einen „aktiven“ Zweiten und einen ‚zweiten’ Zweiten.
Die neuen Brennstoffventile schienen sich zu bewähren, Prüfungen zeigten das, und Flarrow hatte immer mehr Zeit für sich. Er genoss die angenehme Seite seiner Position. Der Erste Offizier kam öfter nach seiner Wache zu ihm, und das versprach dann immer einen interessanten Abend. Der Alte war dazu nicht zu bewegen und lebte wie ein Emerit bei verschlossener Kabinentür.
Das Fahrtgebiet beschränkte sich in den nächsten Wochen auf die Karibik und Gulfport oder New York.
In Limon gab es den SALOON FENIX, ein Club am Rande des Dschungels, etwas weiter vom Hafen entfernt. Soweit hatte sich Flarrow im vergangenen Jahr nie von seinem Schiff entfernt. Doch jetzt, wo alles gut lief, die Crew eingearbeitet war, gab es keinen Grund, diesen Club nicht zu besuchen. POLARSTERN war zwar immer noch ein Arbeitsschiff, doch die Verfügbarkeit seiner Maschinen und Anlagen war unter seiner Leitung entscheidend verbessert worden.
Im Saloon Fenix lernte er Flor Maria Irias kennen. Es wurde zwar keine große Liebe mit Herz und Schmerz, eher eine mehr freundschaftlich orientierte Verbindung, aber gerade deshalb war es immer eine Freude für Flarrow, in Limon an Land zu gehen. Sie war Schneiderin in San Jose, der Landeshauptstadt von Costa Rica. Die Ticos, wie die Costaricenser sich selbst nannten, waren mehr als sympathisch. Wenn der Funker von POLARSTERN der Küstenfunkstelle das ETA, also die Ankunftszeit mitteilte, wurde Flor telefonisch benachrichtigt, setzte sich in den Zug nach Limon und wartete im Saloon Feenix auf ihren ‚Marinero’.
In Limon fühlte man sich sehr wohl, und das ging nicht nur Flarrow so. Es war eine glückliche Zeit. Freundliche Leute, Fröhlichkeit und kaum Kriminalität. Dazu kam, dass wegen der Tagestemperaturen fast nur nachts geladen wurde, was nichts anderes als längere Liegezeit bedeutete. Sie kamen meist schon mittags in Limon an, und das, ohne die Maschine zu überfordern. Allerdings begannen die Spülluftkanalbrände wieder zuzunehmen. Dank der elektronischen Überwachung wurden sie jedoch immer im Anfangsstadium bemerkt und richteten deshalb keine großen Schäden an.
In Gulfport hatte Roland Marine eine kleine Firma angesprochen, die Brennstoffpumpen für LKW-Dieselmotoren überholte, aber auch bereit war Personal für POLARSTERN abzustellen, wenn dort größere Arbeiten, die nur im Hafen erledigt werden konnten, durchzuführen waren. Ende Mai ergab sich eine günstige Liegezeit, die zum Wechsel eines Ladeluftkühlers genutzt werden sollte.
Die Standard beabsichtigte, an Bord von POLARSTERN eine Party für ihre Kunden zu geben, weshalb das Schiff nach dem Löschen bis zum nächsten Tag liegen bleiben sollte. POLARSTERN hatte die Party für etwa dreißig Gäste zu organisieren und auch für das leibliche Wohl und die Getränke zu sorgen. Sie liefen morgens gegen sechs Uhr ein, die Vorbereitungen für den Ladeluftkühlerwechsel waren abgeschlossen, und das angeforderte Personal stand am Pier bereit zur Arbeit. Alles klappte bestens. Die Amerikaner, die einen so großen Hauptmotor wie auf POLARSTERN noch nie gesehen hatten, staunten natürlich. Da sie aber vom Bordpersonal gut angeleitet wurden, packten sie an. Der Firmenchef, der die Angelegenheit noch etwas skeptisch sah, weil seine Leute auf einmal als Hilfskräfte arbeiteten, war natürlich auch froh, dass alles so gut klappte. Ehe die Gäste an Bord kamen, hatten sie die Arbeit geschafft. Flarrow zog seine weiße Uniform an und war rechtzeitig zum Empfang auf der Brücke, während in der Maschine noch aufgeräumt wurde. Die Gäste hatten von der Automation auf POLARSTERN gehört, und eine Leitstandsbesichtigung war nicht mehr zu vermeiden. Auf dem Brückendeck war inzwischen das Buffet aufgebaut worden. Neben vielen Köstlichleiten, die die Kombüse gezaubert hatte, gab es auch zwei knusperige Puter, die seltsamerweise noch nicht tranchiert waren. Tranchiermesser und -gabel mit Hirschhorngriffen, die der Obersteward irgendwoher organisiert hatte, lagen daneben, doch niemand machte Gebrauch davon. Die Party lief und lief, es gab viele interessante Gespräche, und die Stimmung war mehr als gut. Gegen Mitternacht nahm Flarrow endlich das Tranchiergeschirr in die Hand, um dem Puter zu Leibe zu rücken, doch der Obersteward hinderte ihn und erklärte: „Bloß nicht anschneiden, das trauen sich nämlich die Amis nicht zu, und so kommen wir zu zwei Putern, die wir Sonntagabend auf unseren Tischen haben.“ Da staunte Flarrow sehr, der Obersteward behielt aber Recht, und am Sonntagabend ließen sie sich das Federvieh schmecken, das die Standard bezahlt hatte.
Gegen vier Uhr morgens verließ der letzte Gast das Schiff. Es hatte Einladungen für die nächste Liegezeit gehagelt, im nahe gelegenen Yachtclub könnte man immer ein Boot bekommen, und überhaupt waren sie ja ganz tolle Kerle. Nur keiner der Einladenden hatte seine Adresse oder Telefonnummer hinterlassen! Auch das war typisch für die sonst so freundlichen Amerikaner. Mit Sonnenaufgang waren sie auf See, und Flarrow stand in der Nock und sah ihm zu. Er war entspannt und kein bisschen müde. Der Ladeluftkühlerwechsel hatte so gut geklappt und auf der Party hatten ihm viele zu diesem Schiff gratuliert.
In La Ceiba löschten sie die Papierrollen aus Gulfport; die Kartons für die Bananen wurden in Honduras hergestellt. In Cortez arbeiteten sie in der Maschine nur bis mittags. Danach gingen alle Tageswächter und die Wachfreien zum Schwimmen an den Strand in Richtung Omoa. Die Mädchen wussten das natürlich auch und fanden sich rechtzeitig ein.
Das Laden begann gegen zwanzig Uhr. Nachdem der zweite Zweite die Hafenwache übernommen hatte, ging Flarrow an Land. Da noch einige Stückgutschiffe im Hafen lagen, war ziemlich viel los. Teile der verschiedenen Besatzungen zogen grölend durch die Straßen. Die Gruppen begrüßten sich lauthals und gingen dann in die nächste Bar, wo weiter getrunken wurde. In einem Restaurant, einem einfachen, offenen, strohgedeckten Haus, trank er erst einmal ein gut gekühltes Imperial. Die Luft war nach dem abendlichen Regenguss noch sehr feucht und die Straßen voller Pfützen, Regenzeit. Ein paar Deutsche saßen an einem Tisch. Das noch nicht abgeräumte Geschirr verriet, dass sie das Abendessen hinter sich hatten und nun bei Cuba Libre und Bier angelangt waren. Sie beobachteten Flarrow, der am Tresen stand. Als er Salz in sein Bierglas streute, wurden sie noch aufmerksamer, und schließlich sprach ihn einer an. Es war die übliche Fragerei nach dem woher, wohin, von welchem Schiff und so weiter. Sie waren zum ersten Mal in Cortez, fuhren in Charter für die HAPAG und erzählten vom zunehmenden Personalmangel in Deutschland. Nun hätten sie sogar schon Frauen an Bord, die als Stewardessen fahren würden. Stewards wären nicht zu bekommen. Flarrow hörte zu und erklärte ihnen, was hier in Cortez laufen würde. „Und warum tun sie Salz ins Bier?“ - „Das Klima ist hier so heiß und feucht, dass man durch Schwitzen viel Salz verliert. Deshalb gibt es hier Salz zum Bier.“ Dann kam das Steak und Weißbrot; die Leute vom anderen Dampfer verabschiedeten sich. Sie wollten nun „richtig was losmachen“ heute Nacht in der Stadt. Nach dem Steak bummelte Flarrow durch einige Bars in Richtung Schiff. Einen solchen Betrieb hatte er hier noch nie erlebt. Auf den Straßen tummelten sich noch immer die Leute, vom Balkon eines Steinhauses schrie ein völlig betrunkener halbnackter Mann, ein Hemd schwingend, Unverständliches. Mitten auf dem Dorfplatz vor einem Reiterstandbild, von einigen Bananeros umgeben, heulte ein weißes Mädchen, auch völlig betrunken. Die Bananeros rückten näher und konnten ihre geilen Blicke nicht von der schweißnassen Bluse, die ihre prallen Brüste zeigte, lassen, während sie immer wieder stammelte: „Keiner will mich, alle gehen sie zu den Nutten - und dann auf See wollen sie dann wieder alle was von mir - diese geilen Schweine.“ Ein Junge vom Schiff, der wohl als Messejunge fuhr, versuchte verzweifelt, sie an Bord zu bringen.
Aus den Augenwinkeln bekam Flarrow mit, wie ein Soldat plötzlich in einer Pfütze lag. Reiniger Paulchen, der klein und gedrungen gebaut war, und deshalb oft unterschätzt wurde, hatte plötzlich zugeschlagen. Sein Mädchen rannte schreiend davon, und zwei bewaffnete Soldaten nahmen Paulchen mit. Flarrow sah das und fühlte sich verantwortlich für seinen Mann. Als er auf der Wache nach dem wachhabenden Offizier fragte, sah der Sergeant auf die Uhr, die weit nach Mitternacht zeigte. Und da wollte ein Gringo den Teniente sprechen! Eine Unverschämtheit. Plötzlich sah Flarrow in die Mündung eines schweren Colts, und zwei Soldaten leerten seine Taschen. Da half kein Protest, und als er sagte, dass er der ‚Jefe de la maquina’ von POLARSTERN war, lachten sie ihn aus. Das war unglaublich für Flarrow, der doch sonst mit den Leuten von Land immer so gut klar kam, alles im Griff hatte! In einem Innenhof fand er sich wieder. Paulchen sah ihn traurig an, denn er hatte gehofft, dass sein Chief ihn da herausholen würde. Nun wusste niemand, dass sie beide im Knast gelandet waren. Flarrow konnte Paul aber beruhigen: „Ohne mich darf doch der Alte gar nicht auslaufen.“ Sie würden also ihr Schiff nicht verpassen.
Im Innenhof waren etwa dreißig Inhaftierte versammelt. Viele Mädchen aus Kneipen und Bars waren darunter. Ein paar betrunkene Honduraner lagen in einer Ecke des Hofes und dösten vor sich hin. Ein Mädchen machte sich an Flarrow heran und fragte ob er noch Geld hätte, dann könnte sie Kaffee, Zigaretten und Sandwich besorgen. Es gab also einen schwunghaften Handel mit denen, die draußen waren, und Flarrow, der immer ein paar Dollar im umgeschlagenen Ärmel seines Oberhemdes hatte, machte davon Gebrauch. Die Nacht verging langsam, und Flarrow war schlau genug, sich nicht mit den Wachen anzulegen. Als der Morgen dämmerte, löste sie der Agent aus. Der schüttelte nur den Kopf. „Wie können Sie so etwas machen. Wären sie in Uniform gekommen, man hätte Ihnen den Mann herausgegeben. Aber so in Zivil - die Menschen hier brauchen sichtbare Zeichen und Beweise, das Blabla wirkt hier nicht. Das können die nämlich selber.“
Er bekam alles wieder, was man ihm abgenommen hatte, und als er an Bord kam, wurde bereits ausklariert. Der Kapitän legte Wert darauf, dass er die vierzig Dollar, die seine Auslösung gekostet hatte, sofort bezahlte. Sauer wegen seiner Dummheit tat er es.
Sie machten eine schnelle Reise nach New York und ankerten kurz nach Mitternacht in der Upper Bay. Gegen fünf Uhr würden sie an den Pier am East River verholen, und für die Maschinencrew stand ein heißer Tag bevor, Kolbenziehen war angesagt.
Flarrow liebte diese Stunden vor Anker. Die Ruhe, die immer eintrat, wenn der Anker gefallen und die Hauptmaschine abgestellt war, hatte etwas Erlösendes, als ob Schiff und Besatzung sich einem erholsamen Schlaf hingaben. Auf der Brücke wachte ein einsamer Steuermann, der gelangweilt hin und her wanderte oder vom erhöhten Sitz des Kapitänsstuhles aus zur Skyline hinüber blickte. Manchmal legten sich feine Nebelschleier über das nachtschwarze Wasser der Bay, und dann war es, als ob freundliche Wassernixen darüber hin gleiten würden und dem träumenden Mann in der Nock zuwinkten. Das war die Stunde, in der Flarrow mit sich ganz allein sein konnte. Losgelöst von den Pflichten, die ihm auferlegt waren, lehnte er in der Brückennock, und seine Gedanken wurden frei.
Mit der Morgendämmerung kam der neue Tag, der die Lichter der Wolkenkratzer langsam verlöschen ließ. Die Strahlen der hinter der Kimm aufgehenden Sonne erreichten die Spitzen der Wolkenkratzer. Den sechsundvierzig Meter hohen Antennenmast des Empire State, der ursprünglich als Anlegemast für Zeppeline gedacht war, zuerst; dann das Chrysler Building, dessen krönende Spitze aus rostfreiem Stahl erglühte; und immer weiter an den Gebäuden nach unten wandernd, entzündeten sie schließlich die steinerne Fackel der Statue of Liberty. Die Stadt, die einem Song gemäß, niemals schlief, erwachte. Eilige Fähren überquerten die Bay mit qualmenden Schornsteinen und heftigem Tuten, und das metallische Klicken der Ankerkette eines in der Nähe liegenden Tankers zeigte an, dass auch für die Ankerlieger die Nacht vorbei war. Ein Schlepper mit dem Hafenlotsen näherte sich. und die Alarmglocke, die den Bootsmann und seine Matrosen auf die Back zum Ankerlichten rief, beendete Flarrows Träumerei.
Kaum, dass sie festgemacht hatten, begann der Wettlauf mit der Zeit. Um achtzehn Uhr sollten sie wieder auslaufen, dann musste das Kolbenziehen beendet sein, nichts durfte schief gehen, wenn das Schiff nicht überliegen sollte.
Am Vormittag kam Rudolf Koch ausgeruht aus dem Urlaub zurück, und Kapitän Wichmann, von der NTA erschien unangemeldet in der Maschine. Er hatte damals auf der HILDEGARD für die Prämie von einhundert Mark gesorgt, die Flarrow so aufgeregt hatte. Nun fragte er nach dem gerissenen Zylinderdeckel. „Meinen Sie nicht, dass das geschweißt werden könnte?“ Flarrow erklärte ihm, dass das nicht möglich wäre und verwies auf die noch immer fehlende Ersatzlieferung. „Deshalb bin ich ja hier“, sagte der Inspektor, „diese Ersatzteile sind nämlich sehr teuer. Könnten wir nicht ohne sie auskommen?“ - „Deshalb kommen Sie aus Hamburg?“, fragte Flarrow. „Nicht direkt, ich habe auch noch andere Schiffe zu besuchen.“ - „Wir brauchen einen neuen Zylinderdeckel, den wir ja schon lange bestellt haben.“ - „Aber zur Zeit geht es doch auch so - oder?“ - „Bedenken Sie bitte, dass der Bestand vom Germanischen Lloyd vorgeschrieben ist, und wir deshalb den Anforderungen im Moment nicht genügen.“ - „Na gut; was ist nun mit dem Kolben, der da gerade gezogen wird?“ - „Das ist nichts besonderes, der hat seine Betriebsstunden runter, und die Kolbenringe müssen gewechselt werden. Warum fragen Sie?“ - „Passen Sie gut auf, dass er richtig sauber gemacht ist, bevor er wieder eingebaut wird.“ Flarrow blieb für den Moment die Luft weg, er hatte Mühe, nicht zu explodieren. Was wollte dieser Nautiker eigentlich? Die Techniker ein bisschen schulmeistern, das große Wort schwingen gegenüber den ‚armen kleinen Heizerlein’? Dieser Inspektor hatte doch in der Maschine gar nichts verloren! Und als er sich wieder in der Gewalt hatte: „Das wissen wir selber, da machen Sie sich mal gar keine Sorgen.“ - „Ich sage das ja auch nur als Erinnerung gewissermaßen, wir haben da nämlich schlechte Erfahrungen gemacht, und der Technische Direktor hat uns angewiesen, darauf zu achten.“ Flarrow war nun ganz ruhig geworden und fragte provozierend: „Sollen wir Ihnen den Kolben einbaufertig vorführen, damit Sie ihn abnehmen können?“ - „Nein, nein, so war das nicht gemeint; Sie machen das schon.“ Damit war das Gespräch beendet, und Flarrow verschwand im Triebwerk. Als er von dort zurück kam und sich umgezogen hatte, war der Inspektor bereits von Bord. „Nicht einmal verabschiedet hat er sich. Ist das vielleicht die feine englische Art, die in Hamburg so beliebt ist?“ fragte er den Zweiten Ingenieur, der dazu nur „Arschlöcher, alles Arschlöcher!“ sagte.
Dieses Erlebnis nagte noch lange an Flarrows Selbstbewusstsein. Für was hielten ihn die in Hamburg eigentlich? Wenn das zukünftig Schule machen würde, wollte er nicht mehr fahren; für ihn setzte Kontrolle immer auch die entsprechende Qualifikation des Kontrollierenden voraus. Sich von fachlichen Laien, die keinerlei Verantwortung trugen, schikanieren zu lassen, das konnte und wollte er nicht akzeptieren. Bei Roland Marine schüttelte man über diese Geschichte nur den Kopf, äußerte sich aber wohlweislich nicht dazu.
Pünktlich um achtzehn Uhr legten sie ab. Ihre Reiseorder hieß Puerto Limon, löschen in Long Beach. Das löste seltsamerweise allgemeine Freude aus, die Westküste hatte offenbar ihre Reize bei der Besatzung.
Beim Hochfahren stellten sie eine leichte Temperaturerhöhung am Grundlager vier fest. Das war nicht weiter gefährlich, höchstens ungewöhnlich. Die Lagertemperatur stieg auch während der Reise nicht weiter an. Beim Check in Long Beach fanden sie aber ausgelaufenes Lagermetall; auch die Laufflächen wiesen Beschädigungen auf. Eine Erklärung dafür fanden sie nicht. Nach einer mehr oder weniger provisorischen Reparatur fuhren sie weiter. Die Lagertemperatur blieb unverändert um zehn Grad erhöht. Roland Marine wurde verständigt, und die Standard schickte POLARSTERN mit Bananen nach New York. Dort war für eine Untersuchung alles vorbereitet. Die Firma GOLTEN MARINE nahm das Grundlager auf und fand einen beschädigten Lagerstuhl vor.
In einem Brief an seine Eltern schrieb Flarrow später:
„Wir waren pünktlich in N. Y. angekommen, und gleichzeitig mit dem Löschen begann eine Landfirma damit, das beschädigte Grundlager aufzunehmen. Der Lagerstuhl musste gefräst werden, dafür war ein Spezialwerkzeug nötig, das sie erst anfertigen mussten.
Die Sache zog sich hin, die geplante Reise wurde abgesagt, und um Mitternacht des 01.07. gingen wir aus der Charter. „Off Hire“ sagen die Leute hierzulande dazu. Am 04.07. waren wir dann endlich seeklar, und alles schien o. k. Wir kamen aber nicht weit. Nach wenigen Meilen mussten wir stoppen, weil das reparierte Grundlager heiß lief. Zunächst sah es so aus, als ob sich das noch einlaufen würde. Mit langsamer Fahrt ging das auch. Als wir aber dann auf volle Drehzahl gingen, lief das Lager wieder heiß. Sechzig Meilen südlich von N. Y., außerhalb des Fahrwassers, haben wir dann das Schiff treiben lassen und das Lager erneut aufgenommen. Die untere Halbschale war ziemlich zerstört, weshalb wir das Reservelager von der Wand holten, das natürlich noch eingeschabt werden musste. Zu meiner Überraschung konnte niemand aus der Maschinencrew ein Lager einschaben(!). Da war ich also gefragt, es galt, ungefähr zwei Millimeter Lagermetall abzuschaben. Zum Abdrehen war unsere Drehmaschine leider zu klein. Wir brauchten sieben Stunden, bis das Lager passte. Als dieses Lager dann nach kurzer Zeit ebenfalls heiß lief, war ich mit meinem Latein zunächst am Ende. Wir hatten Sprechfunkverbindung mit Roland Marine, aber die wussten auch nicht weiter. Also Lager ausbauen und nachsehen. Wir fanden wiederum zerstörtes Lagermetall. Wir hatten eben einfach kein Glück. Schließlich haben wir die Kurbelwellenlagerung vermessen. Das Ergebnis war niederschmetternd, denn es deutete auf eine angebrochene Kurbelwelle hin. Nachdem Roland Marine das Messergebnis kannte und zu dem gleichen Schluss wie ich gekommen war, musste ich die Reise abbrechen. Zum ersten Mal, seit ich zur See fahre, musste ich aufgeben. Das hat irgendwie wehgetan, aber es half nichts. Wir haben das beschädigte Lager wieder zusammen gebaut und sind dann nach N. Y. zurück gehumpelt. Es war eine lange, lange Nacht, und da wir Rückwärtsmanöver für zu riskant hielten, haben wir statt der üblichen zwei Schlepper drei angefordert, die uns dann auf den Haken nahmen und zum Erie Basin in Brooklyn verholten. Wir haben vierundzwanzig Stunden getrieben, und für mich waren das drei volle Tage ohne Schlaf…“
Bei Golten Marine begannen die Arbeiten sofort. Eine Beschallung der Kurbelwelle war negativ, aber die Grundlager null bis vier waren alle zerstört.
Ursache war eine Stahlkugel, die in einem Lagerstuhl gefunden worden war und deren Herkunft niemand erklären konnte.
Die Maschinenbesatzung hatte an der physischen Leistungsgrenze gearbeitet. Keiner hatte sich gedrückt! Und obwohl die Arbeit nicht erfolgreich war, bekamen alle auf Flarrows Empfehlung hin eine Prämie von der Reederei, was bei den Leuten großen Eindruck machte.
Nach sieben Tagen, in denen fünf Grundlager erneuert wurden, waren sie endlich seeklar. Die Spannung im Leitstand war fast unerträglich. Würde es nun klappen? War der Schaden wirklich behoben?
Nachdem sie die Verrazano Narrows Bridge passiert hatten und bei dreißig Meter Wassertiefe auf halbe Fahrt gehen konnten, druckte die Datazentanlage völlig normale Temperaturen aus, und sie kapierten, dass die Havarie wirklich beseitigt war. Nach weiteren drei Stunden gingen sie auf volle Drehzahl. „Auf nach La Ceiba“, sagte Flarrow und schlief schon fast unter der Dusche ein.
In seinem Brief an die Eltern schrieb er weiter:
„Die Geschichte wird wohl runde vierhunderttausend Mark kosten, vom Verdienstausfall des Schiffes ganz zu schweigen. Wir haben nun fast so viel Tage Off Hire wie POLARLICHT…“
Ende August kam ein Brief aus Hamburg. Die Reederei teilte ihm mit, dass ihm eine großzügige Prämie zuerkannt worden war. Die entscheidenden Sätze des Schreibens lauteten:
„...während Ihres bisherigen Einsatzes an Bord des MS POLARSTERN haben Sie durch vorbildliche Betriebsführung und selbstlosen Arbeitseinsatz in schwierigen Reparaturfällen die Reedereiinteressen zu wahren gesucht. …
Wir verbinden unseren Dank mit dem Wunsch auf weitere gute Zusammenarbeit und mit der Hoffnung, dass Ihr Vorbild auch in Zukunft beispielgebend auf Ihre Mitarbeiter wirken wird.“
Der Funkspruch der Standard Fruit kam acht Stunden vor dem Einlaufen in La Ceiba, und sein Inhalt ging wie ein Lauffeuer herum:
nicht einlaufen la ceiba stopp außerhalb dreimeilenzone auf weitere order warten
Der Funker bekam mit, dass ein Krieg ausgebrochen war zwischen Honduras und El Salvador. Alles Weitere war unklar. Fünf Stunden später funkte die Standard:
einlaufen la ceiba, wenn behörde erlaubnis erteilt
Der Kapitän fragte, was man tun könnte, falls es zu kriegerischen Handlungen kommen würde. Flarrow ließ die Feuerlöschschläuche anschlagen und veranstaltete ein Probelöschen. Viel mehr war nicht zu tun. Einig war man sich, dass man bei der geringsten Gefahr abdrehen würde. Flarrows Gedanken wanderten zurück zu den letzten Kriegstagen. Er hatte damals die ersten Toten gesehen, und nun sollte es wieder losgehen? Der Kapitän kam, er hatte als Moses noch während der letzten Kriegswochen auf einem Frachter gefahren und gesehen, wie die englischen Jagdbomber die CAP ARCONA versenkten, und auch er wollte auf keinen Fall in kriegerische Handlungen verstrickt werden. Man war sich einig, Abhauen war die beste Lösung.
Was war eigentlich geschehen, was war wirklich los? Die Antwort gab ein honduranisches Patrouillenboot, das sie zum Stoppen aufforderte. Da sein Geschütz nicht besetzt war, fragte der Alte an, ob er einlaufen könnte. Das wurde positiv beschieden. Sie sollten dem P-Boot folgen, das mit fünf Knoten vorausfahren wollte. POLARSTERN hielt sich nicht daran und ging auf zwanzig Knoten. „Nur weg von einem Kriegsschiff“, sagte der Alte, und da hatte er sicher Recht. Das P-Boot konnte da nicht mithalten, signalisierte noch „Stoppen Sie sofort!“, machte aber von seinem Geschütz keinen Gebrauch. Anlegen durften sie allerdings nicht. Sie sollten ankern. Eine Barkasse brachte einen Trupp schwer bewaffneter Soldaten an Bord. Dabei war auch der Sergeant, der Flarrow inhaftiert hatte. Er klopfte auf seinen schweren Colt, als er Flarrow sah, der ein freundliches ‚como esta usted?’ hören ließ. Der Sergeant grinste verlegen. Als die Soldaten alle in den Salon drängten, bat der Kapitän darum, die Waffen draußen zu lassen, denn die Lederbezüge könnten beschädigt werden. Daraufhin legten sie ihre Gewehre und Handgranaten ab und freuten sich über den eisgekühlten Fruchtsaft, den der Steward servierte.
Ein Offizier erklärte die Situation, es sei Krieg mit El Salvador, und man könne nicht wissen, ob die feindliche Luftwaffe La Ceiba und den Pier angreifen werde. Für La Ceiba bestimmte Schiffe sollten möglichst weitab vom Pier ankern, nachts völlig abgedunkelt liegen, auch kein Ankerlicht setzen. Er wäre zum Schutz des Schiffes und seiner Besatzung an Bord geschickt worden.
Da lief der Alte zu einer Hochform auf, die alle überraschte. Das übliche Kauderwelsch sprechend, bedankte er sich für das Angebot, lobte die Sorgfalt der ‚Caballeros Officiales’ und seifte so den Hauptmann ein. Er bedauerte, dass auf POLA>RSTERN so wenig Platz sei und meinte schließlich, dass er das großzügige Angebot der Armee in so schweren Zeiten, wo doch bestimmt jeder Mann an der Front gebraucht würde, nicht in Anspruch nehmen dürfte. Man würde Bescheid sagen, falls man Hilfe benötigte. Da zog die Truppe wieder ab, und man hatte das Gefühl, dass die Soldaten froh waren, wieder an Land und zu ihren Familien zu kommen.
Was war wirklich geschehen? Die salvadorianischen Bauern waren in den vergangenen Jahren aus dem dicht besiedelten El Salvador in Honduras eingedrungen, da sie bei der hohen Bevölkerungsdichte in El Salvador keine Chance für ein Auskommen in der Landwirtschaft hatten. Als die Landbesetzungen 1969 zu Beginn der Regenzeit sehr stark zunahmen, kam es zu Vertreibungen durch die Honduraner. In dieser Zeit fanden die Qualifikationsspiele zur Fußballweltmeisterschaft statt. Während das Spiel in Tegucigalpa (Honduras) friedlich verlief, kam es in San Salvador gegenüber den honduranischen Schlachtenbummlern zu Tätlichkeiten. Ihre Autos wurden umgeworfen und ihre Frauen beschimpft, mit der Folge, dass es in Honduras Anschläge auf salvadorianischen Läden und Marktstände gab. Die Situation eskalierte, und am 14. Juli abends wurden Tegucigalpa und andere Städte in Honduras von der salvadorianischen Luftwaffe angegriffen. Die salvadorianische Armee drang mit schweren Waffen zehn Kilometer tief auf honduranisches Gebiet vor. Zwei Tage später begann der Gegenangriff der honduranischen Armee, der die Eindringlinge zurück trieb. Am 18. Juli wurde dann ein Waffenstillstand geschlossen. Der Krieg kostete rund sechstausend Verwundete und zweitausend Gefallene.
Als POLARSTERN am 19. Juli endlich laden durfte und Landgang genehmigt wurde, spielte das Militär in La Ceiba noch immer Krieg. Schwerbewaffnete Soldaten patrouillierten noch lange, während die Zivilbevölkerung längst zur täglichen Routine übergegangen war.
In Gulfport erschien ein Engländer, der bei der Firma HALL für die Konstruktion verantwortlich war. Er wollte wissen, warum die Hall-Kühlanlagen auf POLARSTERN so gut liefen! Der Hersteller fragte den Kunden!! Kein Wunder, dass Flarrow stolz war und nur bedauerte, dass der Zweite Ingenieur, der die Geschichte mit der Ölaustreibung ausgeknobelt hatte, nicht mehr an Bord war.
Die Hurrikan-Saison hatte begonnen. Als sie am sechzehnten August aus Gulfport ausliefen, hatten sie nicht nur eine Hurrikanwarnung, sondern auch die Bitte des National Hurricane Center um stündliche Wettermeldungen bekommen. Hurrikan ‚Camille’ war im Golf von Mexiko unterwegs und zog in einem weiten Bogen zum Delta des Mississippi. Er würde ihren Kurs nach Limon tangieren. Camille war ein Hurrikan der Kategorie 5, und machte seinen Landfall am 17./18. August 1969. Er produzierte den fünftniedrigsten Druck, der jemals im atlantischen Bassin registriert wurde; knappe 905 mbar (905 Hektopascal) wurden gemessen. Später wurde bekannt, dass alle meteorologischen Instrumente beim Landfall des Hurrikans ausgefallen waren. Es wird daher angenommen, dass Windgeschwindigkeiten von 300 km/h, in Böen bis 340 km/h, auftraten. Außerdem behielt Camille den Rekord für die höchste Sturmflut (+7,3 m), die in den USA jemals gemessen wurde, bevor KATRINA im Jahr 2005 auftrat. POLARSTERN lief also auf Camille zu, meldete die gewünschten Wetterdaten, und in der Morgendämmerung des siebzehnten August bemerkten sie eine gewaltige finstere und regenschwere Wolkenbank in Südsüdwest. Das musste Camille sein, der eigentlich im Südosten stehen sollte. Der Hurrikan hatte also während der Nacht weit nach Westen ausgeholt und lief nun außerhalb der vom Wetteramt berechneten Bahn. Der Kapitän erkannte, dass POLARSTERN auf den gefährlichen Sektor des Wirbelsturms treffen würde, wo sich Zug- und Windgeschwindigkeit addierten und der Wind von vorn wehte. Deshalb änderte er sofort den Kurs nach Steuerbord. Die Zuggeschwindigkeit von Camille lag zu diesem Zeitpunkt bei fünfzehn Knoten, weshalb POLARSTERN keine Mühe hatte, ihm mit zweiundzwanzig Knoten davon zu laufen. Das Zentrum des Hurrikans wanderte nun scheinbar nach Backbord aus, und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als ob ihn das Schiff nicht mehr interessiere. Doch dann erfasste die Peripherie des Wirbelsturmes auch POLARSTERN. Fast schlagartig verwandelte sich die See in eine brodelnde Hölle, Regen peitschte über das Deck, die Sicht ging gegen Null, und der immer mehr achterlich einfallende orkanartige Wind schob das Schiff durch eine kochende See. Auf der Brücke atmete man auf, weil man den ungefährlichen Sektor erreicht hatte, wo die Windgeschwindigkeit am niedrigsten war und von achtern einfiel. Flarrow hatte sich das Schauspiel von der Brücke aus angesehen und würde es so schnell nicht vergessen. Der Alte, der einen Hurrikan von der Kategorie Camille noch nicht erlebt hatte, sagte: „Wenn wir auf der anderen Seite des Wirbels angekommen wären, hätten wir richtige Probleme bekommen, aber so ging’s doch ganz gut“.
Nach wenigen Stunden schien die Sonne wieder, und das tiefblaue Meer hatte sich beruhigt.
Camille war weiter gezogen, tötete in den US-Bundesstaaten Alabama, Mississippi und Louisiana 143 Menschen und verwüstete große Teile der Golfküste. Auch der Hafen Gulfport und sein Umfeld wurde so zerstört, dass er für gut einen Monat außer Betrieb war, weshalb POLARSTERN in New York löschen musste.
Als Flarrow eines Morgens in Limon vom Saloon Feenix zurückkam, machte er an Marias Kiosk halt. Die Vorleute der Bananeros standen herum und grüßten freundlich. Flarrow gab eine Runde Kaffee und Sandwiches aus. Plötzlich ertönte das Typhon der POLARSTERN und rief ihn an Bord. Es hatte eine Störung gegeben, und als alles wieder klar war, ging bereits der Lotse von Bord, und Flarrow erinnerte sich, dass er bei Maria nicht bezahlt hatte. Die nächsten Reisen gingen allerdings nach La Ceiba / Cortez. Limon sah er erst nach fünf Wochen wieder, wo Maria gelassen die fünfzehn Colonnes und ein schönes Trinkgeld entgegennahm. Costa Rica war damals eben ein freundliches Land mit freundlichen Menschen!
Im September konnte Gulfport wieder angelaufen werden, und POLARSTERN war das erste Schiff, welches dort löschte.
Die Verwüstungen, die Camille angerichtet hatte, waren nicht zu übersehen. Als sie damals ausgelaufen waren, lagen vier leere Frachter im Hafenbecken, Libertyschiffe aus dem zweiten Weltkrieg, Zehntausendtonner. Drei davon hatte die Flutwelle aus dem Hafenbecken gehoben und an Land gesetzt. Ein Schiff, so der Hafenkapitän, war ausgelaufen und hatte den Hurrikan auf See heil überstanden. An den Häusern gab es schwere Schäden, mehrere Häuser hatte der Hurrikan regelrecht davon fliegen lassen, und eine Gesellschaft aus New Orleans, die in Biloxi eine Hurrikanparty gefeiert hatte, wurde samt Haus vermisst. Die Fische des Seaquariums hatten die Gunst der Stunde genutzt und waren ins Meer zurückgekehrt.
Der Sheriff kam an Bord und erklärte, dass noch immer der Notstand ausgerufen sei und Plünderer erschossen würden. Er empfahl auf Landgang zu verzichten, was der Alte darauf hin auch anordnete.
Die Landfirma, die die Maschinencrew beim Wechsel eines weiteren Ladeluftkühlers unterstützen sollte, sagte ab, weil Wartungsarbeiten an den mobilen Dieselaggregaten, die noch immer als Ersatzstromversorgung liefen, fällig waren. Der Boss fragte, ob POLARSTERN ihn personell unterstützen könnte. Flarrow stellte es seiner Crew frei, bei den Arbeiten an Land mit zu helfen. Das war für die Leute aus der Maschine von POLARSTERN ein Abenteuer, das diese freudig annahmen. Als sie abends zurückkamen, hatten sie alle fünfzig Dollar in der Tasche, und der Firmenchef, der nebenbei noch zwei Krabbenkutter laufen hatte, schickte noch sechzig Kilogramm Krabben an Bord und lobte die Deutschen sehr, die einen interessanten Tag in der amerikanischen Arbeitswelt erlebt hatten.
Als Flarrow sie später dazu befragte, hörte er, dass die Amis wenig Ahnung hätten, immer erst einmal die Betriebsanweisung studieren, Handschuhe anziehen und mit zwei Mann die Arbeit für einen machen. Dabei wäre doch nur Ölwechsel einschließlich Filteraustausch zu machen gewesen. Das konnten die Jungens vom Schiff natürlich an jeder Maschine im Schlaf erledigen.
In Gulfport waren wieder einmal die Heuerabrechnungen eingetroffen. Der Elektriker hatte eine Zulage von zweihundert Mark bekommen und wusste nicht wofür. Niemand an Bord wusste das. Später wurde klar, dass die Reederei damit die Elektriker auf Schiffen mit automatisierten Maschinenanlagen motivieren und ihre Wertigkeit an Bord anheben wollte. Da die Zulage des Elektrikers nun an Bord bekannt geworden war, fragten sich die Wachingenieure, warum man sie nicht berücksichtigt hatte. An sie wurden doch ebenfalls erhöhte Anforderungen gestellt. Mit reduzierter Besatzung und automatischen Anlagen, deren Störanfälligkeit immer wieder Überstunden erforderte, hätten sie das doch auch verdient. Flarrow störte, dass man es nicht für notwendig erachtet hatte, die Schiffsleitung zu informieren. So hätte man erklären und die kleine Palastrevolution verhindern können. Sein diesbezüglicher Brief an die Reederei blieb jedoch unbeantwortet. Mitgeteilt wurde in einem anderen Zusammenhang lediglich, dass die Personallage wieder einmal kritisch sei, und Kapitäne und Leitende Ingenieure, fragten sich, warum dann so etwas passierte, was die Leute an Bord nur verärgerte. Ein Sprechfunkkontakt mit POLARLICHT zeigte, dass auch dort niemand von der Reederei informiert worden war und sich ähnliche Szenen abgespielt hatten.
Die Tage vergingen langsamer, je näher Flarrows Urlaubstermin kam. Er war müde geworden. Die letzten Monate hatten Nerven gekostet, auch wenn der Betrieb auf POLARSTERN mehr und mehr zur Routine geworden war. Aber seine Ablösung wurde aus verschiedenen Gründen immer wieder verschoben.
Mitte Oktober erwischte sie der Hurrikan ‚Kara’. Er war der letzte der Saison und hatte sich bereits auf See im Golf abgeschwächt. Mit Windgeschwindigkeiten um hundert km/h, also etwa zehn Windstärken nach Beaufort, war er für POLARSTERN kein gefährlicher Gegner, und das Schiff überstand ihn unbeschadet.
Nach weiteren zwei Reisen nach New York traf endlich seine Ablösung ein. Weil er seine Schneiderin in San Jose besuchen wollte, fuhr er noch bis La Ceiba mit, was auch der Reederei recht war. So konnte die Übergabe auf See und nicht unter Zeitdruck im Hafen erfolgen.
Flarrow war ins Hospital gezogen und saß in der Sitzbadewanne, als die Maschine plötzlich stoppte und das Licht verlosch. Ein Black Out war passiert. Ehe er sich angezogen hatte, lief aber alles wieder, und sein Nachfolger kam, um ihm zu berichten. Das empfand er als eine sehr freundliche Geste. Denn so sehr er sich auf den Urlaub und die Tage mit der Schneiderin freute, an Bord hatte er nichts mehr zu bestimmen. Das Leben ging weiter ohne ihn. Er war eigentlich Passagier, fühlte sich ein bisschen überflüssig und merkte gar nicht, wie viel Sympathie ihm von der Besatzung entgegen gebracht wurde.
In La Ceiba verabschiedete er sich, bekam sein Seefahrtbuch, in dem eine Dienstzeit von nahezu elf Monaten sowie Urlaub und Freie Tage bis zum 22. April 1970 eingetragen waren. „Sie können jederzeit wiederkommen“, sagte der sonst eher schweigsame Kapitän scherzhaft, und Flarrow wünschte ihm „Gute Reise und immer eine Handbreit Wasser.“
Als er im Hospital nach seinem Koffer sah, wartete der Zweite Ingenieur dort. „Die Jungs wollen Sie unbedingt an Land in ihr Hotel bringen, den Koffer haben sie schon mitgenommen.“ „Und was sagt der Chief dazu?“ - „Alle haben eine Stunde frei, bis auf die Hafenwache. An so etwas hatte er nicht im Traum gedacht, seine Leute trugen ihm den Koffer an Land! Und das nicht, weil sie ihn los sein wollten! An der Gangway stand Onkel Rudolf. Sie sahen sich lange an und verstanden sich auch ohne große Worte. Der Kühlmaschinist konnte zwei Stunden vor Ende des Ladens seine Ladekühlanlage natürlich nicht allein lassen.
Auf der Landungsbrücke stand die wachfreie Maschinencrew mit seinem Koffer. „Zum Hotel San Francisco“, sagte Flarrow, und die Leute setzten sich in Bewegung. In seinem Zimmer im ersten Stock zauberten sie zwei Flaschen Whisky und eine Stange Pall Mall hervor, und der Schmierer Emil, der im vorigen Jahr als Reiniger auf POLARSTERN eingestiegen war, sagte: „Wir wollten, dass Sie in Costa Rica gut mit wichtigen Sachen versorgt sind.“ Nun war es an Flarrow, an der Hotelbar eine Runde zu schmeißen und sich zu bedanken. „Ich wünsche euch alles Gute, gute Reisen und viel Glück für die Zukunft. Und nun solltet ihr an Bord gehen, es wird Zeit.“
Nachdem er sich eingerichtet hatte, ging er zur Alexanders Bar y Restaurant. Vom kleinen Garten aus konnte er gut verfolgen, was sich am Pier abspielte, wie sie die Leinen vereinzelten und die Seitenpforten schlossen.
Senior Alexander, der früher auch zur See gefahren hatte, kam mit einer Bloody Mary an den Tisch, kehrte aber um, als er kapiert hatte, dass Flarrow ausgestiegen war und das Alleinsein brauchte, um Abschied zu nehmen.
Er kam mit einem Tablett zurück, auf dem eine halbe Flasche Whisky, Eis und zwei Gläser standen. Während er einschenkte, dröhnte das Typhon von POLARSTERN drei Mal. Die Hauptmaschine sprang an, und das Schiff dampfte rückwärts von der Landungsbrücke weg, drehte dann auf und ging auf Kurs. Ein langer Ton des Typhons klang wie ein trauriger Abschiedsgruß.
Alexander hob sein Glas und prostete Flarrow zu, doch der salutierte zur POLARSTERN gewandt und sagte: „Bien viaje – gute Reise“ Er sah hinter dem Schiff her, das schon bald in der Kimm stand, bis es schließlich in der blauen See des Golfes außer Sicht kam.
Dabei ließ ihn das soeben Erlebte nicht los. Gerade die Leute, von denen er oft das Letzte verlangt hatte, denen er ein harter Vorgesetzter war, machten keine drei Kreuze hinter ihm her, sondern beschenkten ihn noch. Sie machten sich Sorgen um ihn. Und er hatte in den zurück liegenden zwei Jahren keinen Mann verloren und keinen fristlos entlassen müssen. Einige, wie der Schmierer Emil, waren sogar ein zweites Mal auf POLARSTERN eingestiegen! Damit konnte er sich zu Hause in Hamburg sehen lassen. Sicher konnte er das, und darauf war er natürlich auch stolz. Aber dass sie ihm den Koffer ins Hotel gebracht hatten, darüber dachte er nach, bis die Flasche auf seinem Tisch leer war.
Am nächsten Tag bestieg er in San Pedro do Sul eine uralte DC 3, mit der er in Richtung San Jose´ (Costa Rica) verschwand. Destination San Jose´, dort würde seine Schneiderin auf ihn warten.
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Bücher in der gelben Buchreihe" Zeitzeugen des Alltags" von Jürgen Ruszkowski:
Seemannsschicksale
Band 1 - Band 1 - Band 1 - Band 1
Begegnungen im Seemannsheim
ca. 60 Lebensläufe und Erlebnisberichte
von Fahrensleuten aus aller Welt
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Seemannsschicksale
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Lebensläufe und Erlebnisberichte
Lebensläufe und Erlebnisberichte von Fahrensleuten, als Rentner-Hobby aufgezeichnet bzw. gesammelt und herausgegeben von Jürgen Ruszkowski
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Seemannsschicksale
Band_3
Lebensläufe und Erlebnisberichte
Lebensläufe und Erlebnisberichte von Fahrensleuten
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Edition 2004 - Band 4
Seemannsschicksale unter Segeln
Die Seefahrt unserer Urgroßväter
im 19. Jahrhundert und am Anfang des 20. Jahrhunderts
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Band 5
Capt. E. Feith's Memoiren:
Ein Leben auf See
amüsant und spannend wird über das Leben an Bord vom Moses bis zum Matrosen vor dem Mast in den 1950/60er Jahren, als Nautiker hinter dem Mast in den 1970/90er Jahren berichtet
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Band 6 ist geplant
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Seemannsschicksale
maritimbuch
Schiffsbild - Schiffsbild
Schiffsbild
erwähnte Personen
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Band 7
in der Reihe Seemannsschicksale:
Dirk Dietrich:
Auf See
ISBN 3-9808105-4-2
Dietrich's Verlag
Band 7
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Band 8:
Maritta & Peter Noak
auf Schiffen der DSR
ISBN 3-937413-04-9
Dietrich's Verlag
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Band 9
Die abenteuerliche Karriere eines einfachen Seemannes
Endstation Tokyo
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Band 10 - Band 10
Autobiographie des Webmasters
Himmelslotse
Rückblicke: 27 Jahre Himmelslotse im Seemannsheim - ganz persönliche Erinnerungen an das Werden und Wirken eines Diakons
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- Band 11 -
Genossen der Barmherzigkeit
Diakone des Rauhen Hauses
Diakonenportraits
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Band 12 - Band 12
Autobiographie:
Diakon Karlheinz Franke
12 € - Bestellungen -
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Band 13 - Band 13
Autobiographie:
Diakon Hugo Wietholz
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Band 14
Conrad H. v. Sengbusch
Jahrgang '36
Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden
Jugend in den "goldenen 1959er Jahren"
Lehre als Schiffselektriker in Cuxhaven
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Band 15
Wir zahlten für Hitlers Hybris
mit Zeitzeugenberichten aus 1945 über Bombenkrieg, Flucht, Vertreibung, Zwangsarbeit und Gefangenschaft
Ixlibris-Rezension
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Band 16
Lothar Stephan
Ein bewegtes Leben - in den Diensten der DDR - - zuletzt als Oberst der NVA
ISBN 3-9808105-8-5
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Band 17
Als Schiffskoch weltweit unterwegs
Schiffskoch Ernst Richter
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Band 18
Seemannsschicksale
aus Emden und Ostfriesland
und Fortsetzung Schiffskoch Ernst Richter auf Schleppern
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Band 19
ein Seemannsschicksal:
Uwe Heins
Das bunte Leben eines einfachen Seemanns
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Band 20
ein Seemannsschicksal im 2. Weltkrieg
Kurt Krüger
Matrose im 2. Weltkrieg
Soldat an der Front
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Band 21
Ein Seemannsschicksal:
Gregor Schock
Der harte Weg zum Schiffsingenieur
Beginn als Reiniger auf SS "RIO MACAREO"
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Band 22
Weltweite Reisen eines früheren Seemanns als Passagier auf Fähren,
Frachtschiffen
und Oldtimern
Anregungen und Tipps für maritime Reisefans
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Band 23
Ein Seemannsschicksal:
Jochen Müller
Geschichten aus der Backskiste
Ein ehemaliger DSR-Seemann erinnert sich
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Band 24
Ein Seemannsschicksal:
Der maritime Liedermacher
Mario Covi: -1-
Traumtripps und Rattendampfer
Ein Schiffsfunker erzählt
über das Leben auf See und im Hafen
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Band 25
Ein Seemannsschicksal:
Der maritime Liedermacher
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Landgangsfieber und grobe See
Ein Schiffsfunker erzählt
über das Leben auf See und im Hafen
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Band 26
Monica Maria Mieck:
Liebe findet immer einen Weg
Mutmachgeschichten für heute
Besinnliche Kurzgeschichten
auch zum Vorlesen
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- Band 27 -
Monica Maria Mieck
Verschenke kleine
Sonnenstrahlen
Heitere und besinnliche Kurzgeschichten
auch zum Vorlesen
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- Band 28 -
Monica Maria Mieck:
Durch alle Nebel hindurch
erweiterte Neuauflage
Texte der Hoffnung
besinnliche Kurzgeschichten und lyrische Texte
ISBN 978-3-00-019762-8
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Band 29
Logbuch
einer Ausbildungsreise
und andere
Seemannsschicksale
Seefahrerportraits
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ISBN 978-3-00-019471-9
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Band 30
Günter Elsässer
Schiffe, Häfen, Mädchen
Seefahrt vor 50 Jahren
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Band 31
Thomas Illés d.Ä.
Sonne, Brot und Wein
ANEKIs lange Reise zur Schönheit
Wohnsitz Segelboot
Reise ohne Kofferschleppen
Fortsetzung in Band 32
13,90 €
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Band 32
Thomas Illés d.Ä.
Sonne, Brot und Wein
Teil 2
Reise ohne Kofferschleppen
Fortsetzung von Band 31 - Band 31
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Band 33
Jörn Hinrich Laue:
Die große Hafenrundfahrt in Hamburg
reich bebildert mit vielen Informationen auch über die Speicherstadt, maritime Museen und Museumsschiffe
184 Seiten mit vielen Fotos, Schiffsrissen, Daten
ISBN 978-3-00-022046-3
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Band 34
Peter Bening
Nimm ihm die Blumen mit
Roman einer Seemannsliebe
mit autobiographischem Hintergrund
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Band 35
Günter George
Junge, komm bald wieder...
Ein Junge aus der Seestadt Bremerhaven träumt von der großen weiten Welt
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Band 36
Rolf Geurink:
In den 1960er Jahren als
seemaschinist
weltweit unterwegs
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Band 37
Schiffsfunker Hans Patschke:
Frequenzwechsel
Ein Leben in Krieg und Frieden als Funker auf See
auf Bergungsschiffen und in Großer Linienfahrt im 20. Jahrhundert
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Band 38 - Band 38
Monica Maria Mieck:
Zauber der Erinnerung
heitere und besinnliche Kurzgeschichten
und lyrische Texte
reich sw bebildert
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Band 39
Hein Bruns:
In Bilgen, Bars und Betten
Roman eines Seefahrers aus den 1960er Jahren
in dieser gelben maritimen Reihe neu aufgelegt
kartoniert
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Band 40
Heinz Rehn:
von Klütenewern und Kanalsteurern
Hoch- und plattdeutsche maritime Texte
Neuauflage
13,90 € - Bestellungen -
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Band 41
Klaus Perschke - 1 -
Vor dem Mast
1951 - 1956
nach Skandinavien und Afrika
Ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt
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Band 42
Klaus Perschke - 2 -
Seefahrt 1956-58
Asienreisen vor dem Mast - Seefahrtschule Bremerhaven - Nautischer Wachoffizier - Reisen in die Karibik und nach Afrika
Ein Nautiker erzählt von seiner Seefahrt
Fortsetzung des Bandes 41
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Band 43
Monica Maria Mieck:
Winterwunder
weihnachtliche Kurzgeschichten
und lyrische Texte
reich sw bebildert
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Band 44
Lothar Rüdiger:
Flarrow, der Chief 1
Ein Schiffsingenieur erzählt
Maschinen-Assi auf DDR-Logger und Ing-Assi auf MS BERLIN
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Band 47
Seefahrtserinnerungen
Ehemalige Seeleute erzählen
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Band 50
Jürgen Coprian:
Salzwasserfahrten 2
Trampfahrt worldwide
mit
FRIEDERIKE TEN DOORNKAAT
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Band 53:
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MS COBURG
Salzwasserfahrten 5
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Band 45
Lothar Rüdiger:
Flarrow, der Chief 2
Ein Schiffsingenieur erzählt
Fortsetzung des Bandes 44
Flarrow als Wachingenieur
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Band 48:
Peter Sternke:
Erinnerungen eines Nautikers
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Band 51
Jürgen Coprian:
Salzwasserfahrten 3
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Salzwasserfahrten 6
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Band 46
Lothar Rüdiger:
Flarrow, der Chief 3
Ein Schiffsingenieur erzählt
Fortsetzung des Bandes 44 + 45
Flarrow als Chief
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Band 49:
Jürgen Coprian:
Salzwasserfahrten 1
Ostasienreisen mit der Hapag
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Jürgen Coprian:
Salzwasserfahrten 4
MS "VIRGILIA"
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Band 56
Immanuel Hülsen
Schiffsingenieur, Bergungstaucher
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Harald Kittner:
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HanseNautic GmbH, Schifffahrtsbuchhandlung, ex Eckardt & Messtorff, Herrengraben 31, 20459 Hamburg, Tel.: 040-374842-0 www.HanseNautic.de
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Schifffahrtsbuchhandlung Wolfgang Fuchs, Rödingsmarkt 29, 20459 Hamburg, Tel: 3193542, www.hafenfuchs.de
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